Der Kampf an der Rangau.

[89] Eines Tages stand Gunnar vor seinem Hause auf Hlidarende. Da sah er seinen Schafhirten auf den Hof zusprengen. Derselbe ritt hinein auf den umzäumten Platz, der das Haus umgab und sagte zu Gunnar: »Acht Männer sah ich den Markarfluß entlang reiten und ihrer vier trugen farbige Kleider; da gedachte ich meiner Treue gegen Dich, darum sage ich Dir es jetzt an.« »Das wird Otkel sein,« versetzte Gunnar; der Hirte erzählte ihm die schmählichen Worte, die Skamkel auf Dal über ihn gebraucht habe und fügte hinzu: »Uebel scheint es mir, daß arge Männer solche Reden führen dürfen.« »Ein Wort wollen wir uns nicht allzunahe gehen lassen,« entgegnete Gunnar, »von jetzt an aber[89] sei es Dir gestattet, nur die Arbeit zu thun, die Du selbst thun willst.« »Soll ich es nicht Kulskjäg ansagen?« fragte der Hirte. »Das werde ich selbst thun,« antwortete Gunnar und hieß ihn sich schlafen legen. Darauf nahm er das Pferd des Hirten und legte ihm seinen Sattel auf; er holte seinen Schild hervor, umgürtete sich mit dem Schwert, welches er von Ölve auf Hisingen empfangen hatte, bedeckte sein Haupt mit dem Helm und ergriff die Hellebarde. Laut klang die Hellebarde, so daß seine Mutter Ranvejg es vernahm; sie kam herbei und sprach: »Zornig bist Du jetzt, mein Sohn, wie ich Dich nie vordem sah.« Gunnar ging hinaus, stemmte die Hellebarde gegen den Erdboden, warf sich in den Sattel und ritt fort. Seine Mutter Ranvejg aber trat in das Wohngemach, wo lautes Gespräch herrschte. »Laut redet Ihr zwar,« sprach sie, »noch lauter aber erklang die Hellebarde, als Gunnar hinausging.« »Das bedeutet eine große That,« sagte Kulskjäg. »So ist es recht,« sprach Halgjerde, »jetzt werden sie erfahren, ob er weint, wenn er von ihnen scheidet.« Kulskjäg holte gleichfalls seine Waffen, suchte sich ein Pferd aus und folgte Gunnar so eilig er vermochte. Dieser war westwärts geritten und kam zur Furt über die Ostrangau bei Mörd Valgardsohn's Hof. Dort sprang er vom Pferde und band es an. Gleich darnach kamen Otkel und seine Begleiter dahin. »Wehrt Euch,« rief er ihnen entgegen, »hier ist die Hellebarde und ich will Euch zeigen, ob ich vor Euch weine.« Da sprangen alle von den Pferden und drangen auf Gunnar ein, Halbjörn voran. »Dir möchte ich am wenigsten etwas Böses zufügen,« sprach Gunnar zu ihm. »Ich kann nicht ruhig zusehen, wenn Du meinen Bruder tödten willst,« antwortete Halbjörn und stieß mit beiden Händen mit einem großen Speer nach Gunnar. Dieser deckte sich mit dem Schild und der Speer durchbohrte denselben; Gunnar aber stieß den Schild so kräftig auf den Erdboden, daß er stehen blieb und zugleich schwang er sein Schwert so schnell, daß niemand dessen Bewegungen zu folgen vermochte und hieb Halbjörn die Hand ab. Skamkel kam von hinten gegen Gunnar und hieb nach ihm mit einer großen Axt. Gunnar aber drehte sich blitzschnell[90] um, schlug mit der Hellebarde Skamkel die Axt aus der Hand, so daß sie in die Au hinaus flog und wieder erhob er die Hellebarde, durchstieß Skamkel, schwang ihn empor und schleuderte ihn kopfüber in den Morast an der Seite des Weges. Ein Normann oder – wie die Isländer zu sagen pflegten – ein Ostmann namens Ödulf, der in Otkel's Gefolge war, warf seinen Speer nach Gunnar, dieser aber ergriff denselben im Fluge und sandte ihn sogleich zurück, so daß er Ödulf's Schild und diesen selbst durchbohrte und noch tief in die Erde eindrang. Nun wollte Otkel selbst mit seinem Schwert einen Streich gegen Gunnar führen und zielte nach dessen Bein unterhalb des Knies, Gunnar aber sprang so hoch empor, daß der Hieb fehl ging; darnach stach er mit der Hellebarde nach Otkel und durchbohrte ihn. In diesem Augenblick kam Kulskjäg herbei und streckte sogleich Otkel's Bruder Halkel nieder und endlich tödteten sie auch die drei Männer, die noch übrig waren. Mörd hatte unterdessen vernommen, was sich vor seinem Hofe zutrage, denn eine von den Mägden hatte ihm es gesagt und ihn gebeten, die Kämpfenden zu trennen. »Meinetwegen mögen sie sich gern gegenseitig niedermetzeln,« war seine Antwort. »Das kann nicht Dein Ernst sein,« erwiderte sie, »denn es ist Dein Vetter Gunnar und Dein Freund Otkel.« »Du schwatzest einmal wieder, Du Närrin,« schalt er und blieb ruhig drinnen. Nach gethanem Werk ritten Gunnar und Kulskjäg heim. »Es mag sein, daß ich weniger schnell zu blutiger That bin als andre Männer,« sagte Gunnar, »für weniger tapfer, glaube ich, wird man mich darum nicht halten.« Kurze Zeit darnach ritt er nach Bergthorshvol. »Eine große That hast Du vollbracht,« sagte Nial zu ihm, »aber Du warst auch schwer gereizt. Die Sache,« fuhr er fort, »wird vor das Ting kommen, aber Du wirst die größte Ehre davon tragen. Dies wird indessen die Ursache zu weiteren Blutthaten sein, die Du zu vollbringen genöthigt sein wirst. Tödte aber nie mehr als einen Mann aus demselben Geschlecht; brich auch niemals einen Vergleich, den gute Männer mit Dir schließen, und am allerwenigsten, wenn jenes Dir geschieht, wovor ich Dich zuerst warnte.« »Solches,[91] glaubte ich, werde bei anderen eher eintreten als bei mir,« antwortete Gunnar. »Es mag sein,« versetzte Nial, »das aber halte fest; trifft es sich so, wie ich soeben gesagt habe, dann hast Du bald am längsten gelebt; sonst wirst Du ein hohes Alter erreichen.« Der Tingstreit verlief übrigens, wie Nial verkündet hatte. Diejenigen, welche die nächsten daran waren, wegen Otkel's Tod die gerichtliche Klage zu erheben, waren Gissur Hvide und Gejr Gode; aber beiden fehlte der Muth zur Uebernahme der Sache. Sie ließen daher das Loos unter sich entscheiden, wer die Klage anhängig machen solle und es entschied für Gejr. Dieser traf nun alle Vorbereitungen, die das Gesetz gebot; über alle Gauen verbreitete sich die Kunde davon und man erwartete, es werde große Aufregung auf diesem Ting geben. Aber alle Bauern in dem Flußthale des Markarflusses und in Rangauvalle vereinigten sich dahin, daß sie Gunnar folgen wollten, denn er war sehr beliebt. Der Ting war deshalb stark besucht; Gejr erhob die Klage und die Sache wurde auf beiden Seiten mit Eifer betrieben. Da trat Nial dazwischen. Er sagte, daß Gunnar dem nicht entgehen könne, für einige der Erschlagenen zu büßen; er erinnerte aber auch Gejr daran, daß er selbst eine Sache gegen ihn habe, die wohl aufgeschoben, aber nicht aufgehoben sei und er könne durch das Gericht die Acht über ihn verhängen lassen und ihn zum Waldgänger, wie man es nannte, machen. Andere riethen nun Gejr zum Vergleich, Gissur selbst redete diesem das Wort und so wurde denn das Ende der ganzen Verhandlung, daß man sich dahin einigte, es sollten sechs Männer den Schiedsspruch thun. Diese entschieden, daß Gunnar für Skamkel keine Buße zahlen sollte, Otkel's Tödtung und der Spornhieb sollten einander aufwiegen, für die übrigen Erschlagenen aber wurden die entsprechenden Bußen festgesetzt. Gunnar empfing Geld von seinen[92] Freunden, so daß er alle Bußen sogleich auf dem Ting erlegte und zuletzt kamen Gissur und Gejr zu ihm und sagten ihm Frieden und Sicherheit zu. Darnach ritt Gunnar heim; er dankte seinen Mannen für ihre Hülfe und theilte Gaben aus an viele, so daß er die größte Ehre dadurch gewann und seitdem in noch höherem Ansehen auf seinem Hofe saß.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 89-93.
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