Sie begehrt von ihrem Meister gelehrt zu werden

[311] 1

Treuster Meister, deine Worte

Sind die rechte Himmelspforte,

Deine Lehren sind der Pfad,

Der uns führt zu Gottes Stadt.


2

O wie selig, wer dich höret,

Wer von dir will sein gelehret,

Wer zu jeder Zeit und Stund

Schaut auf deinen treuen Mund.
[311]

3

Sprich doch ein in meine Höhle,

Rede doch zu meiner Seele,

Lehr sie halten bis in Tod

Deiner Liebe Liebsgebot.


4

Hilf mich in dem Lieben üben

Und Gott über alles lieben,

Meinen Nächsten gleich wie mich

Laß mich lieben inniglich.


5

Lehr mich englische Geberden,

Laß mir deine Demut werden,

Gieß mir deine Sanftmut ein,

Laß mich klug in Einfalt sein.


6

Also werd ich mich entbinden

Und der Seelen Ruhe finden.

Also werd ich in der Zeit

Sein gelehrt in Ewigkeit.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 311-312.
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