Ingjald von Kelde.

[178] »Was ist nun Euer Wunsch hinsichtlich Ingjald's?« fragte Flose die Sigfussöhne; »sollen wir ihm verzeihen oder sollen wir gegen ihn ziehen und ihn tödten?« Jene wollten alle gegen ihn ziehen und ihn tödten. Da sprang Flose auf sein Pferd, die anderen thaten das Gleiche, und so ritten sie fort. Flose ritt voran, lenkte sein Pferd zur Rangau und verfolgte ihren Lauf aufwärts. Bald sah er einen Mann auf der anderen Seite der Au abwärts reiten und erkannte ihn als Ingjald. Er rief ihn an und Ingjald hielt an. »Du hast Dein Wort gebrochen,« rief Flose, »und Leben und Gut verspielt. Die Sigfussöhne wollen Dich darum tödten. Mir aber scheint, Du bist in einer schlimmen Lage gewesen und ich will Dir Dein Leben schenken, sofern Du mir es überlässest, Deine Strafe zu bestimmen.« »Ehe ich das thue, will ich hinreiten, um mich Kaare anzuschließen,« entgegnete Ingjald; »den Sigfussöhnen aber will ich antworten, daß ich sie nicht mehr fürchte, als sie mich.« »So halte stille, wenn Du Dich nicht fürchtest,« rief Flose. »Das will ich thun,« erwiderte Ingjald. Flose ließ sich von seinem Brudersohn Thorsten Kulbensohn, der ihm zur Seite ritt, einen Speer reichen und schleuderte ihn über die Au. Derselbe traf Ingjald auf der linken Seite, drang durch seinen Schild in den Schenkel oberhalb der Kniescheibe und tief in den Sattel, wo er stecken blieb. »Traf ich Dich?« rief Flose. »Freilich trafst Du mich,« rief Ingjald zurück, »aber das nenne ich nur eine Ritze und keine Wunde.« Mit diesen Worten riß er den Speer aus der Wunde. »So halte[178] Du denn nun still, wenn Du Dich nicht fürchtest,« rief er Flose zu und sandte den Speer über die Au zurück. Flose erkannte, daß derselbe gerade gegen seine Brust heranflog und zog sein Pferd zurück. Der Speer sauste vorbei und traf Thorsten mitten in den Leib, so daß er todt vom Pferde sank. Ingjald aber sprengte fort in den Wald, so daß sie ihn nicht erreichen konnten. »Wir haben einen schweren Verlust erlitten,« sprach Flose zu seinen Mannen – denn Thorsten war einer der tapfersten Männer in seinem Gefolge und sehr beliebt gewesen – »und wir mögen daraus wohl erkennen, wie wenig Glück wir haben. Ich rathe jetzt, daß wir sogleich hinaufreiten auf den Berg Trehörninghals; unsre Feinde bieten schon Mannschaft gegen uns auf; dort aber werden sie uns am wenigsten suchen und wir können von dort aus jede Bewegung im ganzen Gau übersehen. Dort wollen wir drei Tage verweilen, bis wir ohne Gefahr fortreiten können. Für Euch Sigfussöhne aber ist es nicht rathsam, daß jemand von Euch auf seinem Hofe hier im Flußthal bleibt, denn dort würde man Euch bald heimsuchen. Darum lade ich Euch ein, mit mir nach Svinefjeld zu kommen.« Alle erklärten. Flose's Rath befolgen zu wollen und dankten ihm für sein Anerbieten. Darauf ritt die ganze Schaar zum Trehörning hinauf.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 178-179.
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