CIII. Der listige Mörder.

[217] Ohnerachtet die Mörder und Räuber wol wissen / was vor eine Straffe ihnen für behalten sey / kehrete sich doch ein Verruchter Bösewicht in Franckreich gar nichts hieran. Dieser / Nahmens Coufour / war eines Metzgers Sohn von Bontegey in Burgund. Sein Vater wolte ihn anfangs zum Ackerwerck anhalten: Aber wil er innerliche Bewegung spührete / welche ihn zu hohen Dingen antrieben / wolte ihm solches Bauren Wesen nicht schmecken / begabe sich darauf in das Kriegswesen / so / daß er in wenig Jahren / weil er sich tapffer im Kriege verhielte / für den Mannhafftesten Cavallier in Burgund gehalten wurde: Dann er konte sich in alle Ritterliche Ubungen so wol schicken / daß er daher bey vornehmen Herren sehr berühmt wurde.

Endlich aber / als er die beste Zeit seiner Jugend im Krieg zugebracht / bemüheten sich die Edelleut in solcher Gegend / daß ihm eine seine ehrliche Edel Jungfrau des Herrn de Pantel Tochter zur Ehe gegeben wurde.

Coufour hielte sich im Anfang gar bescheiden /wurde von Jedermann hochgehalten / erwarbe auch ein schönes Hauß / bey den Brüdern de Mailly / da er sich aufhielte. Bracht auch durch seine Freunde zuwegen / daß er an den[217] Hoff des Hertzogen aus Lothringen kame / und wurde ein Kriegsmann unter den Herrn von Rocheborn / welcher seiner Compagnie Lieutenant war. Von der Zeit fieng er an aus dem Geschirr zuschlagen: Er wuste alle Gelegenheit / einem den Seckel mit dem Geld zu erhaschen. Und wuste sein Persohn so wol zu spielen / daß unmöglich ihm beyzukommen war.

Dieses kam dem Herrn von Rocheborn zu Ohren /und weil er sich fürchtete / es möchte ihm dergleichen auch wiederfahren / ließ er ihn zu sich forden / nachdem er ihm sein böses Verhalten ernstlich verwiesen /auch vermahnet / hinführo besser zu leben / gibt er ihm seinen Abschied; Als Coufour siehet / daß er so schlecht abgefertiget wird / schmertzet es ihm sehr /und wird so rasend darüber / daß er zwölff leichtfertige Gesellen an sich hänget / und streiffet in Lohtringen hin und wieder / biß an die Franckfurter Pforten.

Unter andern wird von ihm erzehlet / daß / als er auf eine Zeit einen Kauffmann von Pariß auff einen Marckt kommend angetroffen / er umbgekehret und sagte vier seiner Gesellen / sie sollen auf die Lothringische Gräntze in einen Wald sich begeben / und aufwarten: Er aber komt zu einem alten Einsiedler / der in solchem Wald wohnt / und bittet / er wolle ihm seiner Röcke einen leyhen! Der Eindsiedler beschwert sich zwar: Endlich aber / als ihn Carfour überredet /er wolte ihn zu nichts Böses brauchen / leyhet er ihm den Rock.

Hierauf verfügt er sich zu seinen Gesellen / kleidet sich wie ein Einsiedler / befiehlet ihnen / sie sollen an solchem Ort bleiben. Und dieweil er beyläufftig die Zeit wuste / da der Kauffmann solte vorüber reiten /machte er sich an den Weg. Der Kauffmann fraget /wohin er wolle /[218] dann er meinte / es wäre ein einfältiger Einsiedler: Coufour sagt / er komme aus der Stadt / und habe ein Artzt gesucht / der solle kommen zu seinem Mitgesellen / der hundert und funffzehen Jahr alt / jetzt in Todes nöhten liege.

Der Kauffman fraget / wie das zugangen / daß der Einsiedler / der nur von Gemüsen / Wurtzeln und Kräutern gelebet / zu einem so hohen Alter kommen: Coufour schneid wacker auf / daß daher der Kauffmann ein Verlanlangen bekommet / den Einsiedler zu sehen.

Coufour ist froh / daß ihm sein Poß angangen / bittet den Kaufmann / er wolle den alten Einsiedler besuchen / bevorab / weil seine Clauß über 50 Schritt nicht von dem Weg abgelegen: Der Kauffmann folget: Als er dreyßig Schrit in den finstern Wald kombt /wird er von 5 Freybeutern umbgeben / welche mit blossen Degen und Röhren auf ihn zugehen / sagend /Geld oder Blut: Der Kauffmann hierüber bestürtzt /wil sich hinter den vermeinten Einsiedler verbergen /fraget ihn / wo der Weg nach der Clausen sey / dann er nicht glaubt / daß es von dem / der ihn führete /also angestellet wäre. Als Coufour siehet / daß der Kaufmann weit genug von dem Weg / greifft er ihm selbsten nach dem Kopf / wirfft ihn von seinem Pferd / und schweret / wann er nicht den Seckel mit allem Geld gebe / so müst er sterben. Der Kaufman hatte nicht mehr als 100 Cronen bey sich / doch ehe er von dem Marckt gezogen / hatte er bekommen einen Wechsel-Brieff / und solte das Geld zu Pariß empfangen; Coufour siehet / daß ihn seine Hoffnung betrogen / wird darüber so rasend / daß er den Kauffmann todtschlägt: Läst hernach durch einen seiner Gesellen den Rock den Einsiedler wieder einlieffern / und nachdem er das Pferd deß Kauffmans zu Nancy verkauft / verfügt er sich gen Pariß.[219]

Als aber Coufour zu Pariß den Wechselbrieff ihm wil bezahlen lassen / wirfft man einen Argwohn auf ihn / daß er ein Strassenräuber sein müsse: Man fraget ihn / wie er diesen Brieff bekommen / als man siehet / daß er in seinen Reden unbeständig / nimbt man ihn gefangen / der Obrigkeit zu lieffern.

Als Coufour siehet / daß er also verschlossen / wachet ihm sein Gewissen auff / und prediget ihm / daß wann er einmahl in der Obrigkeit Hände komme /werde ihm ein solch Urtheil gesprochen werden / daß er darüber den Kopff werde einbüssen / nimbt ihm vor lieber zum Fenster hinaus zuspringen / und solte er auch den Halß abstürtzen / als des Morgenden Tages erwarten: Zerschneidet darauf in lange Bände /Mantel und Hosen / knüpffet ein Stück an das andere / bindet sich an das Fenster / läst sich in Schlaffhofen hinab / und errettet sein Leben.

Coufour begiebt sich darauff nach Hauß / fänget an sich wie einer vom Adel zu halten / thut ein Larven vor / reitet auff die Beute / und bringet seinem Weib köstliche Sachen heim.

Als nun Krieg im Lande Nivernois war / sahe Coufour / daß solches Gelegenheit für ihn / sein Rauben fort zu setzen / macht daher ihm einē Anhang von Henckermäßigen Gesellen in Hoffnung / ein vornehmes Ampt zu erlangen / begiebet sich zu der Fürstin von Nivernois / und erlanget 400 Pistoletten / eine Compagnie Carabiner zu werben / welche er auch zusammen brachte. Als er aber wolte auff das Schloß Sansoy gehen / eine Befatzung dahin zulegen / befahl ihm Herr de Collange / welcher in Nivernois / General-Lieutenant war / er solte sich mit seiner Compagnie nach Nevers begeben.[220]

Coufour wird ungehalten / daß er soll abziehen: Derhalben fängt er an durch das Land zu streiffen /bedränget das arme Bauersvolck / und ward also mit des andern Schaden sehr reich.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 217-221.
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