Der Zwist der Nialsöhne mit Thraen Sigfussohn.

[126] Thraen Sigfussohn hatte eine schnelle Fahrt gehabt von Norwegen nach Island. Sobald er an Land kam, ritt er heim nach seinem Hofe Grytaa. Seine ganze Sippe hielt ihn jetzt für ihren Anführer und Häuptling, so daß er ein angesehener Mann war. Er hatte immer fünfzehn waffenkundige Männer auf seinem Hofe, und wurde überall, wo er auftrat, von acht Männern begleitet. Er war sehr prachtliebend und trug gewöhnlich einen blauen Mantel, über den er das Schwert gegürtet hatte, einen goldenen Helm, einen prächtigen Schild und einen Speer, den er von dem Jarl Hakon empfangen hatte. Unter seinem Gefolge befanden sich meistens seine Brudersöhne Gunnar Lambesohn und Lambe Sigurdsohn und ebenfalls Gunnar von Hlidarende's Sohn Grane. Wer ihm aber immer am nächsten war, das war Hrap. Während des ersten Winters nach der Heimkehr war derselbe auf Grytaa geblieben, da Thraen viel auf ihn hielt; in dem folgenden Frühling hatte ihm Thraen eine Wohnung auf Hrapstad gegeben, indessen hielt er sich meistens auf Grytaa auf und es war, als wenn er dort alles verdürbe. Es herrschte auch große Freundschaft und Vertraulichkeit zwischen ihm und Halgjerde, und manche sagten, es sei mehr zwischen ihnen, als recht und schicklich sei. Zwei Winter nach Thraen's Heimkehr kamen nun auch die beiden Nialsöhne und Kaare nach Island; sie ritten sogleich nach Bergthorshvol, wo man sie mit großer Freude empfing. Kaare verblieb bei Nial den Winter über. Im folgenden Frühling warb er um Nial's Tochter Helga und Grim und Helge unterstützten seine Werbung, so daß die Hochzeit einen halben Monat vor Mittsommer stattfand. Er weilte noch einen Winter bei Nial mit seiner Frau; im folgenden Sommer aber kaufte er sich Land auf Dryhol im Mydal östlich von Bergthorshvol und baute ein[127] Haus daselbst; sie ließen aber die Wirthschaft durch einen Mann und eine Frau führen und lebten selbst meistentheils bei Nial. Eine andre Tochter Nial's war mit Thraen's Bruder Ketil verheiratet, welcher auf dem Hofe Mörk östlich vom Markarfluß wohnte. Als dieser einst auf Bergthorshvol war, erzählten ihm die Nialsöhne von den Gewalttätigkeiten, die ihnen um Thraen's willen in Norwegen widerfahren waren, und äußerten, sie könnten deshalb große Buße von Thraen fordern. Nial meinte, es sei am besten, wenn Ketil mit seinem Bruder darüber rede. Das that er dann auch; als sie ihn aber nachher fragten, wie jener es aufgenommen habe, sagte er, er wolle lieber verschweigen, was Thraen geantwortet habe. Die Nialsöhne glaubten nun vorauszusehen, daß die Sache recht schwierig werden würde, und fragten ihren Vater um Rath, denn sie meinten, sie könnten dieselbe nicht auf sich beruhen lassen. »Auf Eurer Seite ist das Recht,« sagte er, »und wird Thraen erschlagen, dann ist es ein bußfreier Tod. Hättet Ihr aber anfangs davon zu mir geredet, dann würde die Angelegenheit gar nicht zur Sprache gekommen sein, und ihr hättet doch keine Schande davon gehabt. Jetzt ist die Sache vor die Oeffentlichkeit gebracht und muß auch zu Ende geführt werden. Am besten ist es aber, mit Weile zu eilen, denn ist die That erst geschehen, dann kann sowohl beifällig als auch übel davon geredet werden; und selbst wenn man Euch nachsagt, Ihr seiet langsam zur That, dann mögt Ihr Euch eine Zeit lang darein finden; zum Schluß erhebt Ihr doch das Schwert; aber schwierig ist es, den Ausgang vorauszuschauen. Indes müssen wir zuerst dafür sorgen, daß die Gegner ihren Sinn deutlich kund thun, und darnach, daß wir soviel wie möglich Zeugen für ihre Worte finden. Zunächst möge nun Kaare mit Thraen darüber reden, er ist ein Mann, der bedachtsam vorgeht.