CLXII.

[211] 1. Auß argem wahn, so heb ich an,

ein frewlein zu beklagen,

Ich seufftz und klag, das ich mein tag

nie liebers hab ich verlorn,[211]

Das klag ich sehr, je lenger je mehr,

das ich dich mus meiden,

bringet mir es schweres leiden,

hertz lieb hab das klag ich dir,

darumb so hilff du mir.


2. Hilff mir hertzlieb aus aller solcher noth,

gib mir hertzlieb dein trewen rath,

Es kompt mir viel, das ich nit wil,

es kompt mir hart, des ich nit wart,

Es kompt mir nit her, des ich beger,

ich bin elend und gantz unwert,

vielleicht das sich nit gantz verkehrt,

vor grossem leid so mus ich sterben.


3. Gründ meine wort, jungfrewlein zart,

dieweil ich dich mus meiden,

Klag son und mon, klag laub und gras,

klag alles das der himmel beschlos.

Klag rößlein fein, klag kleine waldvögelein,

klag blümlein auff der heyden,

klag auch die braune wolgemut,

ach Gott wie wehe mir scheiden thut.


4. Selbst wil ich sein, der tröster dein,

dieweil ich dich mus meiden,

Rewt mich die müh, und auch der steg,

mein trewer dienst dieweil ich leb.

Nun kan und mag nit anders sein,

kanstu hertzlieb nit halten mich,

so wöllen wirs lassen rauschen,

kanstu wechßlen, so kan ich tauschen.


5. Schabab bin ich unwerder knab,

han in das blat geschossen,

Leit mir nit dran, kom ich auff die bahn,

das ich jetzt nach mus lassen.

Wenn es ist jetzt der frewlein sitt,

zween ander hat sie auch darmit,

dem dritten schlegt sies auch nit ab,

das schafft das ich bin worden schabab.


Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 211-212.
Lizenz:
Kategorien: