CX. Die Spielers-List.

[237] Was vor sonderbahre Griffe die Spieler manchmahl anwenden / einen andern zu hintergehen / Solches kan man nicht gnngsam beschreiben / ich wil ein merckliches Exempel desfalß ein führen. Es reisetenzween falsche Spieler von einem Jahrmarckt zum andern /ihr Brodt durch sothane unredliche Kunst zu erwerben: Der eine gab sich für den Herrn auß / und[237] der ander für dessen Knecht / unter diesem Deckmantel mit mehrer manier in die besten Herbergen zu kommen und zu logiren; Als diese zween gehöret / daß ein Umbgang in Antwerpen solte gehalten werden / und daß ihnen dieses eine gute Gelegenheit seyn wurde /unter so vielen Zulauff des Volcks einigen Gewinn zu machen / so vernahmen sie auch bald unter der Hand in welchem Herbergen am meisten gespielet ward /wie sie nun solches inne worden / begaben sie sich darnach zu / und fragten den Wirth / ob sie nicht auff 5 oder 6 Tage Logiment haben könten / welches ihnen der Wirth gerne verwilligte / indem er aus ihren Kleidern urtheilete / daß er einen vornehmen Herren für sich hätte. Sie waren nicht lange daselbst gewesen /da kamen zwey von den andern allda logirenden Gästen in die Kammer / die bey ihnen einen Antwerpern jungen Gesellen hatten / welche einander zum Karten spiel außgefordet / und giengen an eine Taffel die an dem Ende des Speise-Saals stund / sitzen / und fiengen mit einander zu spielen. Der eine von diesen zween falschen Spielern / nemlich der sich für einen Herrn außgab / fügete sich / als ein Zuschauer mit bey der Taffel / gleichsam das Zusehen des Spiels mit zu genniesen. Sie spielten mit einander etliche Stunden /darinnen sie einander nichts sonderliches / das was zu bedeuten gehabt / abgewonnen / und waren dem Ansehen nach so friedlich mit dem Glück / daß niemand von ihnen die allergerinste Unlust bezeigete. Endlich begunte ihr Spiel zu zunehmen / und das Geld floß wie Ebbe und Flut / bald zu diesem / bald zu jenem /die Feindschafft und Zorn entzündete sich jemehr und mehr / und die Karten stiessen gleichsam als wütende Wellen auß auff einen unter den dreyen / dergestalt daß sie ihn gleichsam zu Wasser schmoltzen / mit Verlust bey 200 Gülden. Der Antwerper / weicher verlohren[238] hatte / versprach den andern Tag wieder zukommen / und wolte wegen seines verlohren Geldes Revenge suchen. Als diese zween falsche Spieler des Nachts / in ihrer Kammer schlaffen gangen / fieng einer an zu dem andern zu sagen; Unser Geld ist bey nahe zum Ende / wie müssen von nun an auch anfangen sparsam zu leben / oder es wird bald umb uns geschehen seyn / denn so es euch beliebt / so wollen wir den Gewinnern mit dem jenigen was uns noch übrig ist / das Ihre sehen abzustreiffen. Dieser Vorschlag wird gut befunden / und sie berahtschlagten sich zusammen / auff was weise der Knecht seinem Herrn seiner Gegenpartey Karte unbermercket solte kund thun / damit sie also des Gewinnens desto mehr versichert wären / ihr Absehen fiel endlich auf die Knöpffe / an des Knechts Wambse / mit Zusammensetzung der Finger / welches als sie es etliche mahl versuchten /so wol verstunden / als die Worte selber. Des folgenden Tages gegen Abend kamen die Spieler ihrer gethanen Zusagen nach wieder in den Saal / und sagten /daß sie das Spiel wieder vor die Hand nehmen woltē. Weilaber der / der des Abends zuvor verlohren hatte /kein Geld hatte zu leihen bekommen können / wolte derselbe auf Credit spielen / so aber die andern nicht thun wollen / und wären also unverrichteter Sache wieder von einander gangen / wo nicht der eine falsche Spieler diese Gelegenheit wargenommen hatte /sagende / meine Herren / weil einer von eurer Gesellschafft nicht / als es euch behagt / spielen kan / hätte ich wol Lust / da es euch nicht zu wieder / desselben Stelle zu vertreten. Damit ihr eures Zwecks nicht verfehlen möchtet / jedoch mit außdrücklicher Protestation / daß es allein zur Lust / nicht aus Begierde geschehe.

Die andern liessen ihnen seinen Vorschlag gefallen / und weil sie sahen / daß er noch sehr jung war / gedachten[239] sie ihn wol balde auff eben die Weise wie den Antwerper zu tractiren. Darauff setzten sie sich an die Taffel / und dieser vermeinte Herr rieff seinen Knecht / daß er ihm eine Parthey Geld herlangen solte / darauf der ander ihm ohngefehr 50 Gülden brachte / welches ihr gantzer Reichthum war / und trat darauf ein wenig zurücke / biß das Spiel angieng / da dann sein Herr ihn wieder rieff / das Liecht zu putzen / und da dieser Gast sich ein wenig übel darüber bezeugte /schalt ihn sein Herr mit diesen Worten auß: Wie Lecker / habt ihr so viel zu thun / daß ihr uns dieses selber thun lassen wollet? bleibt hier / und sehet was zu thun ist; der Knecht schwieg still / und hielt stets die Hand auf der Brust / und sahe seinen Herrn niemahls an / also daß niemand deßwegen einigen Argwohn haben kunte. Gleichwol thät er stummer weise seinem Herrn alles zu wissen / jedoch wolte er die Kunst nicht allezeit gebrauchen / sondern ließ allwege /nachdem sein Herr zwey oder drey Spiel gewonnen /ihn eines verlieren / die andern wieder anzuflammen /und darnach gewan sein Herr doch alles wieder. Kurtz / diese zween falsche Spieler wusten ihre Künste so vorsichtig ins Werck zu stellen / das sie den andern niemahls die Hoffnung benahmen / das verlohrne wieder zu gewinnen / also / daß ob schon die Zeit schlaffen zu gehen / kommen war / sie dennoch nicht geneigt schienen zu seyn / mit ihrem Gelde in Ruhe zu stehen / welches den gar nahe darzu kam / und machte sich dieser vermeynte Herr so fort desselben Meister. Dadurch die andern sich dermassen angereitzet befunden; Daß sie schwuren / des andern Tages Revange deßwegen zu suchen. Wie solches der falsche Spieler hörete / daß noch mehr Vortheil zu machen vorhanden war ließ er die zween andern diesen Abend noch bey 30 Gülden wieder gewinnen / sie also mit diesem Anlocken sie[240] gegen den andern Tag desto mehr anzukörnen; Hiemit schieden sie also von einander / und begaben sich zu ihrer Ruhe.

Des andern Tags kamen sie wieder zum Spiel mit Gelde wol versehen / das sie bey Händen voll auf die Tafel wurffen und sprachen: Courage mein Herr /sehet hier / das ist noch zu euerm besten. Der falsche Spieler antworte ihnen hierauf / meine Herren / wiewol ich so reich nicht bin / so wil dennoch erweisen /daß ich euch nicht weichen wil. Hierauff gieng das Spiel wieder an / und der Knecht stellete sich wieder an seinen vorigen Ort / allezeit mit den Augen auf die Erde sehend / als wenn er in tieffen Gedancken stünde. Es wehrete nicht lange / diese zween gute Herren verlohren über 500 Gülden an Gelde / resolvirten sich auffzuhören / wol sehend / daß sie bey diesem Spielen nicht viell Rente würden legen können. Der falsche Spieler ware hierüber nicht sehr betrübt / weil das Spiel bereits auff sein höchstes kommen war; Sie bezahlten noch den selben Tag ihr Gelach / und giengen gar bald auß der Herberg und aus der Stadt / und spieleten eine Zeitlang wieder des reichen Mannes mit demjenigen / so sie in kurtzer Zeit so gemachlich gewonnen hatte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 237-241.
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