LXXVI.

[74] 1. Ach jungfraw sol ich mit euch gan,

in ewren rosengarten,

Und da die hübschen blümlein stahn,

die hübschen und die zarten,

Und auch ein baum der blüth,

von ästen ist er weis,

und auch ein kalter brunne,

der darunter fleust.


2. Der garten ist gezieret,

mit blümlein mancherley,

Darinne da geht spazieren,

ein hübsches jungfrewelein,

Ich dorfft nit umb sie werben,

es war mein eigen schuld,

vil lieber wolt ich sterben

ehe ich verlür jr huld.


3. In meinen garten komstu nicht,

an diesem morgen frü,

Den gartenschlüssel findestu nicht,

er ist verborgen hie,

Er ist so hart verschlossen,

und ligt in guter hut,

der geselle bedarff guter lehre,

der mir mein würtzgertlein auffthut.[74]


4. Ich kam zu jr in garten,

wie manch gut geselle mehr thut,

Da stund dasselbige frewelein,

so gar in guter hut,

Sie sang aus heller stimme,

das in dem wald erschal,

die vögelein in den lüfften,

die gaben den widerschal.


5. Ich kam zu jr in garten,

wie manch gut gesell mehr thut,

Ich wolt sie haben gebeten,

ich both jr meinen grus,

Ich ward zu einem stummen,

vor scham da stund ich rot,

bey allen meinen tagen,

leid ich nie grösser not.


6. Ach geselle darumb du mich gebeten hast,

das kan und mag nit sein,

Du würdest mir zertreten thun,

die liebsten blümlein mein,

Nun kehr du dich widerumb

und geh du wider heim,

du brechtest mich zu schande,

der schad wer mir nicht klein.


7. Da kehrt ich mich widerumme,

und gieng wider heim,

Da stund dasselbige frewlein

in jrem garten allein,

Sie strelet jr gelbes haare,

von golde hat es eine farbe,

mit jrem roten mund,

sie mir den segen gabe.


Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 74-75.
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