Thord Lösingsohns Tod.

[67] Gunnar's Mutter Ranvejg hatte einen Schwestersohn namens Sigmund Lambesohn. Derselbe war ein großer und kräftiger Mann, von angenehmen Sitten, ein guter Skjald und in den meisten Uebungen wohl erfahren; dabei war er aber auch hochmüthig, spottsüchtig und trotzigen Sinns. Er besaß ein Schiff, auf welchem er Handelsreisen machte und er fuhr mit demselben nach Island in dem Sommer, in welchem Brynjolf Roste getödtet worden war. Er wurde begleitet von einem Schweden namens Skjold, einem Manne, dem man am besten aus dem Wege ging. Sie landeten im Hornefjord an der Südostküste der Insel, wo sie sich Pferde verschafften und nach Hlidarende ritten. Um der Vetterschaft willen empfing Gunnar sie freundlich und lud Sigmund ein, bei ihm den Winter über seinen Aufenthalt zu nehmen. Sigmund erwiderte, er nehme die Einladung an, falls sein Genosse Skjold ebenfalls willkommen sei. »Soviel ich weiß, trägt er nicht dazu bei, Dir bessere Sinnesart einzuflößen, obgleich Du dessen gar wohl bedarfst,« meinte Gunnar, indessen gestattete er Skjold den Aufenthalt in seinem Hause. Jedoch erklärte er ihnen beiden, es sei eine Schwierigkeit mit ihrem Bleiben verbunden. »Mein Weib Halgjerde,« sagte er, »unternimmt gar vieles, was meinem Willen zuwider ist und ihr dürft nicht sogleich zuschlagen, wenn sie Euch anstachelt.« »Nicht führt den Schlag, wer Worte macht,« antwortete Sigmund. »Drum suchet stets Rath bei mir,« sprach Gunnar, »und thuet, was ich Euch heiße.«[67] Seitdem hielten sich Sigmund und Skjold in Gunnar's Nähe. Halgjerde aber begann bald Sigmund große Freundlichkeit zu erweisen und das ging schließlich so weit, daß sie ihm Geld zusteckte und ihm mit gleichem Eifer diente, wie ihrem Eheherrn, so daß die Leute viel darüber redeten und sich verwundert fragten, was dem wohl zu Grunde liege. Eines Tages sagte sie zu Gunnar: »Nicht beruhigen kann ich mich mit den drei Mark Silber, die Du für meinen Vetter Brynjolf empfangen hast, darum will ich zusehen, ob ich ihn nicht rächen kann.« Gunnar erwiderte, er wolle mit ihr keine Worte wechseln, und ging fort. Er sandte aber sofort seinen Bruder Kulskjäg zu Nial und ließ ihm ansagen, Thord möge sich hüten, der Friede sei faul und unzuverlässig. Darnach beredete sich Halgjerde mit ihrem Tochtermann Thraen Sigfussohn und wollte ihn verleiten, Thord Lösingsohn zu erschlagen, doch wollte er nicht darauf eingehen. »Mein Vetter Gunnar würde mir schwer zürnen,« versetzte er; »auch bringt solche That viel Gefahr mit sich, denn sie würde sogleich gerächt.« »Wer sollte es rächen,« spottete sie, »doch wohl nicht der bartlose Knicker?« »Nicht er, aber seine Söhne,« antwortete Thraen. Sie redeten nun lange mit einander, ohne daß jemand erfuhr, welche Pläne sie schmiedeten. Einst traf es sich, daß Gunnar nicht zu Hause war, aber Sigmund war auf Hlidarende und Skjold, sein Gefährte und auch Thraen war von Grytaa herübergekommen. Es saßen die drei vor dem Hause und unterhielten sich mit Halgjerde. »Ihr versprachet mir, Thord zu erschlagen, Ihr beiden Genossen, Skjold und Sigmund,« sprach sie, »und auch Du, Thraen, versprachst, dabei zu sein.« Das bejahten die drei. »Jetzt höret meinen Rath,« fuhr sie fort, »Ihr müßt ostwärts nach dem Hornefjord reiten, um Euer Gut zu holen, und müßt erst heimkommen, wenn das Ting begonnen hat, denn sonst wird Gunnar Euch zum Ting mitführen. Nial und seine Söhne reiten gleichfalls zum Ting. Wenn Ihr dann zurückkommt und alle diese Männer fern sind, dann müßt Ihr Thord tödten.« Sie versprachen nun alle, den Anschlag zu fördern und ritten sogleich ostwärts nach dem Hornefjord. Gunnar ahnte nichts Böses und[68] begab sich zum Ting. Nial hatte auch Thord dahin mit sich nehmen wollen, allein er hatte ihn mit einem Auftrag fortgeschickt und er kehrte nicht rechtzeitig genug wieder, denn ein Fluß, den er unterwegs durchwaten mußte, war über seine Ufer getreten. So mußte denn Nial ohne ihn zum Ting reiten, doch hieß er Bergthora, ihn nachzusenden, sobald er zurückgekehrt sei. Nach zwei Nächten kam er. Bergthora trug ihm auf, sich zum Ting zu begeben. »Zuerst aber magst Du nach Thorolfsfjeld hinaufreiten,« fügte sie hinzu, »um dort nach der Wirthschaft zu sehen; allein Du darfst nicht länger als höchstens zwei Nächte Dich dort aufhalten.« Von diesen Begebenheiten erhielt Halgjerde Nachricht, und als nun Sigmund, Skjold und Thraen vom Hornefjord zurückkamen, sagte sie ihnen an, wie die Dinge ständen und hieß sie eilen. Sie ritten daher sogleich von Hlidarende aus nach Thorolfsfjeld zu. Unterwegs äußerte Sigmund, Thraen möge sich der Theilnahme am Ueberfall enthalten; sie bedürften seiner nicht, und Thraen that nach seinen Worten. Kurz darauf kam Thord ihnen entgegen. »Du mußt sterben, Thord,« rief Sigmund ihm zu, »ergieb Dich sogleich.« »Mit nichten,« erwiderte Thord, »jedoch stellt Euch mir einzeln zum Kampf.« »Nein,« sprach Sigmund, »wir möchten doch gern aus unsrer Uebermacht Vortheil ziehen. Du mußt ja stark sein, da Dein Pflegesohn Skarphedin so stark ist, und doch soll nach dem alten Wort nur ein Viertheil der Stärke des Pflegevaters auf den Pflegesohn übergehen.« »Du wirst es schon empfinden,« antwortete Thord, »wie stark Skarphedin ist, denn er wird mich rächen.« Darauf drangen sie auf ihn ein. Er zerbrach jedem einen Speer, so trefflich wehrte er sich. Da hieb ihm Skjold die eine Hand ab, doch Thord kämpfte eine Weile mit der anderen. Endlich durchstach ihn Sigmund mit einem Speer, er sank leblos zur Erde und sie bedeckten die Leiche mit Rasen und Steinen. »Ein böses Werk haben wir vollbracht,« sagte Thraen, »Nial's Söhne werden es bitter empfinden, wenn sie die Kunde empfangen.« Halgjerde wurde froh, als sie ihr die Nachricht brachten, Ranvejg aber sprach zu Sigmund: »Nur kurze Weile freut die Hand sich des[69] Kampfes; indessen wird Gunnar Dich wohl aus dieser Sache lösen; aber gelingt es Halgjerde, Dich noch einmal auf's Glatte zu führen, dann wird es Dein Tod sein.« Halgjerde ließ sowohl auf Bergthorshvol, wie auch Gunnar auf dem Tinge die Blutthat ansagen. Als Bergthora die Botschaft empfing, versetzte sie, sie wolle darum keine argen Worte gegen Halgjerde brauchen; »es bedarf andrer Waffen, um eine solche That zu rächen,« fügte sie hinzu. Gunnar aber rief aus, es sei die schlimmste Kunde, die man ihm bringen könne, und eilte sofort zu Nial. Niemand außer Kulskjäg war bei ihrer Unterredung zugegen. »Harte Zeitung bringe ich Dir,« sagte Gunnar, »Thord Lösingsohn ist erschlagen, drum will ich Dir das Urtheil überlassen.« Nial schwieg eine Weile, dann erwiderte er, er wolle Gunnar's Anerbieten annehmen, obgleich er darob harte Worte hören werde von seiner Frau und seinen Söhnen. »Aber,« setzte er hinzu, »von meiner Seite soll der Bund unsrer Freundschaft nicht gebrochen werden.« Er gestattete auch nicht, daß seine Söhne bei dem Vergleich zugegen seien. »Sie geben ihre Einwilligung nicht dazu,« sprach er, »doch werden sie den Vergleich, den ich geschlossen habe, auch nicht brechen.« Darauf reichten Nial und Gunnar einander die Hand zum Zeichen, daß sie sich verglichen hätten. »Ich schätze die Buße auf sechs Mark Silber,« versetzte Nial, »das scheint Dir viel zu sein?« »Nicht zu viel,« antwortete Gunnar, zahlte das Geld und begab sich nach seiner Hütte. Bald darauf kamen Nial's Söhne nach Hause. »Es muß ihnen ein wichtiges Ding gewesen sein, die That zu vollführen,« sagte Skarphedin, als er alles erfuhr; »sonst hätten ihrer nicht so viele den einen überfallen. Doch wann ist die Sache weit genug gediehen, daß es uns zukommt, die Hand zu erheben?« »Lange wird es nicht dauern,« entgegnete Nial, »doch ist es mir sehr darum zu thun, daß dieser Vergleich nicht gebrochen wird.« »Dann soll er auch nicht gebrochen werden,« antwortete Skarphedin, »allein bei der nächsten Mißhelligkeit wollen wir der alten Feindschaft gedenken.« »Dagegen werde ich nichts einwenden,« sagte Nial. Als aber Gunnar vom Tinge[70] heimkam, stellte er Sigmund zur Rede und sagte: »Nicht erwartete ich, daß Du meinem Hause etwas Gutes bringen würdest; daß es aber so arg werden würde, habe ich nicht geahnt. Treffliche Anlagen hast Du, doch brauchst Du sie übel. Deine Sinnesart stimmt nicht mit der meinigen, denn Du bist schnell bei der Hand mit Hohn und Spott; darum Dein gutes Einvernehmen mit Halgjerde; Ihr gleicht einander. Jetzt habe ich Dich mit Nial und seinen Söhnen verglichen. Laß' Dich nun nicht zum zweiten Mal verleiten.« In dieser Weise ermahnte er ihn eine Weile. Sigmund antwortete niedergeschlagen und gelobte, er werde in Zukunft sich nach Gunnar richten. »Ja, das thue,« versetzte dieser, »Dir selbst wird es am meisten frommen.« Die Zeit verging; zwischen Gunnar und Nial bestand die Freundschaft unerschüttert; zwischen ihren Häusern aber wurde sie kühler und kühler.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 67-71.
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