Vergleich zwischen Gunnar und Otkel.

[85] Als der Zeitraum beinahe verflossen war, innerhalb dessen man nach gesetzlicher Bestimmung zum Rechtsstreit und Urtheil auf dem Alting laden mußte, bat Otkel seine Brüder und Skamkel, mit ihm nach Hlidarende zu reiten. Halbjörn meinte, es werde nicht lange dauern, daß diese Fahrt sie gereuen werde, indessen versprach er doch mitzuziehen. So ritten sie denn davon, eine Schaar von zwölf Mann. Gunnar befand sich draußen, als sie kamen, doch ward er sie nicht eher gewahr, als bis Otkel ihm die Ladungsworte mit lauter Stimme entgegenrief. Da wandte er sich zu Skamkel und sprach: »Die Stunde wird kommen, wo ich Dich an diese Fahrt und Deine Rathschläge erinnern werde.« »Kaum wird uns das schaden, so lange Deine Hellebarde nur nicht erhoben ist,« erwiderte Skamkel. Gunnar aber war sehr zornig und trat in sein Haus ein. Bald nachher ritt er nach Bergthorshvol und sagte Nial an, was geschehen sei. »Das mag Dich nicht kümmern,« sagte Nial; »vor Schluß des Tinges wirst Du es sein, der die größte Ehre davon trägt; alle wollen wir Dir folgen und mit Rath und That Dir Beistand leisten.« Als der Alting herankam, hatte Gunnar, wo er ging und stand, stets im Gefolge seinen Bruder Kulskjäg, Thraen und dessen Brüder, die alle gewaltige Streiter waren, und endlich Nial und dessen Söhne, so daß jedermann sagte, nie habe man je eine so kriegerische Schaar beisammen gesehen. Nach Nial's Rath ging Gunnar zu Höskuld Dalekolsohn und dessen Halbbruder[85] Rut und bat sie um Rath. »Sofern die andern Männer Dir nicht überlassen, daß Du selbst den Urtheilsspruch sagest,« versetzte Rut, »so magst Du Gissur Hvide und Kulskjäg Gejr Gode zum Holmgang fordern; dann werden sich schon Männer finden, die gegen Otkel und die Seinigen gehen; wir haben jetzt so viel Mannschaft beisammen, daß Du durchsetzen kannst, was Du willst.« Was aber so zwischen Rut und Gunnar beredet worden war, kam Gissur zu Ohren. Dieser begab sich sofort zu Otkel und fragte ihn, wer ihm gerathen habe, Gunnar vor Gericht zu laden. »Skamkel behauptete, es sei Dein Rath,« erwiderte Otkel. »Wo ist der Elende?« rief Gissur. »Er liegt krank in der Hütte darnieder!« versetzte Otkel. »Möge er nie wieder aufstehen!« rief Gissur. Auf sein Gebot gingen nun sogleich alle nach Gunnar's Hütte. Man verkündete Gunnar, daß sie herankämen und er eilte darauf sogleich vor die Thür mit allen seinen Mannen und ordnete sie wie zum Kampf. Gissur Hvide trat vor und sagte, sie wollten ihm anbieten, daß er selbst urtheile. »So war es nicht Dein Rath, daß man mich vor Gericht lade?« fragte Gunnar. Gissur antwortete: »Weder ich noch Gejr haben solchen Rath gegeben.« Gunnar verlangte nun, er sollte sich mit einem Eide reinigen und Gissur war auch willig dazu, falls Gunnar das Urtheil übernehmen wolle. Dazu war Gunnar indessen gar nicht geneigt, doch gab er nach auf Nial's Ermahnung. Höskuld und Rut wurden herbeigeholt und als sie erschienen, schwuren Gissur und Gejr den Reinigungseid. Darauf sprach Gunnar selbst das Urtheil, ohne jemand als Berather herbeizuziehen. Er sagte, es komme ihm zu, den Werth des Speichers und der Lebensmittel, die in demselben gewesen waren, zu bezahlen. »Daneben aber meine ich,« fuhr er fort, »es war nur zum Hohn, daß Ihr mich ludet; für diesen Hohn müßt Ihr Buße zahlen und diese soll bestehen in dem vollen Werth des Speichers und dessen, was mit demselben verbrannte. So habe ich denn das Urtheil gesprochen,« schloß er, »dünkt es Euch aber, es sei besser, daß wir keinen Vergleich schließen, sondern die Sache ihren gesetzlichen Gang gehen lassen, dann habe auch ich in[86] solchem Fall festgesetzt, was ich thun will.« »Nein,« erwiderte Gissur, »wir sind zufrieden damit, daß Du dem Otkel keine Buße zahlst, doch möchten wir Dich bitten, Du wollest in Zukunft sein Freund sein.« »Niemals, so lange ich lebe,« rief Gunnar aus, »Skamkel möge sein Freund sein, der ja schon längst seine rechte Hand gewesen ist.« »So wollen wir denn Dir ganz nachgeben und doch die Sache abschließen,« versetzte Gissur, und darauf reichten sie sich die Hand auf diesen Vergleich hin. Schließlich sagte Gunnar noch zu Otkel, es sei für ihn räthlich, wenn er zu seiner Sippe ziehe. »Willst Du aber neben mir in dem Gau bleiben,« fügte er hinzu, »dann lasse mich fürder in Ruhe.« Gissur erklärte, das sei ein wohlgemeinter Rath, dem Otkel folgen möge. So endete denn die Sache zur größten Ehre für Gunnar, und so saß er denn nachher eine Zeit lang ruhig auf seinem Hofe.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 85-87.
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