CCLX.

Ein schön new lied.

[378] 1. Nun ist es noch ein wahres wort,

das ich mein tag an keinem ort

So schöne jungfrawen hab erkent,

als in dem Wirtenberger land,

Sie han mein hertz, glaub mir ohn schertz,

gebracht offtmals in grossen schmertz.


2. Insonderheit ist eine stadt,

da es den rechten außbund hat,

Von schönen jungfrawen wol geziert,

in aller maß wie sichs gebürt,

Mit tugent frey, so mancherley,

freundlich und holdselig darbey.


3. Kleglich berew ichs in meinem sinn,

das ich aus der stadt kommen bin,

Darin die zarten jungfrawen sein,

ach Gott die allerliebste mein

Auch in der stadt jhr wohnung hat,

an sie gedenck ich frü und spat.


4. Leyde schuff es des kleffers mund,

das ich bey dir nicht bleiben kundt,

Ach du mein trost und einige freud,

wie bringt mir das so grosses leid,

Doch stell ich mich allzeit frölich,

schöns lieb las das erbarmen dich.


5. Ach jungfraw las mein lieb und gunst

nicht sein vergeblich und umbsunst,

Denn Cupido hat mir in eyl

ins hertz geschossen Venus pfeil,

Zur ersten stund, als ich dein kundt

genommen hab dein roten mund.


6. Solches dein freundlich angesicht,

und stoltzer leib allein zuricht,[379]

Das mein hertz war in lieb verstrickt,

wie ich dich erstlich hab erblickt,

Das ist kein kunst, wenn ich dein gunst,

nicht haben han, so ists umb sunst.


7. Rosenfarbes bild mein schönster hort,

las dich bewegen diese wort,

Und tröst mein viel betrübtes hertz,

es leit verwundt in liebes schmertz,

Darzu in pein, ohn dich allein,

kan und mag ich nicht frölich sein.


8. O schöne roß gedenck der zeit,

da du mir schwurst einen eydt,

Wie das dein hertz gesinnet wer,

mich zu verlassen nimmermehr,

Das traw ich dir, o schöne zier,

das glück wird uns begnaden schier.


9. Traw schaw wem das bitt ich dich,

es sind kläffer glaub sicherlich,

Die stellen sich freundlich alle zeit,

gieng es uns wol es wer jhn leid,

Darumb schweig still, sag jhm nicht viel,

so geschicht recht unser beyder will.


10. Hiemit hab dir viel guter nacht,

dis lied hab ich in eyl gemacht,

Zum newen jar ich dir das schenck,

in lieb und trew, stets an dich denck,

Hoff auch mein gunst sey nicht umb sunst,

ich preis allzeit der trucker kunst.


ENDE.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 378-380.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon