Die ewigen Peinen der Verdammten

[246] »Die Hölle ist von gestern her zugerichtet, sie ist auch dem Könige bereit, tief und weit genug; ihre Wohnung ist Feuer und Holz die Menge: der Atem des Herrn zündet sie an wie ein Schwefelstrom.«

Jes. 30, 33.


1

O Ewigkeit, o Peinlichkeit,

O Wort voll Donnerkeile!

O Wort voll Tods und Ängstlichkeit,

Voll Schreckens, voller Pfeile!

O Wort, das aller Menschen Herz

In Trauern sollte bringen

Und einen inniglichen Schmerz

Aus ihrem Grund erzwingen.


2

Weh denen Menschen, die sogar

Die Ewigkeit vergessen

Und die erschreckliche Gefahr

Keinmal bei sich ermessen!

Weh, weh, sie wandeln auf dem Mund

Der aufgesperrten Höllen,

Die sie zuletzt in ihren Schlund

Verschlucken wird und fällen.


3

Man bankettiert und lebet wohl,

Man folget seinen Lüsten,

Man frißt und säuft sich toll und voll,

Läßt Sünd und Schand einnisten.

Und man gedenkt nicht an die Zeit,

Die unaufhörlich währet,

Die alle Freud in Traurigkeit

Und ewge Pein verkehret.
[247]

4

Der Weg ist breit und hat den Schein,

Daß er voll Rosen lieget,

Die Pfort ist groß, man kann hinein,

Ob man sich gleich nicht bieget.

Man fährt hinunter glatt und frei

Mit Roß, Sack, Pack und Wagen,

Mit Jauchzen und mit Gastgeschrei,

Ohn Anstoß, ohne Klagen.


5

Es pflegt sich aber dieser Dunst

Im Augenblick zu enden,

Wenn du hinein bist und umsonst

Dich mühest umzuwenden.

Da siehst du denn, was du getan

Mit deinem Zeitvertreiben!

Zurück ist weder Weg noch Bahn,

Du mußt nun drinne bleiben.


6

Sobald du kommst, empfahen dich

Die teufelischen Hunde

Und machen dir ganz grausamlich

Den Leib zu einer Wunde.

Der Teufel nimmt dich selber an

Mit seinen Henkersarmen

Und preßt dich ein, so sehr er kann,

Ohn einziges Erbarmen.


7

Der feurgen Schergen grimmge Schar

Wirft dich stracks an die Ketten,

Bindt, reißt, schlägt, tritt, bis du fast gar

Zermergelt und zertreten.[248]

Stürzt dich darauf mit solcher Macht

Auf Abgrunds scharfe Schwellen,

Daß Leib und Seel davor zerkracht

Und ewig sich zerschellen.


8

Der Ort ist schrecklich, rauh und kalt

Und doch voll Glut und Hitze,

Schwarz, finster, grausam, ungestalt,

Ein Unflat, eine Pfütze.

Der Schwefel strömt wie eine Bach,

Von Pech sind große Seen.

Geschmolzen Blei fällt von dem Dach

Und von den jähen Höhen.


9

Es donnert, hagelt, kracht und blitzt

Ohn Unterlaß, ohn Ende,

Es brennet, flammet, sticht und hitzt

Durch alle Stein und Wände.

Es tauet Gift und regnet Feur,

Es schneiet Pflöck und Keulen,

Es stürmt und wettert ungeheur,

Daß Grüft und Lüfte heulen.


10

Die Hunde, die darinnen sein,

(Ich meine die Verdammten)

Bindt Satan in Gebünder ein

Durch seines Zorns Beamten.

Sie liegen wie das tote Vieh,

Wie Hering auf dem Haufen

Und können ewiglich doch nie

Ersterben noch ersaufen.
[249]

11

Von unten brennet sie die Glut

Des Feuers und der Flammen,

Auf allen Seiten schlägt die Flut

Des Pfuhls ob ihn'n zusammen.

Von oben trauft das heiße Blei

Auf ihre nackten Glieder,

Bald trennet sie ein Strahl entzwei,

Bald schlägt sie Hagel nieder.


12

Die Pestilenz, die plaget sie

Mit Eiterbeuln und Schlieren,

Carbunkel, Sprenkeln und was nie

Auf Erden war zu spüren.

Die Gicht, das Zahnweh und der Stein,

Das Nagen in dem Herzen

Sind gegen ihrer andern Pein

Noch gar geringe Schmerzen.


13

Unsäglich ists, was sie alldar

Vom Ungeziefer leiden,

Die sich an der Verfluchten Schar

Ersättigen und weiden.

Die Frösch und Kröten setzen sich

Ganz frei auf ihr Gesichte

Und machens ihnen ewiglich

Zuschanden und zunichte.


14

Die Schlangen sieht man fort und fort

An ihrem Fleische hängen

Und sie auf jeder Stell und Ort

Anfallen und bedrängen.[250]

Die Nattern haben ihre Lust,

Wenn sie Maul, Nas und Ohren

Durchschlüpfen und die ganze Brust

Bis auf das Herz durchbohren.


15

Der Läus ist ein unzählig Heer,

Ingleichen auch der Wanzen,

Die nach der Läng und nach der Quer

Auf ihrer Haut rumtanzen.

Die Mücken kühlen ihren Mut,

Die Bremsen sind ergötzet,

Wenn sie die Hunde bis aufs Blut

Gestochen und verletzet.


16

Der Spinnen ist ein Überfluß

Und auch der Skorpionen,

Es müssen sie auch zum Verdruß

Die Mäuse nicht verschonen.

Die Ratten fressen sie stets aus

Und wühlen nach Belieben,

Bis daß an manchen nichts als Graus

Von Beinen übrigblieben.


17

Zum Unglück können sie sich nicht

Auf eine Seite kehren

Und einer Fliege, die sie sticht,

Mit einem Finger wehren.

Der Leib ist wie ein Zentner Blei,

Plump, grob und ohn Gelenke,

Die Flechsen alle sind entzwei,

Die Bein aus dem Gerenke.
[251]

18

Und dieses haben sie davon,

Weil sie nicht wollten gehen,

Wenns Zeit war, vor des Herren Thron

Zu knieen oder stehen.

Sie waren langsam, träg und faul

Dem Nächsten beizuspringen

Und konnten ihren frechen Gaul

Nicht von der Stelle bringen.


19

Betrachtet dies, ihr faules Vieh,

Die ihr Gott selten dienet,

Die ihr vor seinem Antlitz nie

Mit einer Tugend grünet,

Die ihr so hurtig lauft zum Spiel,

Zum Saufen, Tanzen, Springen

Und könnt zu eures Leibes Ziel

Nicht einen Fuß fortbringen.


20

Sie haben weder Ruh noch Rast

Von allen diesen Plagen,

Es kränkt sie ewig diese Last,

Die Pein und dieses Nagen.

Das Fleisch, das ihnen hat die Zahl

Der Ratten ausgefressen,

Wächst stracks aufs neu und hegt die Qual

Unendlich, ungemessen.


21

Die Raben fallen sie auch an,

Die Habicht und die Geier,

Ein jeder pflücket, was er kann,

Und hackt nach seiner Leier.[252]

Sie werden oft mit solchem Strauß

Verschlucket von den Drachen

Und wiederum gespieen aus,

Daß die Gewölbe krachen.


22

Das Ärgst ist, daß kein Gras noch Kraut

Noch Arznei da zu finden,

Kein Arzt, der die versehrte Haut

Kann salben und verbinden.

Kein Trost, kein Labsal in der Qual,

Kein Öle für die Schmerzen,

Kein Trank, kein Wasser überall

Für die ermatten Herzen.


23

Sie werden mehr geschwächt und krank,

Wenn man den Schacht aufrühret

Und den unleidlichen Gestank

Vor ihre Nase führet.

Dies ist der Myrrhn und Benzoin,

Den sie verdienet haben,

Der Schnupftabak, der Haupt und Sinn

Erleichtern soll und laben.


24

Der Hunger plaget sie auch sehr,

Sie heulen wie die Hunde,

Nach Wasser lechzen sie noch mehr

Mit aufgesperrtem Munde.

Und doch wird ihnen nichts zuteil,

Die Hoffnung ist verschlissen,

Sie müssen so die ganze Weil

Ihr Bankettieren büßen.
[253]

25

Wenn ihnen Satan gütlich will,

So füllt er ihren Rachen

Mit Hüttenrauch, Kot und Gespül

Von grauerlichen Sachen.

Drauf schöpft er ihnen einen Trank

Aus der vergiften Quelle

Und füllt sie an mit Mordgestank

Aus seines Unflats Kelle.


26

Anstatt der Musik hören sie

Das teuflische Geschreie,

Welchs sie erschrecket je und je

Ohn Ordnung, ohne Reihe.

Sie hören ihren Hohn und Spott,

Wie sie verlachet werden,

Daß sie den Teufeln mehr als Gott

Gefolget auf der Erden.


27

Da werden ihnen eingetränkt

Die tausend Sakramente,

Die Donner, Hagel und was kränkt,

Die Sternen-Elemente.

Da hören sie im Dampf und Rauch

Das Blut und Gottes Wunden,

Das ihnen durch den bösen Brauch

Entworden und entschwunden.


28

Sie wissen nicht vor Ungeduld,

Vor Zorn und großem Grimme,

Wie sie nur solln in dieser Schuld

Erheben ihre Stimme.[254]

Sie wollen fluchen, lästern, schmähn

Und sich darmite rächen

Und können kaum ein Wort ausdrehn

Noch vor Verbosung sprechen.


29

Die Zung ist noch dazu verwundt,

Sie können sie kaum rühren,

Verschlossen ist der Hals und Mund

Mit schmerzlichen Geschwüren.

Und so noch eins in dieser Pein

Kann einen Fluch erzwingen,

Dem dreht man einen Knebel ein,

Daß Mund und Schlund zerspringen.


30

Ein unnatürliches Geschrei

Ertönt aus ihren Rachen,

Sie grunzen wie die vollen Säu,

Sie krächzen wie die Drachen.

Sie bellen wie das Hundevieh,

Sie heulen, blöken, brüllen,

Sie murrn und brummen je und je

Mit ewgem Widerwillen.


31

Schaut, dies soll eure Kurzweil sein,

Ihr schändlichen Schandierer!

Dies sind die Hurenliedelein,

Ihr Buhler, ihr Verführer!

Singt nur und reißet, wie ihr wollt,

Die Zoten und die Possen,

Im Abgrund werdt ihr diese Schuld

Genug bezahlen müssen.
[255]

32

Zu diesem sind sie so verstalt,

Zerstümmelt und zerhauen,

Daß man sie beide, jung und alt,

Nicht kann ohn Schrecken schauen.

Kohlpechschwarz ist ihr Angesicht,

Voll Blasen, voller Grinde,

Der Leib so hart und runzelicht

Als Bast und eichne Rinde.


33

Dem hängt die Nase bis ins Maul,

Der hat durchfressne Backen,

Dem dritten sind die Lippen faul,

Dem vierten schwürt der Nacken.

Ein anderer hat einen Kropf

Wie eine Wasserkanne,

Ein anderer glüht um den Kopf

Wie indiansche Hanne.


34

Dem einen rahn die Augen vor

Wie große Käsenäpfe,

Dem andern stehn die Haar empor

Und sind voll Wichtelzöpfe.

Der eine hat die Gusche nicht,

Der andre Nas und Ohren

Und gar sein menschlich Angesicht

Zu ewger Schmach verloren.


35

Viel sehn dem Ungeziefer gleich,

Den Kröten und den Schlangen,

Dieweil sie auf dem Erdenreich

Voll Gifts und Hasses gangen.[256]

Der Hund ist eine große Zahl,

Der Säu und Böck ingleichen,

Viel Neid, Fraß, Unzucht überall

Bei Armen herrscht und Reichen.


36

Sie sind so schrecklich zugericht,

Daß sie selbst drob erschrecken

Und ihr verfluchtes Angesicht

Stets suchen zu bedecken.

Der Teufel ist nicht greulicher

Noch seine Spießgesellen,

Kein Wurm und Kröt abscheulicher

Im Pfuhl der ganzen Höllen.


37

Zu diesem allen kommt auch noch

Daß sie nicht Friede hegen

Und ihnen selber erst das Joch

Des Widerwillns anlegen.

Sie quäln einander ewiglich

Mit Fluchen und Verdammen,

Sie schlagen, kratzen, beißen sich

Ohn Unterlaß zusammen.


38

Dies ist des Abgrunds Eigenschaft,

Dies ist des Teufels Friede.

Mit solcher Liebe sind behaft

Die ewgen Höllenriede.

Weh euch, die ihr Krieg, Zank und Streit,

Haß, Hader, Zwietracht liebet,

Ihr müsset darauf in Ewigkeit

Mit Zwietracht sein betrübet.
[257]

39

Erschrecklich muß es ihnen sein,

Wenn sie von Teufeln allen

Noch über jetzt erzählte Pein

Erst werden angefallen.

Weiß doch nicht ein beherzter Held,

Was er vor Angst soll machen,

Wenn ihn nur ein Gespenst anfällt;

Was sind dann tausend Drachen!


40

Sie falln sie an mit großem Grimm

Und unerhörtem Schreien,

Mit einer höllschen Donnerstimm,

Mit Brüllen wie die Leuen.

Sie wüten, toben, stechen, haun,

Sie speien, schnauben, kratzen,

Sie fassen sie mit ihren Klaun

Und teufelischen Tatzen.


41

Da ist das Elend erst recht groß

Und nimmer anzusprechen,

Mit was für Pein und was für Stoß

Sie ihnens Herze brechen.

Wie sie sie peinigen und quäln,

Wie grimmig sie verfahren,

Kann kein verschwatzter Mann erzähln

In vielen langen Jahren.


42

Dem brechen sie im Zorn den Hals,

Daß ihm die Sehnen knacken,

Dem andern drehn sie gleichen Falls

Das Antlitz auf den Nacken.[258]

Dem reißen sie die Augen aus,

Zerschmettern dem die Beine,

Den werfen sie mit großem Strauß

Und Toben an die Steine.


43

Den henkert man, wie man nur kann,

Den jaget man durch Spieße,

Den speiet man mit Feuer an,

Verhauet dem die Füße.

Die tritt man in den höllschen Kot,

Die schläget man mit Keulen,

Die nagelt man zu Hohn und Spott

Auf Stangen wie die Eulen.


44

Viel schleppet man im Abgrund rum

Und zaust sie bei den Haaren

So grimmig, daß sie um und um

Die Schwarte lassen fahren.

Drauf brüht man sie bis aufs Gebein

In allen feurgen Flüssen,

Schließt sie in glühend Eisen ein

Mit Händen und mit Füßen.


45

Dem stoßet man das Herz entzwei

Mit Rädern und mit Rammen,

Den stampft man gar wie einen Brei

Mit Spinnengift zusammen,

Dem schneidet man das Fleisch vom Rump,

Den peitschet man mit Schlangen,

Den schlägt man lahm, den andern krumb,

Den reißet man mit Zangen.
[259]

46

Viel werden an den Spieß gesteckt

Und lebendig gebraten,

Viel auf der Folterbank gereckt,

Bekennend ihre Taten.

Viel werden bis aufs Mark zerfeilt,

Viel jämmerlich geschunden,

Viel klein zerhackt und ausgeteilt

Zur Kost der höllschen Hunden.


47

Man köpft und henkt sie ewig hin

Man siedt sie stets im Öle,

Treibt ihnen von entbranntem Kien

Durch alle Glieder Pfähle.

Bald wirfet man sie aus der Glut

In ein eiskalte Wuhne,

Aus der bald wieder in die Flut

Und feuerheiße Trune.


48

Die Laster haben noch dazu

Ihr eigne Straf und Plagen,

Die den Verbrechern alle Ruh

In Ewigkeit versagen.

Wem dein verruchtes Herz allhier

Am meisten war ergeben,

Das quälet dich da für und für

In diesem toten Leben.


49

Die Hoffart lieget da im Kot,

Dem Satan zu den Füßen

Und muß ihm, ihr zu Schimpf und Spott,

Auch gar den Hintern küssen.[260]

Wie sie gepranget und stolziert,

Wie sehr sie sich erhaben,

So sehr wird sie nunmehr vexiert,

Gedrucket und vergraben.


50

Der Geizige klaubt überall

Den Teufelskot zusammen

Und frißt in sich mit großer Qual

Die Kohlen samt den Flammen.

Er scharrt, er gratscht, er greift nach Geld,

Schnappt nach den höllschen Fliegen,

Er kränkt sich, daß er nicht die Welt

Soll ganz in Rachen kriegen.


51

Man gießet ihm geschmolzen Gold

In seinen Schlund die Menge,

Füllt ihm damit, wie er gewollt,

All Adern, alle Gänge.

Was er mit Unrecht an sich bracht

Und andern hat entzogen,

Das wird ihm alls durchs Teufels Macht

Erschrecklich ausgesogen.


52

Der Neid frißt ihme selbst das Herz

Und nagt an eignen Brüsten,

Er muß dem Beelzebub zum Scherz

Sich kränken und entrüsten.

Man nimmt ihm auch, was er nicht hat,

Man gönnt ihm nicht die Stelle,

Man leidt ihn kaum in diesem Bad

Und in der ganzen Hölle.
[261]

53

Die Schleckerbißlein, die dem Fraß

In seinen Wanst geflogen,

Die werden ihm da ohne Maß

Mit Haken rausgezogen.

Er muß sich würgen in der Pein

Und unaufhörlich kröcken,

Das Bier muß raus und auch der Wein,

Sollt er gleich bald verrecken.


54

Der Durst und Hunger plaget ihn

Und, wie er hier gesessen,

So hat er da auch noch den Sinn

Zum Saufen und zum Fressen.

Man gibt ihm aber nichts als Kot

Und Eiter von den Wunden,

Das ist sein Trank und täglich Brot

All Augenblick und Stunden.


55

Der Zorn muß aller Teufel Zorn

Auf seinem Kopfe tragen

Und zu allm ihrem Schnurrn und Purrn

Auch nicht ein Wörtlein sagen.

Er brennt, er flammt, er schnaubt, er gischt,

Bleibt ewiglich zerrüttet,

Weil er hier alls mit Grimm vermischt

Und ohn Vernunft gewütet.


56

Der Faule, der nichts Gutes tat

Noch jemals wollte beten,

Der wird gepeitscht mit scharfem Draht

Und jämmerlich zertreten.[262]

Man kauft ihm Lust mit einem Beil,

Mit Kolben und mit Prügeln,

Man laust ihn für die lange Weil

Mit allen Hölleriegeln.


57

Die Böck und Brömmer, die allhier

Manch ehrlich Mensch verführten

Und manche Dirn zur Ungebühr

Bekleideten und zierten,

Die müssen unerhörte Pein

Von ihrer Brunst empfinden

Und ewiglich gequälet sein

Mit Fühlung dieser Sünden.


58

Die geilen Säcke, die so oft

Den Jünglingen nachgingen

Und manchen, der es nicht verhofft,

Mit ihren Stricken fingen,

Die werden jämmerlich gekränkt

Von ihren bösen Lüsten,

Mit Skorpionen hart bedrängt

An Leib und an den Brüsten.


59

In Summa, wer ists, der sogar

Die Peinen kann beschreiben,

Die der Vermaledeiten Schar

Ohn Ende werden bleiben.

Es wird mit höchster Grimmigkeit

An ihnen da gerochen,

Was sie mit ihrer Üppigkeit

Und bösem Tun verbrochen.
[263]

60

Noch eins ist über alle Pein

Und über alle Plagen,

Das sie so lang, als Gott wird sein,

Am schrecklichsten wird nagen.

Das sie mehr brennt als siedig Zinn

Und alle höllschen Flammen,

Das sie mehr kränkt im Geist und Sinn

Als alle Pein zusammen:


61

Es ist, daß sie in Ewigkeit

Die Marter müssen leiden

Und die verscherzte Himmelsfreud

In Ewigkeit vermeiden.

Daß sie von Gottes Angesicht

Verstoßen bleiben müssen

Und sein so lieblich seligs Licht

Nun nimmermehr genießen.


62

Da geht erst die Verzweiflung an,

Da gehts in ein Verfluchen,

Da will man erst im Pfuhl die Bahn

Zur Buß und Beichte suchen.

Da fängt man an, jedoch umsonst,

Das Böse zu bereuen

Und sich vor viehscher Lust und Brunst,

Vor Sünd und Schand zu scheuen.


63

Sie fluchen, daß sie Menschen sein,

Und wolln sich stets ermorden,

Sie wünschen Gott die ewge Pein,

Daß sie geschaffen worden.[264]

Sie schrein und gillen nach dem Tod,

Und sieh! er fleucht vor ihnen,

Sie henkern selbst sich, daß sie Gott

Nicht haben wollen dienen.


64

Es schmerzet sie das milde Blut,

Das Christus hat vergossen,

Sie denken an die Gnadenflut,

Die sie umsonst genossen.

Sie wissen, wie Gott sie geliebt,

Was er für sie gelitten,

Wie er gewest um sie betrübt

Und bis in Tod gestritten.


65

Ach, schrein sie, wie leicht hätten wir

In Himmel können kommen,

Nun ists umsonst und müssen hier

In Ewigkeit verstummen.

Wie leichte konnten wir zu Gott

Durch Buß und Christi Wunden,

Nun sind uns alle Mittel tot

Und sein Verdienst verschwunden!


66

Nun müssen wir in Ewigkeit

Vergehn in diesen Qualen

Und unsre Lust und Eitelkeit

Mit Leib und Seel bezahlen.

O Ewigkeit, o Ewigkeit!

Wer kann die Läng aussprechen?

Wer zählt die Jahre dieser Zeit,

In der man uns soll rächen?
[265]

67

Dies ist der Wurm, der nimmermehr

In den Verdammten stirbet,

Durch den die Seele noch so sehr

Als durch das Feur verdirbet.

Dies ist der allergrößte Schmerz,

Den sie, die Hund, empfinden,

Dies macht, daß ihnen Seel und Herz

Verdorren und verschwinden.


68

Geh nun, verruchtes Sündenkind,

Und folge deinem Willen,

Geh, sei verbost, verstockt und blind,

Laß dich den Teufel füllen.

Stolziere, geize, zürne, friß,

Begeh des Fleisches Lüste,

Denk aber, daß durch dies gewiß

Die ewge Qual einniste.


69

Kehr um und eile heute noch

Mit Reu und Leid zur Buße,

Reiß dich aus dem verfluchten Joch

Und fall dem Herrn zu Fuße.

Betreug dich nicht, tus, weil es Zeit,

Weil Gnad und Gunst zu finden,

Sonst wird dir Gotts Barmherzigkeit

Und alle Huld verschwinden.


70

Ach, daß du noch so töricht bist

Und dich so tief verbrennest!

Ach, daß du doch in Kot und Mist

So unbesonnen rennest![266]

Ach, arme Seele, steh doch auf,

Ermuntre deine Sinnen,

Verändre deinen schnöden Lauf,

Der Höllen zu entrinnen.


71

Betrachte doch die Ewigkeit,

Daß sie unendlich währet!

Schau an den Wurm, den keine Zeit

Ertötet und verzehret.

Ach, ach, was ist es, ewig sein

Verstoßen und verdammet!

Ach, ach, was ist mit ewger Pein

Geplagt sein und umflammet!


72

Kurz ist die Lust, kurz ist die Zeit,

Vergänglich diese Freuden,

Lang ist die Pein und Ewigkeit,

Beständig währt ihr Leiden.

O Ewigkeit, o Ewigkeit,

O ewig sein verloren!

O Last, o Unerträglichkeit,

O besser, nie geboren!

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 3, München 1952, S. 246-267.
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