I.

Der betrogene Krahmer.

[1] In der Welt-bekandten Stadt Amsterdam wohnete ein Krahmer / der allerhand Seiden Wahren / Strümpffe /Hüte und was dazu gehöret / zu kauf hatte. Dieser war so begierig zu handeln / daß kein Fremdling seine Bude vorbey gieng / den er nicht anhielt / und ihn zu Handeln hinein nöhtigte: Er hatte dabey eine solche Einbildung / daß er meinte / kein mensch könte ihn in handeln übersetzen / oder betriegen / gleich wie nun sein Nahme in gantz Niederland bekant war / also kam derselbe auch zu den Ohren eines Lust- und listigen Osterlings (also nennet man der Orthen die Leute / so aus dem Osten von Europa in Holland ankommen) welcher es vor ein geringes achtete / diesem oder jedem durch einen behenden Griff / etwas abzuzwacken. Wie dieser vor die Bude besagten Kauffmans kam / rieff ihn derselbe hinein / und ließ sich mit ihm in einen Discurs ein / fürwendend / er habe ihn vor diesen mehr gesehen / dannenhero setzte er ihm ein Frühstück vor / und wolte ihn dadurch zum Handel verpflichten. Unter dem Essen forschete der Niederländer / ob er nicht ein und anders von Nöhten hette? Ja sprach der Osterling / wann er ihn nicht würde übersetzen / wolte er wohl ein hundert paar Seydene Strümpffe von ihm nehmen. Worauff jener: Ich habe zwar eben nicht so viel parat / aber in einer halben Stunde kan ich sie lieffern. Hiemit war der Frembde zufrieden / und gedachte / es würde sein Profit alhter zu machen stehen. Immittelst sprach er zu seinem Wohltähter: Mein Freund / ich habe in meinen Logiment 2 oder 3 Beutel mit Geld stehen / welche ich dem Haußwirth nicht gar gerne[1] vertrauen will / wollet ihr sie wohl in eure Verwahrung nehmen? Ja gerne / war des Niederländers Antwort / sendet sie nur her / ich will sie woll bewahren. Als gieng der Fremdeling hin / und brachte die Beutel eben zu der Zeit /da der Kauffman die begehrte Zahl der Seydenen Strümpfē parat hatte. Nach dem dieser das Geld empfangen / welches eine Tracht von etwa 1000 Rthalr. zu sein schiene / fragte er diesen angenehmen Gast /ob er auch etwas mehr vor nöhten hette? jener forderte noch dieses und jenes biß er an Wahren bey 1400 Gülden empfangen hatte. Dieselbe ließ er an das Schwollische Schiff bestellen / und gab vor / daß er denselben Abend mit seinem Kauffman Rechnung machen wolte / umb denselben zu bezahlen / und den Rest seines Geldes wieder abzufodern / immittelst aber hatte er in der Stadt noch ein und anderes zu verrichten und sich zur Rückreise parat zu machen. Der Kramer verließ sich auff das Geld / so er in verwahrung hatte / und sagte / daß es mit der bezahlung eben kein Eyl hette / und solle er auch noch ein halb Jahr damit anstehen. Darauf nahmen sie einē höflichen Abschied von einander / unn der Femdling gieng fort denselben Abend stillschweigends mit dem Schwollischen Schiff / von Schwoll aber nahm er einen gantz andern unbekanten Weg / also daß kein Mensch erfahren kunte / wohin er gestoben oder geflogen wäre. Wie er nun etwa 2 Tage ausgeblieben / begunte der Kauffman einige Gedancken zu bekommen / ob es auch recht mit diesem Manne seye / er rahtschlagte mit seiner Frauen / und sie beschlossen / noch eine volle Woche des Frembdlings zu warten / nach deren Verfliessung sie resolvirt waren / das Gericht zu versuchen / das ihm vergönnet sein möchten / das hingesetzet Geld zu besichtigen / und sich davon bezahle zu machen.[2]

Wie nun in derselben Wochen (auch noch in vielen folgenden) der Osterling sich nicht wieder einstellete /gieng der Amsterdammer zu den Herren des Gerichts /und erwiese seine Sache mit Zeugen / wie und von wem er dieses Geld empfangen hette / und was ihm davon zu käm / nach dem Beweiß der angezeichnete Waaren / so er dem Käuffer davor eingehändiget hette. Aber wie verstört, sahe er bey der Nase nieder /als er in den eröffneten Beuteln an statt der Silbernen Thaler und Ducatons nichts anders / als lauter Schwedische Kupferstücke fand / er stund erstarret / und wünschete dem Osterling eine ungesegnete Reise. Er möchte aber fluchen wie er wolte / so muste er selber bekennen / er habe sich seiner Klugheit zu früh gerühmet / und sey von einem Osterling betrogen worden.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 1-3.
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