LXX.

[68] 1. Vor lieb brennt mir mein hertz im leib,

ich rede dir feins megdlein,

das du mir die liebste bist.

Ich rede es dir in der warheit,

die liebste soltu mir sein,

von hertzen wil ich dich lieb haben,

aber nemen mag ich dich nicht.


2. Und wiltu mich wol lieb haben,

aber nemen wiltu mich nicht,

so tregstu eine falsche liebe zu mir,

das red ich sicherlich.

Darbey ich kan gedencken,

das es alles erlogen sey,

jr redet mir viel der guten wort,

aus einem falschen schein.


3. Nun höre du feines megdelein,

die kläffer haben mich verführt,

auff mich soltu harren thun,

ob es kem das ich dich nem.

So bit ich dich feins megdelein,

erharre mein noch ein jar,

ist es sache das ich dich nemen wil,

das soltu werden gewar.[68]


4. Solte ich dir noch ein jar erharren,

ein jar wer bald dahin,

so möcht dir ein ander megdelein,

gefallen in deinen sinn.

Dein untrew möcht mich treffen,

den schaden müst ich han,

so wil ich mich feiner geselle,

auff dich nicht mehr verlan.


5. Nun hör du feines megdelein,

da ich ein stehten bulen hatte,

die megdlein reden offt der guten wort,

sie meinen es gar selten gut.

Ich legt mich hart gefangen

an eines megdleins brust,

ich bin jr noch nit entgangen,

ich wünsch jhr freud und lust.


6. Ach jr gesellen jr treibt viel spöttlicher wort,

aus einem ubermut,

die federn könt jr schmücken,

und stecken sie auff den hut.

Die wörtlein könt jhr streichen,

und reden selten war,

wenn ich euch dabey liesse,

jr betrübt mich manch jar.


7. Ich meint ich were die liebste,

das bin ich warlich nit,

das klage ich Christ von himmel,

der alle ding wol weis.

So wil ich mir ein kappen schneiden,

und hengen zwo schellen an,

und wil umb deinet willen,

wol auff der gassen gan.


8. Ach jr gesellen jhr könt wol wenden

den mantel nach dem wind,

jr seid mir viel zu behende,

und macht mich mit sehenden augen blind.[69]

Ach hoffnung immer hoffnung,

das hab ich mich offt erwehrt,

ich hab dich offt gefunden,

auff einem fahlen pferd.


9. Dort ferne auff einem berge,

da malet ein narrenrad,

das treibt nichts denn liebe,

den tag und auch die nacht.

Das rad ist gantz zerbrochen,

die liebe hat ein end,

fahr hin du guter geselle,

ich frey noch wo ich wil.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 68-70.
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