III.

[135] Helgi.

Du bist, Hiörward, kein heilwaltender König,

Führer des Volksheers, wieviel man dich rühmt:

Läßest Feuer der Fürsten Vesten verzehren,

Die nie noch Böses verbrachen wider dich.


Aber Hrodmar wird der Ringe walten,

Die unsre Freunde zuvor besaßen.

Wenig fürchtet der Fürst um sein Leben:

Hofft er der Todten Erbe zu beherschen?[135]


Hiörward antwortete, er wolle dem Helgi Beistand nicht versagen, wenn er seinen Muttervater zu rächen gedächte. Da suchte Helgi das Schwert, das ihm Swawa angewiesen. Da fuhr er und Atli und fällten Hrodmar und vollbrachten manch Heldenwerk. Er schlug Hati den Riesen, als er auf einem Berge saß. Helgi und Atli lagen mit den Schiffen in Hatafiord. Atli hatte die Warte die erste Hälfte der Nacht. Da sprach Hrimgerd, Hatis Tochter:


Wie heißen die Helden in Hatafiord?

Mit Schilden ist gezeltet auf euern Schiffen.

Frevel gebart ihr, scheint wenig zu fürchten.

Nennet mir des Königs Namen.


Atli sprach:

Helgi heißt er; doch hoffe nimmer

Den Fürsten zu gefährden.

Eisenburgen bergen die Flotte:

Hexen haben uns nichts an.


Hrimgerd sprach:

Wie heißest du, übermüthiger Held?

Wie nennt man dich mit Namen?

Viel vertraut dir der Fürst, der dich vorn im schönen

Schiffssteven stehen läßt.


Atli.

Atli heiß ich, heiß will ich dir werden,

Denn unhold bin ich Unholden.

Am feuchten Steven stäts hab ich gestanden

Und Nachtmaren gemordet.


Wie heißest du, Hexe, leichenhungrige?

Nenne, Vettel, den Vater.

Daß du neun Rasten niedrer lägest

Und ein Baum dir schöß aus dem Schooße!


Hrimgerd.

Hrimgerd heiß ich, Hati war mein Vater,

Ich kannte nicht kühnern Joten.[136]

Aus den Häusern hat er viel Bräute geholt

Bis ihn Helgi tödlich traf.


Atli.

Du standest, Hexe, vor den Schiffen des Königs

Und stautest die Mündung des Stroms,

Des Fürsten Recken der Ran zu liefern;

Doch kam dir der Stag in die Quere.


Hrimgerd.

Thöricht bist du, Atli, du träumst, sag ich,

Wie du die Brauen wirfst über die Wimpern.

Meine Mutter stand vor des Königs Schiffen

Und ich ertränkte die Tapfern.


Wiehern wolltest du, Atli, wärst du nicht entmannt:

Hrimgerd schwingt den Schweif.

Hintenhin fiel dir, wähn ich, Atli, das Herz,

Wie laut du lachst und lärmest.


Atli.

Ein Hengst schein ich dir, wenn dus versuchen willst,

So ich steig an den Strand aus der Flut.

Ganz erlahmst du, wenn der Grimm mich faßt,

Und senkst den Schweif, Hrimgerd.


Hrimgerd.

Betritt nur das Land, vertraust du der Kraft,

Daß in Warins-Wik wir ringen.

Rippenverrenkung, Recke, begegnet dir,

Kommst du mir in die Krammen.


Atli.

Ich mag nicht von hier bis die Männer erwachen

Und halten Hut dem König:

Zu gewarten hab ich hier daß Hexen auftauchen

Unter unsern Schiffen.[137]


Wache, Helgi, und büße Hrimgerden,

Daß du Hati hast erschlagen.

Eine Nacht will sie bei dem Fürsten schlafen:

Das schafft ihr Schadens Buße.


Helgi.

Lodin labe dich, die Menschenleide,

Der Thurs, der in Tholley wohnt,

Der hundweise Riese, der Riffwohner ärgster:

Der mag dir zum Manne geziemen.


Hrimgerd.

Die möchtest du, Helgi, die das Meer besah

Nächten mit den Männern,

Die Maid auf dem Goldross, der Macht nicht gebrach:

Hier stieg sie zum Strand aus der Flut,

Eurer beider Flotte zu festigen.

Sie allein ist Schuld, daß ich unfähig bin,

Des Königs Mannen zu morden.


Helgi.

Höre, Hrimgerd, ob den Harm ich dir büße;

Doch erst gieb Kunde dem König:

War sie es allein, die die Schiffe mir barg,

Oder fuhren Viele beisammen?


Hrimgerd.

Dreimal neun Mädchen; doch ritt voraus

Unterm Helm die Eine licht.

Die Mähren schüttelten sich, aus den Mähnen troff

Thau in tiefe Thäler,

Hagel in hohe Bäume:

Das macht die Felder fruchtbar.

Unlieb war mir Alles was ich sah.


Atli.

Blick ostwärts, Hrimgerd, ob dich Helgi hat

Getroffen mit Todesstäben.

Auf Land und Flut geborgen ist des Edlings Flotte

Und des Königs Mannen zumal.[138]


Der Tag scheint, Hrimgerd: dich säumte hier

Atli zum Untergange.

Ein lächerlich Wahrzeichen wirst du dem Hafen

Wie du da stehst ein Steinbild.

Quelle:
Die Edda. Stuttgart 1878, S. 135-139.
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