Sie bittet ihn um Beistand in Anfechtung

[129] 1

Erbarm dich mein, o Jesu Christ,

Der du für mich gestorben bist;

Sieh an mein Angst und große Not,

Errette mich, du treuer Gott.
[129]

2

Gedenk an deine Seelenpein,

O hochgeplagtes Lämmelein;

Erinnre dich der schweren Last,

Die du für mich getragen hast.


3

Schau, was ich leide von dem Feind,

Der mich mit Macht zu fällen meint;

Er stellt mir nach und ficht mich an,

So viel er immer weiß und kann.


4

Ach laß ihm doch, mein Gott, nicht zu,

Daß er mir einen Schaden tu;

Steur ihm mit deiner starken Hand

Und mache seine List zu Schand.


5

Ich flieh zu dir, mein Felsenstein,

Wie ein verfolgtes Täubelein;

Ich setz mich in deins Herzens Riß,

Da bin ich sicher und gewiß.


6

Verbirg mich drinnen, Jesu Christ,

Vor aller seiner Macht und List,

Daß er mich übertäube nicht,

Wenn mir mein Herz und Sinn gebricht.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 129-130.
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