CXCVIII.

[248] 1. Ein weiblich bild mein hertz bezwungen hat,

in rechter liebe bis in den todt,

dardurch sich mein gemüte, und all mein geblüte,

in rechter liebe sie sich zu mir wenden thut.


2. Das red ich sicherlich ohn allen wahn,

das ich zur hertzallerliebsten nicht kommen kan,

das mir mein kühnes hertz vor trawren nicht zubricht,

wenn sie mich also freundlich ansicht.


3. Hertziges hertz gib hilff gib raht darzu,

rath mir das allerbeste, und wie ich jhm thu,

bey dir zu sein, hertzallerliebste mein,

schleus auff dein rosenfarbes mündelein.


4. Hertziges hertz schleus auff das hertze dein,

schleus mich in dein blancke ärmelein,

in solcher lust, gar freundlichen an dein brust,

für frewden wird mein junges hertz getrost.


5. In liebe ich gantz und gar entzündet bin,

mein hertz und gemüth und all mein sinn,

ich sing oder dicht, oder was man spricht,

vor grossen gedancken niemand recht bericht.


6. In liebe ich gantz und gar verbunden bin,

mein hertz und gemüth und alle mein sinn,[248]

eine zeit frölich die ander ach und wehe,

ich bedenck alzeit wie ich dem feinen meidlein dienen wil.


7. Mein feines lieb wil ein andern bulen haben,

gantz inniglichen sah sie mich die allerliebste an,

und solte meine lieb so gantz verloren sein,

so müst ich so gantz und gar im elende sein.


8. Erst so mus ich so gantz und gar ...

so ich mich von der allerliebsten scheiden mus,

scheiden bringt meinem hertzen ein schwere pein,

sie sprach zu mir es mus gescheiden sein.


9. Das diese rede also von jr geschach,

das mir mein junges hertze vor trawren nit zerbrach,

auch kummer must ich in meinem hertzen tragen,

das thu ich dem reichen Christ vom himmel klagen.


10. Hilff reicher Christ dein lieber will geschehe,

wenn mich die allerliebst so freundlich anesicht,

als bald thu mir deiner hilff einen göttlichen schein,

sie sprach zu mir es mus gescheiden sein.


11. Das lied das sey gesungen, meinem feinen bulen allein,

zu Leipzig auff dem harten pflasterstein,

da ist das lied gemacht, da ich an das feine megdlein gedacht,

mein hertz in meinem leibe vor grossen freuden lacht.


Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 248-249.
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