Gunnar im Ostlande.

[31] Gunnar und Kulskjäg blieben während des Winters mit ihrem Gefolge auf der See. Im folgenden Sommer steuerten sie nach Reval; dort begegneten sie einigen Vikingern, ließen sich sogleich auf einen Kampf mit ihnen ein und gewannen den Sieg. Darnach steuerten sie ostwärts nach Ösyssel oder Ösel, wie es heut zu Tage heißt, und lagen dort eine Zeit lang unter einer Landspitze. Eines Tages sah Gunnar einen Mann von der Höhe der Landspitze herabkommen. Er ging sofort ans Land, um ihn zu treffen, redete ihn an und fragte nach seinem Namen und dieser antwortete, er hieße Tofe. »Was ist Dein Begehr?« fragte Gunnar. Tofe sprach: »Ich suche Dich. Denn ich will Dir ansagen, daß einige Heerschiffe unter der Landspitze an der andren Seite liegen. Zwei Brüder sind die Befehlshaber. Der eine nennt sich Halgrim, der andre Kulskjäg; sie sind beide gewaltige Streiter und haben so treffliche Waffen, daß ihresgleichen nicht zu finden ist. Halgrim hat eine Hellebarde, (Atgejr: so nannte man eine Waffe, die aus einer an einem Speer unterhalb der Spitze befestigten Axt bestand) die hat er durch Zauberkunst besprechen lassen, so daß keine andre Waffe ihm je den Tod bringt; außerdem hat sie noch die Eigenschaft, daß man alsbald merkt, wenn eine Todeswunde geschlagen werden soll, denn dann klingt sie weithin vernehmbar. Kulskjäg aber hat ein kurzes Schwert (eine Sax nannte man es) und auch dies ist eine herrliche Waffe. Ein Drittheil mehr Mannschaft haben sie als ihr. Schon spähten sie aus, daß ihr hier ankert und rüsten sich jetzt, euch anzufallen. Drum müßt ihr entweder gleich die Anker lichten oder ihr rüstet gleichfalls, sobald es geschehen kann. Gewinnt ihr den Sieg, so will ich Euch ihr Gut zeigen, denn vieles liegt auf dem Lande verborgen. Ich aber weiß, wo es liegt.« Gunnar schenkte Tofe einen Goldring für die Botschaft, dann ging er zu seinen Mannen, erzählte das Gehörte und hieß sie sich alle zum Kampfe rüsten.[32] Kaum waren sie fertig, so sahen sie die Schiffe in schneller Fahrt auf sich zukommen. Bald hob auch der Kampf an und dauerte lange, es sank mancher Mann dahin, doch die meisten schlug Gunnar's Hand. Mit seiner Mannschaft sprang Halgrim hinüber auf Gunnar's Schiff und dieser wandte sich wider ihn. Mit seiner Hellebarde stach Halgrim nach ihm. Doch dabei kam Gunnar die Sprungfertigkeit zu statten, die er besaß; denn im vollen Waffenkleide konnte er höher springen, als er selbst war und eben so weit vorwärts wie rückwärts. Nun sprang er rückwärts über einen Balken, der quer über das Schiff lag, doch hielt er den Schild vor den Balken hin. Den Schild traf Halgrim, die Hellebarde durchbohrte ihn und drang tief in den Balken. Sogleich beugte sich Gunnar weit vornüber und hieb Halgrim über die Hand. Doch schnitt das Schwert nicht, das machte der Zauber; lahm aber wurde Halgrim's Hand, sie ließ die Hellebarde und diese fiel auf den Boden. Flugs faßte sie Gunnar und durchstieß Halgrim, und darauf sang er ein Lied, worin er gelobte, er selbst wolle sie führen sein Leben lang. Inzwischen waren die beiden Kulskjäge zusammengerathen und lange schwankte der Sieg zwischen ihnen. Da kam Gunnar heran und schlug dem anderen Kulskjäg die Todeswunde. So waren die fremden Vikinger ohne Häuptling, darum baten sie um Frieden. Den gestand Gunnar ihnen zu und er hieß sie ihre Waffen und Kleider behalten und zurückfahren nach ihrem Heimatland; das übrige Gut aber nahm er an sich nebst dem Eigenthum der todten Männer. Nach dem Kampfe kam Tofe und bot ihm an, ihn zu dem Gute zu führen, das die Vikinger verborgen hatten; er sagte, es sei mehr und besser als das, was sie bisher gewonnen. Gunnar ging daher mit ihm nach einem Walde hinauf und hier führte ihn Tofe an eine Stelle, wo ein großer Haufen Reisholz lag. Sie schleppten das Reisholz bei Seite und fanden darunter sowohl Gold als auch Silber, Kleider und gute Waffen, und dies trugen sie zu den Schiffen hinab. Gunnar fragte nun Tofe, wie er ihm es lohnen solle. Dieser antwortete: »Von Geburt bin ich ein dänischer Mann, aber gefangen wurde ich von den Vikingern, die mich[33] hier auf Ösyssel an's Land setzten; hier habe ich bisher freudlos und freundlos geweilt; nun will ich Dich bitten, mich zurückzubringen zu meiner Sippe.« Das versprach ihm Gunnar und nahm ihn mit sich.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 31-34.
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