« Kaare wollte ungern nach Grytaa reiten mit solchem Auftrag, doch that er es, weil Nial dazu rieth. Als er aber zurückkam, wollte er nicht Thraen's Worte wiederholen; »selbst möget Ihr sie anhören,« sagte er. Die Nialsöhne baten ihn daher, mit ihnen nach Grytaa zu ziehen und schließlich that er es. Es befand sich[128] ein Weib draußen, welches sie herankommen sah und es Thraen ansagte. Er hieß seinen Mannen ihre Waffen nehmen und mit ihm in die Vorhalle treten; dieselbe war so breit, daß viele Männer neben einander dort stehen konnten. Thraen selbst trat in die Mitte der Thür und zu seinen Seiten standen Hrap und Grane Gunnarsohn, die ihn stets am meisten gegen die Nialsöhne reizten. Neben ihnen standen Gunnar Lambesohn und Lambe Sigurdsohn und außerdem seine Mannen dicht geschaart; auch Halgjerde war dort und stand in leisem Gespräch mit Hrap. Jetzt kamen die Nialsöhne zum Hofe hinauf. Voran ging Skarphedin, nach ihm kam Kaare, dann Höskuld, dann Grim und Helge zuletzt. Niemand von denen, die in der Vorhalle standen, begrüßte sie. »Wir mögen Euch alle willkommen sein,« sprach Skarphedin. »Niemand heißt Euch willkommen,« antwortete Halgjerde. »Deine Worte gelten nichts,« rief Skarphedin ihr entgegen, »ein Auswurf bist Du unter den Weibern, wenn nicht etwas Schlimmeres.« »Diese Worte sollen Dir vergolten werden, ehe Du heimkehrst,« rief Halgjerde. Da sprach Helge: »Ich bin gekommen, Thraen, um mit Dir zu reden, ob Du uns Ersatz geben willst für die Gewalt, die wir in Norwegen um deinetwillen ertrugen.« »Ich wußte nicht, daß Ihr Brüder Euren Mannesmuth für Geld feil habt,« erwiderte Thraen. »Mancher Mann wird doch sagen, Du schuldest uns Erstattung,« fuhr Helge fort; »wir retteten Dein Leben, mußten aber selbst dafür leiden.« »Das war das Glück, welches waltete,« warf Hrap ein. »Dann war Thraen's Glück nicht groß,« entgegnete Helge, »da er dem Jarl Treue und Glauben brach und Dich dafür empfing.« »Meinst Du nicht, Du habest Erstattung bei mir zu fordern?« sagte Hrap weiter. »Es lohnt sich nicht, mit Hrap der Worte zu wechseln, dem wollen wir seinen Pelz blutig färben,« rief Skarphedin dazwischen. »O, schweige Du, Skarphedin,« entgegnete Hrap, »Dir spalte ich mit der Axt den Schädel.« »Ja, wenn Du nur nicht vorher mit Rimegyge Bekanntschaft machst,« versetzte Skarphedin. So fuhren sie eine Weile auf beiden Seiten fort, sich in harten Worten und Drohungen zu überbieten. Da rief Halgjerde: »Zieht Ihr nur[129] heim, Ihr Mistbärte, zu dem bartlosen Knicker, den Ihr dort habt.« Die Nialsöhne aber wichen nicht, bis auch die übrigen durch Wiederholung dieser Spottnamen sich verschuldet hatten, mit Ausnahme von Thraen, der sie zu wiederholen verbot. Dann erst kehrten sie nach Hause zurück und berichteten ihrem Vater alles. »Nahmt Ihr Zeugen für diese Worte?« fragte er. »Nein,« entgegnete Skarphedin, »denn wir wollen diese Sache nur auf dem Kampfplatze zum Ausgleich bringen.« »Niemand wird es Euch zutrauen, daß Ihr jetzt die Waffen zu erheben wagt,« meinte Bergthora. Da erwiderte Kaare: »Stehe Du nur davon ab, Hausfrau, Deine Söhne zu reizen; sie sind ohnehin heißblütig genug.« Darauf unterredete Nial sich lange mit seinen Söhnen und seinem Schwiegersohn Kaare mit leisen Worten.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 126-130.
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