Sigmund's und Skjold's Tod.

[71] Halgjerde hatte auf Hlidarende ein Frauengemach, zu welchem die Frauen auf dem Hofe sich hielten und daselbst ihrer Handarbeit oblagen. Sie selbst hatte auch eine Vorliebe dafür, dort zu sitzen und mit den anderen Frauen zu plaudern und bisweilen kamen auch Männer herzu und nahmen Theil an der Heiterkeit und der Kurzweil, die dort herrschte. Eines Tages saß Halgjerde dort mit ihrer Tochter Thorgjerde und vielen andern Frauen und Sigmund und Thraen waren zugegen. Da traten einige Bettelweiber herein. Halgjerde hieß sie willkommen, ließ ihnen Platz machen und fragte sie nach Neuigkeiten; jene aber wußten keine. »Wo seid Ihr denn über Nacht gewesen?« fragte sie. »Auf Bergthorshvol,« entgegneten jene. »Was hatte Nial denn vor?« fragte sie weiter. »Alles, was er that, bestand darin, daß er still[71] auf einem Fleck saß,« meinten jene. »Nun, und seine Söhne,« fuhr Halgjerde fort, »was fingen die an?« Die Weiber sprachen: »Lang genug sind sie, wozu sie aber tüchtig sind, das hat man bis jetzt noch nicht erfahren. Uebrigens stand Skarphedin da und schliff eine Axt, Grim schäftete einen Speer, Helge setzte einen Griff auf ein Schwert, Höskuld aber befestigte eine Handhabe an einen Schild.« »Dann bereiten sie wohl eine große That vor?« sagte Halgjerde. »Wir wissen es nicht,« erwiderten die Weiber. »Aber die Dienstleute,« forschte Halgjerde weiter, »was schafften die?« »Was die übrigen zu thun hatten,« antworteten die Weiber, »das wissen wir nicht; es war aber einer da, welcher Dünger auf das Feld fuhr.« »Wozu sollte das gut sein?« versetzte Halgjerde. Die Weiber erwiderten: »Er sagte, das Gras werde dadurch besser wachsen.« »Dann ist Nial doch einfältig,« spottete Halgjerde, »er, der sonst für alles guten Rath hat.« »Was willst Du damit sagen?« fragten die Weiber. »Ich meine,« fuhr Halgjerde fort, »wenn der Dünger solche Kraft in sich trägt, dann ist Nial dumm, weil er nicht Dünger auf seinen eigenen Bart hat fahren lassen, damit derselbe wachse wie bei anderen Männern; drum wollen wir ihn in Zukunft den bartlosen Knicker heißen; und seine Söhne, ja, die haben Bart genug, die sind wohl so klug gewesen zu thun, was er versäumt hat; sie mögen daher die Mistbärte heißen. Sing' uns ein Lied davon, Sigmund, damit wir uns freuen an Deiner Skjaldkunst.« Sigmund sang sogleich ein Lied, in welchem er Nial und dessen Söhne mit den Spottnamen belegte, die Halgjerde ihnen gegeben hatte und noch viel andres zu ihrem Hohne sagte. »Du bist ein wahres Kleinod, so willfährig wie Du gegen mich bist,« rief Halgjerde, als er geendet hatte, und es herrschte viel Lustigkeit und Lachen in dem Frauengemach. Da trat Gunnar herein; er hatte vor der Thüre gestanden und alles vernommen. Augenblicks verstummte das Gelächter. Gunnar war furchtbar zornig. »Ein Narr bist Du,« fuhr er Sigmund an, »diese Spottlieder werden Dir den Tod bringen. Ueber jeden aber,« wandte er sich an alle, »der diese Lieder wiederholt oder nur ein Wort davon fallen läßt, was hier[72] gesagt ist, wird mein Zorn kommen und ich werde ihn vom Hofe jagen.« Darauf ging er hinaus; es fürchteten ihn aber alle so sehr, daß niemand die Worte zu wiederholen wagte. Nur die Bettelweiber überlegten sich, daß Bergthora ihnen guten Lohn geben werde, wenn sie ihr erzählten, was geschehen sei. Sie eilten sogleich zu ihr und sagten ihr alles, ohne daß sie sie gefragt hatte. Als nun später die Männer auf Bergthorshvol sich zu Tische setzten, sprach Bergthora: »Jetzt hat man Euch Geschenke und Gaben gegeben, dem Vater und den Söhnen zugleich, und zahlt Ihr es nicht heim, so steht es nur schlecht um Eure Mannheit.« »Welche Gaben hat man uns gegeben?« fragte Skarphedin. Bergthora entgegnete: »Ihr Söhne empfinget eine, die Ihr Euch redlich theilen möget: Euch nannte man die Mistbärte; Euren Vater aber hieß man den bartlosen Knicker.« »Nicht sind wir Weiber, daß wir um alles und jedes zürnen,« versetzte Skarphedin. »Und doch ergrimmte um Euretwillen Gunnar,« antwortete Bergthora, »den niemand ein Weib nennt. Rächt Ihr aber nicht diesen Hohn, dann werdet Ihr niemals irgend welchen Schimpf rächen, den man Euch anthut.« »Jetzt ist unser Mütterchen im Eifer,« rief Skarphedin kichernd; aber der Schweiß drang ihm auf der Stirn hervor und auf seinen Wangen erschienen rothe Flecken. Grim schwieg und biß sich auf die Lippen, an Helge war nichts zu merken, Höskuld aber ging mit Bergthora vor die Thür und als sie zurückkam, erzitterte sie vor Zorn. »Nicht bleibt zurück, wer da fährt mit Bedacht, Hausfrau,« sprach Nial zu ihr; »gar süß mag die Rache sein, doch ist sie geübt, dann schmeckt man an ihr das Bittere.« Abends, als Nial sich zur Ruhe begeben hatte, hörte er eine Axt erklingen an der äußeren Breterwand des Hauses, dazu sah er, daß die Schilde nicht an ihrem gewöhnlichen Orte über einem anderen Bette hingen. »Wer hat unsere Schilde genommen?« fragte er Bergthora. »Deine Söhne trugen sie hinaus!« versetzte sie. Da stand Nial auf, zog seine Schuhe an und ging hinaus nach der Rückseite des Hauses. Da sah er sie alle die Höhe hinanklettern, an welcher der Hof lag. »Wohin, Skarphedin?« rief er. »Deine[73] Schafe wollen wir suchen,« rief Skarphedin. »Dann hättet Ihr Eure Waffen nicht mitgenommen,« erwiderte Nial. Da sang Skarphedin ein Lied und sprach: »Lachs wollen wir fangen, mein Vater!« »Möget Ihr den Fisch ins Garn bekommen,« sprach Nial und ging hinein. »Deine Söhne waren draußen, alle in vollem Waffenkleid,« sagte er zu Bergthora. Sie antwortete: »Großen Dank will ich ihnen schulden, wenn sie mir die Kunde bringen von Sigmund's Tod.« Die Nialsöhne aber stiegen hinauf zum Berghang am Flusse und als der Morgen graute, waren sie bei Hlidarende. Sigmund und Skjold waren gerade draußen, um nach einigen Pferden zu suchen; Skarphedin erblickte sie und zeigte sie seinen Brüdern. »Du aber, Höskuld,« sprach er, »Du magst Dich vom Kampfe fern halten, denn oft wirst Du allein ausgesandt zu Verrichtungen. Ich gedenke Sigmund auf mich zu nehmen, Grim und Helge mögen es mit Skjold versuchen.« Da setzte Höskuld sich nieder, die anderen aber gingen weiter, bis sie Sigmund und Skjold trafen. »Nimm Deine Waffen und wehre Dein Leben,« rief Skarphedin Sigmund entgegen, »das ist besser als Spottlieder über uns Brüder zu singen.« Darauf wartete er ruhig, bis Sigmund seine Waffen geholt hatte. Dieser trug denn einen Panzer um die Brust, einen Helm auf dem Haupte und einen Schild am Arm, an der Seite das Schwert und in der Hand den Speer. Er stürmte sogleich gegen Skarphedin, stieß nach ihm mit dem Speer und traf seinen Schild. Skarphedin aber zersplitterte den Speerschaft und schwang dann seine Axt, Rimegyge nannte er sie, hieb nach Sigmund, traf dessen Schild und spaltete ihn. Da zog Sigmund sein Schwert und schlug nach Skarphedin, jedoch das Schwert blieb in dessen Schild haften und Skarphedin drehte den Schild so kräftig, daß Sigmund das Schwert fahren ließ. Da hieb Skarphedin zum zweiten Mal mit der Axt nach Sigmund und zerschmetterte ihm das Schulterblatt. Sigmund sank in die Knie, doch sprang er sogleich wieder empor, allein Skarphedin schlug ihm auf den Helm und versetzte ihm dann den Todesstreich. Unterdessen hatten Grim und Helge gegen Skjold gekämpft. Grim trennte ihm den Fuß ab am Knöchelgelenk,[74] Helge aber durchstieß ihn mit dem Speer, so daß er sogleich todt umsank. Skarphedin hieb Sigmund den Kopf ab und als er bald nachher Halgjerde's Schafhirten fand, gab er ihm den Kopf und trug ihm auf, er möge ihn Halgjerde bringen und sie bitten, zuzusehen, ob es nicht derselbe Kopf sei, der neulich Spottlieder über Nial und dessen Söhne gesungen habe. Darauf entfernte er sich mit seinen Brüdern. Am Markarfluß traf er einige Männer. Diesen bekannte er, daß er Sigmund, Grim und Helge aber Skjold erlegt habe. Sodann kehrten sie alle heim und brachten Nial die Kunde. »Glück und Heil ob dem Werk Eurer Hände,« sprach dieser und setzte hinzu, daß, so wie die Sachen jetzt lägen, der Buße fordernde Theil nicht das Urtheil sprechen solle.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 71-75.
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