CXVIII.

[133] 1. Es ist auff erden kein schwerer leiden,

wenn sich zwey hertzlieb müssen scheiden,

Ja bitter todt, mit deiner not,

und gantzem rath,

dir kan ich nichts vergleichen.


2. Es ligt am Rhein eine werde stadt,

Cölln sie jhren namen hat,[133]

Wenn ich gedenck, mein hertz mir krenckt,

solchs ich dir schenck,

das untrew scheiden zur letzte.


3. Ein jungfraw schön, und darzu zart,

in dieser stadt jr wonung hat,

Gantz wol geziert, wies jhr gebürt,

den kleffer sie jrrt,

jr kan ich nit vergessen.


4. Durch lieb verwundt, darffs niemand sagen,

mein not und leid keinem menschen klagen,

Vor trawren ich offt gerne schwieg,

noch mus ich mich,

gantz frisch und frölich stellen.


5. Wenn ich gedenk an viel der stund,

darin ich küst jren roten mund,

O adeliche zier, allein nach dir,

steht mein begier,

kein lieber mag mir werden.


6. Ir mündlein rot, jr gelb kraus haar,

jr angesicht freundlich zwar,

Hat mir mein hertz, ich gar nicht schertz,

mit grossem schmertz,

aus trawren bracht in freuden.


7. Feins lieb beut mir dein schneeweisse hand,

seh hin hab dir mein trew zu pfand,

Vertraw du mir, das ich wil dir,

mit gantzer begier,

mein trew und glauben schencken.


8. Wenn ich gedenck, wie wir beid eben,

in grosser lieb und freud theten leben,

Drumb vergis nit mein, ich verges nit dein,

die freud ist klein,

das wir jetzund müssen scheiden.


9. Scheiden thut wehe, das mus ich sagen,

dis mögen wir fraw Venus klagen,[134]

Die schuld ist dein, es wer nicht mein,

so du allein,

dein zusag wöltest halten.


10. Feins lieb du bist die werde mein,

auff dich vertraw ich gar allein,

O edle roß, in deinen schoß,

werff ich mein loß,

solches ist mir gefallen.


11. Darumb schöns liebgen las dichs erbarmen,

hab ein mitleiden mit mir armen,

O trewer hort, fahr jmmer fort,

denck an dein wort,

mein nimmer zu vergessen.


12. Schöns lieb dis lied sey dir gemacht,

wüntsch dir viel tausent guter nacht,

Aus schwerer pein, das hertze mein,

der liebsten allein,

schenk ich das liedlein zur letzen.


13. Der uns das liedlein hat gemacht,

gros lieb jhn darzu hat gebracht,

Bleibt ungenennt, man jhn wol kennt,

ist ein student,

den kleffern zu trotz und leiden.


Mein hertz liebgen ewig ohn end,

nim jetzt für gut was ich dir send,

Ob schon die gab ist gering und klein,

Got weis das ichs in trewen mein.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 133-135.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon