Cap. IV.


Von denen Personen / so sich des Tobacks zu bedienen haben / in Ansehung ihres[63] Temperaments / Geschlechts / und Standes.

Wenn uns der Toback in der Lateinischen Sprache Herba Nicotiana durch Versetzung der Buchstaben diese Worte zu lesen giebet: In bona charitate; so will er uns gleichsam selbst erinnern / daß wir ihn als ein vortreffliches Kraut / so die Natur zu unsern sonderbaren Nutzen hervorgebracht / lieb und werth halten sollen. Hierzu erkennen wir uns auch um so vielmehr verbunden / da wir wissen / daß dieses Kraut gewisser massen zu dem täglichen Brode zu rechnen sey / und daß es so wohl als andere Gaben mit Dancksagung empfangen und genossen werden soll. Und wie sich derjenige an GOtt sehr versündigen würde/welcher das liebe Brod / so[63] ihm zu seinem Unterhalt und Nahrung gegeben wird / verachten wolte; Also würde es nicht weniger demjenigen zur Sünde gereichen / welcher den Toback (der so ein vortreffliches Mittel ist / den Menschen bey guter Gesundheit zu erhalten) mit allen Schelt-Worten belegen / und den Gebrauch desselben als eine böse Gewohnheit unbedächtl. lästern wolte. Zwar gestehet man gar gerne zu / daß nicht alle Menschen gleichen Nutzen aus dem Gebrauch desselben empfinden; solches aber hat man nicht so schlechterdings denen Eigenschafften und Würckungen des Tobacks uzzuschreiben / sondern vielmehr demjenigen / welcher entweder sein temperament nicht recht untersuchet / ob ihm der Toback nützlich oder schädlich sey / oder welcher im Toback rauchen excediret / und aus dem rechtmäßigen Gebrauch in einen Mißbrauch verfället.

Es haben aber die Medici den Gebrauch des Tobacks absonderlich denen Cholericis ernstlich widerrathen / als welche von Natur ein subtiles und flüchtiges Geblüthe haben / und bey selbigen vermöge des Tobacks die innerliche Wärme / denn der ausbrechende Schweiß / auch daher einige Hertzens Angst und Klopffen verspühret / und der schwache Leib desto mehr verdrocknet wird. Derowegen er auch denen[64] Kindern / alten und magern Leuten / wie auch denen /so sehr viel Arbeit thun / und immerdar bey Feuer oder Sonnen seyn müssen / gantz und gar nicht dienlich / weil er die natürliche Feuchtigkeit / derer sie ohne dem wenig haben / und darinnen das gantze Leben bestehet / verzehret. Fast eben dergleichen ist bey Melancholicis zu besorgen / als bey welchen das viscidum des Tobacks zu Verstopffungen / Convulsionen und Zittern der Glieder Gelegenheit geben wird. Gleichergestalt ist der Toback vielen Kräncklichen /zumahl in der Krätze / und in allen scorbutischen Unreinigkeiten des Geblüths höchst nachtheilig: Wie auch denen / so zum Blutspeyen incliniren / oder zur Schwindsucht geneigt sind / und destomehr / wo beydes schon würcklich vorhanden ist. In Fiebern verbeut sichs ohne dem bey Mangel des Appetits. vid. Thebesii Nachricht vom Toback / cap. 4. p. 42. & 43. Barnsteins Tobacks-Wunder-Kunst / cap. 7.

Hingegen ist er in gewissen Fällen und solchen Personen sehr dienlich / bey welchen das temperamentum phlegmaticum prædominiret / und die mit vielen catharalischen Flüssen beschweret sind. Desgleichen können die Sanguinei den Toback wohl vertragen / weil er durch vieles Auswerffen die vielen Feuchtigkeiten[65] des Geblüts verringert / das Geblüthe besser beweget / chiragram und podagram lindert /und die sensus gleichsam einschläffert / Thebes. l.c. cap. 5. p. 46. 47. Nicht weniger ist der Toback denen kalten / feuchten / dicken und fetten wassersüchtigen Menschen sehr gut; wie denn auch / die an neblichten sumpffichten Oertern wohnen / oder sonst mit kalten Flüssen geplaget werden / aus dem Gebrauch des Tobacks öffters Hülffe und Linderung empfinden. Abel. Leib-Med. der Studenten / cap. 12. p. 223. Daher auch die See-Fahrende ein gutes Mittel an demselben haben für böse Feuchtigkeiten und Flüsse. Francisci Schau-Bühne / P. III. p. 570.

Man hat aber vornehmlich die Zeit / zu welcher der Toback gerauchet werden soll / wohl zu observiren; Denn woferne man selbige nicht genau in Acht nimmt / kan man sich durch dessen Gebrauch sehr schädliche maladien zuziehen / welche fast incurable seyn. Also ist es nicht gesund / wenn man den Toback nach der Mahlzeit / besonders auf den Abend / wenn man zu Bette gehen will / rauchet / indem er die Verdauung der Speise verderbet / grossen Durst in der Nacht /Trockenheit des Mundes und Aufspringung der Leffzen verursachet / auch machet / daß die Flüsse auf die Brust fallen.[66] Wenn er aber von einem aus Gewohnheit nicht unterlassen werden kan / mag er 2. oder 3. Stunden nach dem Abend-Essen / doch daß er darauf nichts weiters mehr Bier oder ander Geträncke zu sich nehme / getruncken werden. Wenn man aber zu gedachter Zeit noch darauf trincken wolte / oder dazu genöthiget würde / ist es rathsam / daß nicht überflüßig / auch nicht hitzige Geträncke / als Wein / aqua vitæ oder Brandtewein getruncken werde. Widrigenfalls wird der Natur Schaden gethan / und zu Kranckheiten Ursache gegeben / ja sie wohl gar (sonderlich wenn schwindsüchtige und dumpffichte Leute solches verrichten) getödtet; Und ist allhier dieses wohl zu mercken / daß / wenn das Toback-trincken der Natur zu Nutz geschehen soll / muß es des Morgens früh nüchtern und Nachmittags nach 4. Uhren / wenn die Coctio oder Dauung verrichtet / gebrauchet werden. vid. Barnsteins Tobacks-Wunder Kunst / cap. 9.

Wenn wir bey dem Gebrauch des Tobacks den Menschen nach seinem Geschlechte consideriren / so erweiset der oben angeführte Autor unter dem Nahmen Leucorande in einem von dieser Materie handelnden à parten Tractätgen / daß die Weiber in gedachtem Gebrauch eben so viel Recht haben / als die Männer /[67] und referiret p. 35. daß es in Engelland und Franckreich bereits grand mode, daß die Dames mit denen Chevalieren in öffentlichen Compagnien ein Pfeiffgen oder etliche schmauchten / und niemand legte es ihnen übel aus. Von Holland gedencket er /daß es daselbst ja bereits so gemein / daß auch die Bauer-Mägde / wenn sie des Tages Last und Hitze getragen / sich mit diesem kräfftigen remedio erqvickten. Pag. 41. wundert er sich / daß die Männer selbst denen Frauen nicht schon längst gerathen / daß sie sich an den Toback gewöhnen solten / denn davon würden sie viel Nutzen haben. Ein Geitziger würde gewahr werden / daß durch das scharffe Saltz / welches der Toback bey sich führet / des Weibes Maul von denen süssen Lecker-Bißgen / Backwerck / Confituren etc. würde entwöhnet werden. So würden sie auch nicht mehr so scharff spielen / sondern öffters bey der Pfeiffe Toback des Spielens vergessen. Ein Ehrgeitziger würde den Vortheil haben / wenn sein Weib von denen spiritibus des Tobacks würde mehr und mehr klüger werden / daß sie / wenn er wackere Männer zu sich kriegte / capable wäre sie mit einem vernünfftigen discours zu unterhalten. Ein Wollüstiger aber würde am meisten davon profitiren / denn da würde ihm sein liebes Weibgen /[68] wenn er aus einer Tobacks-Compagnie nach Hause käme / viel eher entgegen gehen / und ein halb Dutzt Küsse zuschmeissen / da sie ietzo / wenn sie den Tobacks-Geruch noch nicht vertragen kan / erst die andere Nacht-Wache heran kommen läßt / ehe sie sich zu ihm nahet. Zu geschweigen / was er sonst vor einen Nutzen habe. Pag. 45. schertzet er: Es wäre merckwürdig / daß / da Nicot, der Frantzösische Gesandte / den Toback Anno 1560. zum ersten mahl nach Franckreich gebracht / er selbigen einem Frauenzimmer / nehmlich des Königs Frau Mutter / überreicht / daraus sich das Frauenzimmer das schöne consectarium ziehen möge / daß der Toback auch vor sie gehöre / ja vornehmlich / weil das sonderbare Schicksal ihn zum ersten einem Frauenzimmer überreichen lassen. Pag. 46. zeiget er den veritablen Nutzen des Tobacks / wenn er saget: Es wäre eine seiner vornehmsten Eigenschafften / daß er ein sehr flüchtiges Saltz bey sich führe / welches alsobald das Blut und die Säffte erfüllet und sie verdünnet / daß die Menschen gesund und frölich werden / und nach beschwerlicher Arbeit muntere Geister bekämen; So ziehe er auch vermöge dieser Eigenschafft den Schleim aus der Lunge / stille den Husten / und reinige das Geblüth. Dahero ein jeder leicht den Schluß machen könne / daß er blassen[69] Mädgen und dem mit Mutter-Beschwerungen behaffteten Frauenzimmer grosse Dienste leiste / und insgemein allen Weibs-Bildern / die mit vielem Sitzen ihr Geblüthe verderben; denn dadurch würde es allerdings dicker als bey Leuten / die in steter motion wären / also wolle es sich allerdings geziemen / denen Weibern den Gebrauch des Tobacks vorzuschreiben. Endlich führet er pag. 47. eine passage aus des berühmten Brandenb. Raths und Leib Medici, D. Cornelii Bontekœ, Buche / welches er kurtze Abhandlung von dem menschlichen Leben / Gesundheit / Kranckheit und Tod nennet / und zu Bautzen 1692. aus dem Holländischen ins Teutsche übersetzet worden an /welche dieses alles / was von dem Nutzen des Tobacks vor das Frauenzimmer bißher gesaget worden / confirmiret. Es lauten aber erwehnten D. Bontekœ, Worte also: Ist man ums Hertz beängstiget / taub in Ohren / unlustig / malade, schwach / schläffrich / und vom Scharbock steiff / hat man Schmertzen im Haupt / in den Augen / Zähnen und anderswo ist das Gesicht dunckel / schwach / das Gehöre beschweret / mit Podagra, Stein / Colica, Krätze /Flecken / Friesel / Magerheit oder allzugrosser Fettigkeit / Winden / Würmen etc. geplaget / so ist der Toback / absonderlich[70] die Virginischen Blätter / ein wahrhafftiges Mittel. Nur ist zu beklaben / daß viele seyn / die unsern Toback lästern / insonderheit / daß die meisten Frauen solchen nicht wollen rauchen / und die Männer / so viel sie können / abhalten. Doch die Zeit / so alles ändert / und die in Holland allbereit in wenig Jahren das Rauchen / das vor diesem unanständig und gleichsam unehrlich war / wieder ehrlich gemacht / wird auch endlich dieser Axt einen Stiel finden / und die Frauen / welchen es höchstnöthig und dienlich ist / ans Rauchen bringen / dessentwegen wir die Männer ermahnen / daß sie mit kräfftigen Vorbilde erweisen möchten / daß man rauchen müsse / nicht aus debauche, Zeit-Vertreib oder Recreation, sondern um gesund zu seyn und lange zu leben. Und etwas weiter unten schreibet Bontekœ: Und gleichwie es denen Frauen ein grosser Verdruß ist / daß die Männer sich absondern / und hie und da Brandtewein / Wein / Bier und Toback sauffen / worunter sie den Toback am meisten hassen; so solte es sie im Gegentheil ja ergötzen / und auch zu ihrer Gesundheit und Leben dienlich sein / wenn sie die Tugend des Tobacks glaubeten / mitmacheten / und[71] als Gesellen ihren Männern / worzu sie auch gemacht sind / sich mit ihnen vereinigten / und an statt unfriedlich zu seyn / zu murren und zu beissen / sie zum Toback anmahneten.

Von der Frage: Ob es denen Geistlichen / Schul-Männern oder andern / so in öffentlichen Aemtern stehen / erlaubet sey / Toback zu trincken? eröffnet der Autor der aufgefangenen Brieffe III. Ravage 1. Paqv. p. 95. sein sentiment weitläufftig. Er meynet / es würde jedermann zugestehen müssen /daß der Gebrauch des Tobacks an ihm selbst ein Adiaphorum oder Mittelding sey / welches in GOttes Wort weder verboten noch geboten / auch mit der geringsten consequenz aus der Schrifft nicht erwiesen werden könne / daß solches unrecht sey. Denn was insgemein verwerfflich wäre / würde einem Geistlichen oder Schul-Manne / als Clericis, um so viel weniger anständlich lassen. Man solle vielmehr consideriren / was David Psalm 24. v. 1. saget: Die Erde ist des HErrn / und alles / was drinne ist; Und Paulus 1. Thess. 4. v. 4. Alle Creatur GOttes ist gut / und nichts verwerfflich / was mit Dancksagung empfangen wird. Und weil auch der Toback als ein edles Kraut von GOtt gut erschaffen[72] sey / so möge desselben / gleichwie ein ieder Mensch / also auch ein Geistlicher oder Schul-Mann / mit Dancksagung geniessen. Und warum solte ein Kraut geringer geschätzet / oder dessen Gebrauch vor sündlicher geachtet werden / als eines andern? oder jenes einer Art Men schen anständiger seyn / dieses aber nicht? Dieses habe man billig zu überlegen / ehe man von einer so unschuldigen Sache verächtlich / GOtt selbst / dem Schöpffer und Geber / zu urtheilen sich unterstehe. Dahero es nicht allerdings vernünfftig gnug gethan sey / wenn manche vornehme Patroni einen gelehrten und sonst untadelichen / auch zu einem Amt in Kirchen oder Schulen tüchtigen Menschen nur darum von aller Beförderung excludiren wolten / weil er Toback rauche / und denselben als GOttes Geschöpffe zu seines Leibes Nutzen anwende. Denn wenn es erlaubet sey Toback zu schnupffen / in Artzeney einzunehmen / Pflaster daraus zu machen etc. warum solte es unrecht seyn / wenn derselbe zu Beförderung der Gesundheit / zu Abführung des Schleims und Reinigung des Haupts von Leuten / die zu Flüssen geneigt sind /dergleichen es unter Geistlichen und Schul-Bedienten nicht wenige gebe / sonderlich auf Rath verständiger Medicorum gebraucht würde? Es wäre ein verderbtes[73] Wesen und gefährlich præjudicium unter uns Menschen / daß wir so gar gerne dasjenige / worzu wir aus uns bekannten Ursachen / oder auch zuweilen par pure caprice keine inclination haben / an andern tadelten / und doch dabey selten bedächten / ob auch solches mit hinlänglicher raison geschehe. Doch sey hiermit denen liederlichen Purschen / deren es da und dort auch unter Kirchen- und Schul-Bedienten wohl etwa geben möchte / das Wort nicht geredet / welche sich mit ihren Bauern oder Bürgern in die Wirths Häuser / Schencken und andere Oerter setzten / und aus dem Tobacks Geschmauche / wovon das Sauffen und Spielen nicht weit entfernet / und daraus ein unordentlich Leben erfolget / profession machen. Auch wolle er nicht denenjenigen unter denen Studiosis flattiren / welche ohne Noth u. dringende Ursachen sich das Schmauchen auf Universitäten angewöhnet /und allmählig in exorbitante debauchen damit geriethen. Es müsse nur der rechte usus von dem abusu wohl unterschieden werden: Sondern er setzet den casum so: Es habe ein Geistlicher oder Schul-Mann zu Reinigung seines Haupts von Flüssen / deren Wachsthum ihm am Gesichte / Geruch und Gehöre schaden könte / wie er aus allerhand Umständen vermuthe / und da andere [74] medicamenta nicht anschlagen wolten / sich auf Einrathen verständiger Medicorum angewöhnet / Toback zu rauchen / befinde auch hiervon theils Erleichterung seiner Beschwerniß / theils /daß hierdurch sein malum weiter um sich zu greiffen verhindert werde / auch er hiernächst in Sorgen stehen müsse / daß / wenn er sich des Tobacks entwöhnen solte / er zu seinem Amte untüchtig werden möchte /hütet sich aber dabey / kein Aergerniß zu geben / sondern bediene sich dessen allein in seinem Hause und Studir-Stube / oder gelegentlich bey erbarer unverwerflicher Gesellschafft mit einem erbaulichen Gespräche. Bey solcher Bewandniß würde derselbe wohl keine Sünde thun noch sträflich werden. Man habe hier die Distinction in dem discursu de Adiaphoris, welchen ein berühmter JCtus in den gelehrten Observationibus Halensibus T. II. Obs. XIII. p. 289–305. inseriret habe / allerdings zu attendiren: Bey einer ieglichen Sache / wovon man judiciren wolle / ob sie recht oder unrecht sey / müsse man aufs genaueste consideriren so wohl das decorum, als die intentionem agentis. So es einem Prediger oder Schul-Mann vergönnet sey in seinem Hause / oder auch in honeter Gesellschafft in gutem Absehen Wein zu trincken / so möge er auch wohl ohne Bedencken ein gleiches[75] mit dem Toback thun / denn Wein und Toback wären beydes Creaturen GOttes / und habe keines vor dem andern in diesem Stück den geringsten Vorzug. Und wer bey dem Gebrauch desselben die Erhaltung seiner Gesundheit / so ihm GOtt durch dieses Mittel giebet /mit Danck erkenne / der thue / was GOtt wohlgefällig sey / und verlache billig allen ihm hierüber gemachten Einwurff / als unbesonnen. Wäre aber jemand / der den Wein denen Geistlichen oder Schul-Bedienten deswegen verbiete / weil etliche bruta sich in demselben aus der Vernunfft zu ihren eigenen Verderb sauffen; so möge ihnen auch niemand mit Recht den Toback darum verbieten / weil etliche Debauchanten so wohl auf Universitäten als sonst über das Maaß schreiten / und auch wohl ohne Noth / bloß zum unnützen Zeitvertreib / denselben brauchten. Der Mißbrauch müsse den rechten Gebrauch nicht aufheben /sonsten müste man das liebe Wort GOttes und alle Creaturen / keine ausgenommen / wegschaffen etc.

Wir könten hier unterschiedene Exempel berühmter Männer / die sich des Tobacks bedienet / welchen doch dahero von ihrem Ansehen und Ruhm nichts entgangen / anführen; Wir wollen uns aber nur mit diesen wenigen begnügen[76] lassen: Der berühmte Holländische Professor, Marcus Zuerius Boxhornius, hatte eine überaus grosse Lust und Begierde zum Tobackrauchen; Damit nun aber sein Studiren nicht unterbrochen würde / und er beyderley zugleich geniessen möchte / hat er mitten in den Rand seines Huts ein Loch geschnitten / darein er die angezündete Pfeiffe gestecket / und auf diese Art unter dem Lesen und Schreiben geschmauchet / wie er denn zu dieser Ubung alle Stunden / die er nicht zu seiner öffentlichen Bedienung gebrauchet / angewendet. vid. Vergnügung müßiger Stund. P. I. p. 61. Schrœderus in seiner 1717. zu Leipzig gehaltnen Disputation de Misanthropia Eruditorum bestätiget solches § 4. mit diesen Worten: Marcus Zuerius Boxhorn, Professor Leidensis, studiis intentus tabaco suo contentus erat, noctesque diesque libros volvendo & fumum captando trivit. Mors illius tabaci quidem usui nimio tribuitur, sed & vitam solitariam illam pro causa socia haberi posse videtur.

Von Georgio Hornio ist bekannt / daß er seine Bücher bey der Tobacks-Pfeiffe zu verfertigen im Gebrauch gehabt / dahero auch seine Schrifften nach Art des Rauchs so flüchtig aussehen sollen. vid. Vergnüg. müß. Stunden / P. I. p. 61.[77]

Daß der vortreffliche Polyhistor zu Utrecht / Joh. Georg Grævius, ein sonderbarer Liebhaber des Tobacks gewesen / ist aus Muhlii Beschreibung des gelehrten Convivii, welches Anno 1692. den 18. Julii zu Goude in Holland gehalten wurde / zu ersehen / in welcher Beschreibung unter andern folgende Worte zu lesen:


Pars tecum, Grævi, fumos captabat & auras,

Liberior patulo sub Jove fumus erat.

O quam fume places! o dulcior herba, Tabacum!

Hæc poterat doctos aura juvare viros,

O quam fume places! mihi jam venit ista voluptas.

O quantum hæc gustu prodigiosa suo est!

Dulcis amicitiæ liquor, o mihi gluten amoris

Nectar, & hoc si quid dulcius esse potest.


vid. Schüzii Apparat Curios. & Pract. T. II. p. 1487. Grævius selbst verfertigte auf dieses von ihm so werth gehaltene Kräutlein nachstehendes Sonnet:


Doux charme de ma solitude,

Fumante pipe, ardent fourneau.

Qui prive d' humeur mon cerveau

Et mon ame d' inquietude,

Tabac! Dont mon ame est ravie,

Quand aussi vite qu'un eclait

Je te voi dissiper en l'air,

J'y voi l'image de ma vie.

Tu remets a mon souvenir

Ce qu'un jour me doit devenir,

N'étant qu'une cendre animée;

Et tout confus je m'apere, evois

Que courant apres la fumée

Je me perd de même comme toi.[78]


welches aus Tentzels curieuser Bibliotheque in denen Observat. Miscellan. T. II. p. 229. folgender gestalt teutsch nachzulesen ist:


Du, meiner Einsamkeit Ergötzen,

Geliebtes Pfeiffgen, meine Lust,

Das mir erleichtert Haupt und Brust,

Und meinen Geist in Ruh kan setzen.

Toback, der mir kan Freude geben,

Wenn ich dich seh im Rauch aufgehn

Gleichwie der Blitz; so kan ich sehn

Ein wahres Bild von meinem Leben,

Da mir wird klärlich vorgestellt

Das Ende dieser kleinen Welt,

Der mit der Seel begabten Asche,

Und mercken in verwirrter Ruh,

Daß, der ich nur nach Rauch stets hasche,

Ich eben so vergeh, wie du.


Hieher kan auch gerechnet werden der gelehrte Englische Ritter / Henricus Wotton, welcher zwar Anfangs am Englischen Hofe unterschiedene wichtige Staats Chargen bedienete / letzlich aber zu Beförderung seiner Gesundheit und Ruhe vom Könige zum Præposito im Collegio Ætoniensi gemacht wurde. Dieser vortreffliche Mann (dessen Andencken bey der gelehrten Welt unverändert grünen wird) war dem Tobackschmauchen ungemein ergeben / wodurch er sich aber grosse Leibes-Schmertzen und Beschwerungen zugezogen / an welchen er auch Anno 1639. im 72. Jahr seines Alters verstorben. vid. Observat. Miscell. T. II. P. 1.

[79] Ob der Gebrauch des Tobacks denen Studiosis nützlich und zuträglich sey? ist eine Frage / von welcher unterschiedene diverse Meynungen haben. Diejenigen / welche solchen approbiren / führen absonderlich zu Behauptung ihrer Meynung dieses an: Weil der Toback ein sehr flüchtiges Saltz bey sich führe / welches den Umlauff des Geblüths kräfftig unterhalte / und die Säffte alsobald erfülle und verdünne / daß die Menschen gesund und frölich würden / und nach beschwerter Arbeit muntere Geister bekämen; Die Herren Studiosi aber durch vieles Sitzen ihr Geblüthe verderbeten / daß es dadurch allerdings dicker würde / als bey Leuten / die in steter motion wären /als wäre der Toback denenselben sonderlich zu Verdäuung und Reinigung ihres Geblüths zu rathen. Und was der Toback überhaupt vor Nutzen habe / den werde er auch denen Herren Studiosis unverändert præstiren. Vielweniger hätte sich ein Studiosus hierüber ein Gewissen zu machen / wenn er sich in einer indifferenten Sache / die nirgends verboten / so wohl als andere / in gehöriger Maße bediene. Andere aber /welche den Gebrauch desselben denen Herren Studiosis nicht erlauben / geben vor / es wäre der Toback herba stratiotica & Martis, non vero Sophiæ & Artis. Denn es würde durch[80] den Toback eine mehrere nützliche und gekochte Feuchtigkeit aus dem Munde geführet / und dahero trockene Naturen mehr und mehr ausgetrocknet / und die Geister verdünnet. Weil nun die Herren Studiosi von dergleichen Art wären; als sey er ihnen höchstschädlich. Dannenhero auch jener Helmstädtische Professor, Tappius, in Orat. de Tabaco es denen Studenten vor sehr übel gehalten /die den Toback zu starck u. ohne Noth getruncken /wenn er gesaget: Quid turpius & homine liberali indignius, quam ex cerebro nobilissima illa mentis sede, vaporarium efficere? d.i. Was ist doch schändlicher / und einem freyen Menschen unanständiger / als aus dem edlen Sitz der Seelen ein Rauch-Nest zu machen? vid. Abel. Leib Med. der Student. cap. 12. p. 221. Und der wegen seiner vielen historischen Schrifften berühmte Altenburgische Theologus, Ernst / verwundert sich nicht wenig /warum Heinrich Barnstein / weyland Leib- und Wund-Artzt in Erffurt / in seiner Tobacks Beschreibung / cap. 7. diese Worte gesetzet / daß er sehr gut sey denen Studenten und andern / die den Kopff brauchen müssen; da doch die tägliche Erfahrung lehre /daß viele derer Herren Studenten durch das Tobackschmauchen ihr Ingenium, Gedächtniß und Verstand verlohren. [81] vid. Ernsts Confect-Tafel / § 7. p. 42. Allein wir glauben / daß beyderley Meynungen gar leicht mit einander vereiniget werden können; Man removire nur den schändlichen Mißbrauch von dem ordentlichen und rechtmäßigen Gebrauch / so wird der Toback denen Herren Studiosis so wenig schädlich seyn / als andern / welche sich desselben zu ihrer Gesundheit bedienen.

Zwar will es scheinen / als ob die Herren Studiosi Ursache gnug hätten / sich des Tobacks zu enthalten /weil sie sich durch desselben unangenehmen Geruch einiger massen verhaßt machten / auch hierdurch gar leicht in den Verdacht eines liederlichen Lebens gerathen könten. Denn es führet der Toback diese incommodité bey sich / daß das Oel desselben sich nebst dem Sale volatili so hefftig an die Zähne und innern Mund setzet / daß man auch folgendes Tages den höchst empfindlichen und ungemein stinckenden Geruch aus dem Munde mit dem grösten Eckel empfindet; Hiernächst auch dessen Rauch sich dermassen in die Kleider einlogiret / daß er so bald nicht wieder herauszubringen / von welchem Geruch König Jacobus in Engelland gar artige Gedancken führet / wenn er saget: Quod si olim putore Tobiani pifcis, sic Tabaci nidore (nam minus olet) Diabolus[82] posset in fugam conjici, nihil miraculorum mangonibus ad exorcismum natura rerum creasset valentius; welches etwa so viel heissen soll: Wenn der Teufel durch den Gestanck des Tobacks / wie vormahls durch den üblen Geruch des Tobianischen Fisches (denn es verursachet jener einen nicht weniger unangenehmen Geruch) könte vertrieben werden / so hätte die Natur denen Teufels-Beschwerern hierzu wohl kein kräfftiger Mittel hervor bringen können. Daher auch viele gelehrte Leute / welche sich des Tobacks bedienet / ob man gleich sonst an ihrer Geschicklichkeit und Conduite nichts auszusetzen gehabt, bey denen jenigen / welchen solcher übler Geruch höchst zu wieder / ihre Fortun entweder nicht gefunden haben / oder wo sie ja Beförderung erlanget / nicht gar zu wohl angesehen gewesen. Welches absonderlich der berühmte Henricus Sickius, Professor Hebrææ Lingvæ zu Cambridge erfahren. Denn ob er schon ein Mann von vortrefflichen Wissenschafften war / dergestalt / daß man ihm mit Recht nachrühmen kan / er habe in denen Morgenländischen Sprachen seines gleichen nicht gehabt; Wie denn Herr Adrian Reland demselben sein Arabisches zu dancken / auch Herr Küster / welcher nebst Sickio die Bibliothecam librorum novorum[83] zu Utrecht geschrieben / nicht in Abrede ist / daß er vieles von ihm erlernet; So hat er doch durch sein sordides Leben / weil er sich dem Toback schmauchen allzusehr ergeben / seine Fortun lange nicht gefunden / biß ihn der Englische Graff von Huntington zu Utrecht kennen lernen. Denn nachdem dieser Herr sich fürgesetzet nach Constantinopel zu reisen / um alda die Orientalische und Arabische Sprachen zu excoliren / hat er jemanden gesucht / der ihm und seinem Vorhaben könte behülfflich seyn. Die Professores haben ihm so gleich diesen Sicken recommendiret /welchen er zu sich kommen lassen / und ihn zwar geehret / aber dermassen gefunden / daß er ihn vor untüchtig gehalten / sein Compagnon zu seyn. Der Lord kunte den Toback nicht vertragen / hatte auch keinen geringen Eckel / eine so schmierige Creatur um und bey sich zu sehen. Weil er aber inzwischen niemand fande / der zu einem solchen Wercke tüchtiger / als resolvirte er sich / Sicken anzunehmen / dafern sich dieser entschlissen wolte / den Toback zu qvittiren. Welches er aber schlechter dings abschluge / und lieber bey seiner geliebten Gewohnheit verharren / als die einmahl erwehlte Lebens-Art verändern wolte. Wannenhero der Graf ihm auch dieses Begehrē accordirt / nur daß er sich bedunge / es solte sich sein Reise Gefehrte besser kleiden /[84] und sich von ihme /wenn er rauchte / etwas entfernen. Das erste kunte nicht bewerckstelliget werden / biß ihme der Lord eine gute Summe Geldes zahlen liesse / daß er sich erstlich von seinen Schulden befreyen / und denn eine bessere Eqvippage anschaffen könte. Alsdenn wurde er überall / wo der Graff sich aufhielte / in einen Winckel des Palasts verstecket / damit er weder seinen Herrn incommodiren / noch auch andern Fremden einen Eckel erwecken möchte. Dieser vortreffliche Mann hatte in seiner Jugend wunderbare fata. Sein Armuth zwang ihn Anfangs sein Glück im Kriege zu versuchen / als ihm aber das Soldaten Leben nicht mehr anstunde / gieng er durch / wurde aber zu seinem grösten Unglücke ertappet / und in dem gehaltenen Stand Rechte sprach man ihm das Leben ab. Alleine das Glücke favorisirte ihm dergestalt / daß er sich loß spielte / und sein Leben durch die Würffel gewann. Dieser Begebenheit ward er unverhofft auf einem Gast Gebote zu Cambridge erinnert / worüber er sich dergestalt alterirte / daß er sich / als er nach Hause gekommen / mit seinem Schlaff Rock-Gürtel erhencket. vid. Neue Bibliothec. P. 33. p. 249. Observ. Miscell. T II. P. 22. p. 847. Lilienthal Select. histor. & liter. Observ III. §. 5 p. 58. Ingleichen meldet Aug. Thonerus Epist. Med.[85] Phil. Lib. 6. Epist. 15. von einem gewissen Churfürstl. Leib Medico, welcher dem Tobackschmauchen dermassen ergeben gewesen / daß er von der Churfürstin / so den Geruch des Tobacks nicht vertragen können / gebeten worden / er möchte doch künfftig sich in Toback-Rauchen mäßigen. Worauf er aber zur Antwort gegeben: Er wolle lieber seine Charge und tausend Thaler jährl. Salarii missen / als den Gebrauch des Tobacks unterlassen.

Daß aber angeführte rationes noch lange nicht sufficient seyn / denen Herrn Studiosis den Gebrauch des Tobacks zu verwehren / wird ein jeder leicht erkennen. Denn vors erste haben wir kurtz vorher verstanden / daß es nicht allerdings vernünfftig genug gethan / wenn manche vornehme Patroni einen gelehrten und sonst untadelichen / auch zu einem öffentlichen Amte tüchtigen Menschen nur darum von der Beförderung excludiren wolten / weil er Toback rauche. Hiernechst ist auch der Geruch des Tobacks nicht allen zuwider; denn es werden viele / auch so gar unter den Patronis gefunden / welche überhaupt den Geruch desselben als eine kräfftige Hertzstärckung annehmen. In welcher Meynung sie absonderlich von obangeführten D. Bondeckœ gestärcket werden / wenn dieser in seinem Tractat von menschlichen Leben [86] Part 3. § 43. vorgiebt / es rieche der Toback als Bisam und Ambra / und hätte unter allen Sachen / die einen Geruch von sich gäben / den Vorzug. Uberdiß kan man dem Geruch aus dem Munde gar leicht abhelffen / wenn man nach dem Gebrauch des Tobacks entweder den Mund mit Wasser rein ausspielet / oder mit einem reinen Tuche die Zähne wohl abreibet. Nicht weniger weiß man auch den Rauch gar wohl zu corrigiren mit allerhand wohlriechenden aromatibus: Als zum Exempel / hat der Mensch der ihn rauchen will viel Schleim bey sich / kan er den Toback mit Ligno Aloes und Sarsaparilla vermischen. Ist einer mit Gall beschweret / der thue rothen Santel darzu. Welche aber mit vielen Catarhen und schädlichen Flüssen beladen sind / können Till / Fenchel-Saamen / Frontzosen- oder Heilig Holtz / Lignum Aloes, Anieß-Oel drunter mischen. Vor den schwachen Magen kan Muscaten Blüth / Zimmt / Gewürtz Nelcken unter denselben vermenget werden / oder man kan Chaqverille oben auf die Pfeiffe thun / daß beym Anstecken der Geruch angenehm sey. Wiewohl Thebesius in der Nachricht von Toback Cap. 5. p. 55. und Bernstein in der Tobacks Wunder Kunst Cap. 8. den Rath geben /man solle in diesen letztern behutsam gehen /[87] daß nicht etwa diese vermeynte Verbesserung eine schlimmere Wirckung nach sich ziehe / weil man observiret / daß von dem Rauch dieser aromatischen Sachen nebst dem Toback sensibles Personen viel eher schweimlich und truncken worden / als von dem puren Toback nicht geschehen. Was sonst den Verdacht eines liederlichen Lebens anlanget / ist solcher ein nichtiges und wider die Vernunfft streitendes Einwenden; Denn wer siehet nicht / daß dieses ein recht verkehrter und absurder Schluß sey / wenn man saget: Alle Holuncken und liederlich Gesindel rauchen Toback / ergo sind diejenigen, welche sich des Tobacks als einer Gabe GOttes in gehöriger masse zu ihren Nutzen bedienen / auch unter solche Pursche zu rechnen. Halten sichs Könige und Fürsten vor keine Schande / Toback zu rauchen / so wird es denen Herren Studenten viel weniger unanständig seyn.

Ist demnach aus bißhero angeführten und andern argumentis gnugsam zu ersehen / daß der Toback niemanden könne verbothen / oder dessen Gebrauch von vernünfftigen übel ausgeleget werden / sondern daß derselbe einem jeden ohne Unterscheid erlaubet und vergönnet sey / indem es eine gantze indifferente Sache / welche an und vor sich selbst nicht den aller geringsten Tadel hat / noch etwas verwerffliches in sich fasset.[88] Mag also ein alter verschimmelter Grillenfänger / welcher biß dato die præjudicia antiqvitatis nach seiner wunderlichen caprice noch vor unfehlbare Oracula hält / dawider einwenden was er will. Wir wollen denselben zum Uberfluß noch mit folgender wohlgesetzter Oration, in welcher der Gebrauch des Tobacks gnugsam defendiret wird / abfertigen:


P.P.


»Es ist bey gegenwärtiger Zeit / die in ihrer Vergnügung nicht weniger als in andern Dingen des veränderns sich bedienet / so weit gekommen / daß man in allen Städten / in allen Dörffern / in allen Häusern / ja in allen Stuben u. Hütten die Tobacks Pfeiffen glimmen siehet. Weil nun nichts destoweniger auch diese Gewohnheit von vielen gelästert / und zu deren Unterdrückung allerley ausgesonnen wird / so will ich mich bemühen / durch unbetrügliche Gründe darzuthun /wie wenig sich ein Mensch an dem Himmel / an der Welt / und sich selbst versündige / der diesem Zeitvertreib im höchsten Grad ergeben ist. Denn gleich wie die Natur nichts umsonst hervorgebracht / sondern alles zu der Menschen Nutzen verordnet / und absonderlich die Feld-Gewächse zu Erhaltung seines Lebens ausersehen hat; so kan man auch leichte schlissen / daß die Blätter /[89] von welchen meine Rede handelt / gewisser massen zu dem täglichen Brodte gehören / und ein Kraut bedeuten / welches wir mit Vergnügen rauchen und verbrennen sollen / wenn andere Kräuter auf dem Felde im Schweiß des Angesichts von uns genossen werden. Niemand mache mir den Einwurff / daß die erste Welt viel besser als wir gelebet / und gleich wohl von dieser wunderlichen Speise nichts gewust habe: Denn ich werde sonst zur Antwort geben müssen / daß uns hingegen viel was unsere Vorfahren genossen / entzogen / an dessen statt dieses herrliche Gewürtze als das Manna der gegenwärtigen Zeit gegeben werde. Das Manna / sage ich / welches viel Gemüther in der seinet wegen angestellten Gesellschafft zu der grösten Vertraulichkeit bringet / ein Gegen Gifft wider alle lange und verdrüßliche Zeit bedeutet / und noch der einige Auffsatz ist / mit welchen wir nach Art der alten Deutschen ohne alle Pracht gute Freunde bedienen können. Da auch sonst die Geringern den Höhern alles nachzuthun / und aus ihren Beyspiele eine Lebens Regel zu machen pflegen / so darff man sich nicht wundern /warum auch nunmehro Leute von der allerniedrigsten Condition in diesem Stücke verrichten / was ehemahls nur ein Werck der allervornehmsten /[90] und nechst diesen solcher Leute war / die sich in entlegenen Ländern etwas sonderbares zu ihrer Ergötzlichkeit ausersehen hatten. Der Ziebeth und Bisam sind schon längst nebst andern wohlriechenden Sachen in die Cabineter des wollüstigen Frauenzimmers verwiesen. Ein Mann hingegen / er sey so hoch und vornehm er wolle / meynt den besten Geruch bey sich zu tragen / wenn seine Kleider mit dem Toback einbalsamiret sind. Ich weiß zwar wohl / was der gantzen Stuartis chen Familie daran mißfallen / und wie Jacobus I. dieses wunderthätige Kraut nicht nur allen seinen Bedienten auf das allerschärffste verbothen / sondern auch in einer langen Rede öffentlich herunter gemacht habe. Allein wie schädlich diese Meynung / und das davon genommene Vorurtheil ihm und seinen Nachkommen gewesen sey / hat man sonderlich an dem Exempel Caroli II. gesehen / welcher auf den Schiffe / welches ihn verstohlner weise aus Engeland führen solte / bey dem Rauche der Schiffknechte eine rechte Todes Noth erdulden / und durch den herabfallenden Angst-Schweiß bey nahe selbst mit stillschweigen sagen müssen / daß er ein Printz von dem Königlichen Hause sey / welches vor dieser Panacee Lebens lang einen grossen Abscheu bezeuget habe.[91] Dieses Exempel hat auch vielleicht zu wege gebracht / daß man in nachfolgenden Zeiten bey allen neu auferbaueten Palästen die Camine vor den nöthigsten Zierrath derselben gehalten / und die Mode / so Holland zu erst vor sich allein haben wolte / nunmehr in der gantzen Welt gemein gemacht hat. Wurde der Römische Burgermeister Curius einst dadurch berühmt / daß er sich in dem grösten Flor seiner Stadt / und bey seinen ansehnlichsten Ehren-Aemtern gleichwohl über einer Mahlzeit ertappen ließ / die aus gebratenen Rüben in einer thönernen Schüssel bestunde; warum solten denn die Potentaten der ietzigen Zeit nicht gleiches Lob verdienen / wenn sie ihr Vergnügen in verbrandten Blätten suchen / welche zwar nicht aus thönernen Schüsseln / aber doch aus thönernen Pfeiffen am allerbesten können genossen werden. Bey diesen Pfeiffen giebet es die beste Gelegenheit vielerley gute Gedancken zu hegen / und absonderlich ein Ebenbild des Menschlichen Lebens und der gantzen Eitelkeit sich daraus vorzustellen; Denn diese verschwindet nach und nach wie der Rauch / welcher durch eine Gesellschafft verursachet wird / und sie erfordert anderer Leute Beystand in allen Sachen / gleichwie zu der Vergnügung / so in Rauchen bestehet / gar[92] schwer dürffte zu gelangen seyn / wenn sich nicht Leute finden wolten / von welchen das angenehme Kraut auf dem Felde gebauet / nach diesem aber zubereitet würde / und noch andere welche die darzu gehörigen Instrumenta nebst einem vor Wind und Regen verwahrten Ort verschaffen könnten / und so wohl dieses plaisir ohne grosse Pracht und Weitläuftigkeit erlanget wird / so wohl könten wir auch in andern Dingen am glücklichsten verfahren / wenn ein jeglicher allen Uberfluß vermeiden / und mit dem jenigen / was ihm die Natur in seinem eigenen Lande vorsetzt / zufrieden seyn wolte. Cleopatra hat durch ihr unschätzbares Gast-Gebot zwar das Andencken bey denen Nachkommen erhalten / daß man sie unter dem verschwenderischen Frauenzimmer allemahl zu erst nennet; Allein sie würde ihren Ruhm weit höher gebracht haben / wenn sie die Kosten eines einigen Gerichts zu vielen Mahlzeiten versparet / und sich nicht selbst die Gelegenheit zu einer ordentlichen Freygebigkeit benommen hätte / da sie unordentlicher Weise gar zu freygebig gewesen war. Denn worzu dienet es / daß ich meinen Gästen nicht allein den Magen sondern auch die Augen fülle / und mit der darauf erfolgten Ungesundheit sie vornehmlich erinnere / wie viel Gesundheiten bey mir sind getruncken[93] worden. Wohl dem / der vor allem solchen Uberfluß einen Abscheu bezeuget / und sich vielmehr an den Toback / als eine herrliche Panacée, gewehnet / von deren Trefflichkeit die Artzney-Verständige vielmehr schreiben könten / wo sie nicht befürchten müsten / daß ihre andere Büchsen und Gläser alle verderben würden / wofern die Leute von diesem eintzigen Hülffs-Mittel gnugsame Nachricht erhielten. So viel ist gewiß / daß ein Gelehrter zu mancher herrlichen Erfindung gelanget / wenn er mit einer Hand die Feder / mit der andern die glimmende Pfeiffe hält / ein Hauß Vater bey dieser Erqvickung viel ersparet / der Soldat aber ohne weitläufftige Feld-Apothecken aller Gefahr getrost entgegen gehet /wenn er durch den Degen und die Musqvete den Anfall des Feindes / mit dem Rauche aber die invasion der ungesunden Lufft abzuwenden weiß. Der üble Geruch / welchen man dadurch in die Kleider bekömmt /und der herbe Geschmack sind Einwürffe / so theils vor wollüstige Leute gehören / theils auch nicht so wohl in der That selbst / als in unserer Einbildung ihren Grund haben. Ich kenne viel Leute / welche von den wohlriechenden Blumen kranck worden sind /niemand aber ist mir bekannt / der von dem höchsten Gute / so[94] ich heraus streiche / den Schwindel bekommen hätte / und endlich / wenn Käyser Vespasianus den Geruch von einer weit schlimmern Sache vertragen kunte / weil ihm dieselbe zuträglich und vortheilhafftig war / so wird man mit besserm Rechte an alle Zimmer / die dem allernützlichsten Rauche gewidmet sind / schreiben«:


Lucri ex re qualibet bonus odor


vid. der Welt Urtheile V. Pensée, p. 423. sqq.

Quelle:
Das beliebte und gelobte Kräutlein Toback oder Allerhand auserlesene Historische Merckwürdigkeiten. Chemnitz 1719, [Nachdruck Leipzig 1971], S. 63-95.
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