CXXXI. Der listige Sultanin.

[293] Es ist bekant / daß der Türckische Sultan Soliman mit einer Sclavin / hernach aber angenommenen Concubinen erzielet hatte seinen erstgebohrnen Sohn Mustapha / ein Jüngling / der an fürtrefflichen Tugenden blühete / welchen auch der Vater über die Landschafft Amasia setzte; Von der Rossa oder Roxolana aber /einer anderen Sclavin / würden ihm vier Söhne gebohren / nemblich Mahomet / Bajazeth / Selim und Zeangir / der wegen seiner unförmlichen Gestalt / der Pucklichte genant wurde / wie auch eine Tochter / die Chameria geheissen / und an den Rustan / als obersten Bassa verheurahtet war; Diese Rossa wante allen möglichsten Fleiß an / diese ihre Kinder zu dem Recht der Nachfolge und Käyserl. Würde zu bringen /und nahm entlich hierzu einen falschen Schein von der Andacht zu ihrem Vortheil; Sie füget ihrem obersten Geistlichen / nemblich den Mufti zu wissen / was massen sie ihr vorgenommen / zur Ehre Gottes und des Propheten Mahomets / einen Tempel und Spital zu bauen / sie zweiffelte aber / ob solch ihr[293] Vorhaben Gott angenehm seyn möchte oder nicht. Der Muffti antwortet: Sie würde zwar hiermit Gott einen guten und angenehmen Dienst thun / ihr selbsten aber insonderheit keinen Nutzen noch Vortheil damit schaffen / weil sie eine gefangene Sclavin / die durch sich selbst nichtes vermöchte / sondern alles von ihrem Herrn / dem Soliman / und seinen Schätzen muste zu wege bringen: Dannenhero auch alle die Ehre von dieser Sache auff ihn fallen würde. Das verschlagene Weib fing hierauff an ihr Unglück zu beweinen / sich aller Speisen und Geträncks zu enthalten / und endlich von dem Soliman ihre Freyheit inständig zu erbitten / weil nun selbiger gleichsam gegen sie vor Liebe rasete / als entledigte er sie alsobald ihres Sclaventhumbs / und machte sie zu einer freyen Frauen. Sie hingegen ließ den Tempel erbauen / und wolte den Soliman ihr nicht / wie zuvor / mehr beywohnen lassen / ihre von ihm erlangte Freyheit vorschützend. Dann die Türcken dürffen sich wohl mit einer Sclavin / aber mit keiner freyen Frauen / ausser den Ehestand /fleischlich vermischen. In Betrachtung dessen / beschlosse der Käyser / damit sein lieb-erkrancktes Hertz genesen möchte / sie zu ehlichen (wieder die Gewohnheit der Ottomanischen Fürsten / welche sich nicht verheurathen / sondern die schönsten Sclavinnen ihnen allenthalben auffsuchen / und im Constantinopolitanischen Frauen-Zimmer / von den Italiänern Serraglio genand / auffziehen lassen / und hernach ihrer Lust nach belieben mit ihnen pflegen) vermachte ihr auch zur Morgen-Gabe ein Jährliches Einkommen von 5000 Gold-Cronen. Nachdem sie nun sich also erhöhet sahe / trachtete sie auff alle Mittel und Wege ihren Stieff-Sohn den Mustaffa umb den Hals zu bringen / und also ihren Kindern den versperrten Paß zur Cron[294] vollends zu eröffnen. Weil dann selbiger den Janitscharen höchst angenehm ware / als stellte sich die listige Stieff-Mutter umb ihres Eh-Herrn des Solimans Leben gar bekümmert und Sorgfältig an / brachte danenhero in Gegenwarth des Käysers zum öfftern das Exempel Selims vor / der sich unterstanden hätte /seinen Vater Bajazeth (als des Solymans Anherrn) des Reichs zuberauben. Rustan / damit er an diesem Handel auch theil haben / und seiner Schwieger-Mutter fügen möchte / unterliesse auch nicht dem Ärgwöhnischen Alten die Furcht / sein Reich zu verlieren / von Tag zu Tage grösser zu machen. Weil aber Solyman in der Sache etwas langsam verfuhre / auch die Rossa den Mustaffa mit Gifft hinzurichten sich vergeblich bemühete / zeigte sich entlich dem Solyman falsche Brieffe / die von dem Bassa von Amasien / als des Mustaffa Hoffmeistern solten sein geschrieben worden / worin enthalten ware / daß Mustaffa mit dem König von Persien / der Türcken ihrem Haubt Feinde / wegen einer Heuraht mit seiner Tochter / gehandelt hätte. Dieß hielte der Solyman vor ein klares und augenscheinliches Zeichen einer Rebellion / und daß sein Sohn ihm nach dem Reich trachtete / sandte dannenhero Augenblicks den Rustan / unter dem Schein mit den Persianern zu kriegen / nebenst einem hauffen Volcks / umb sich des Mustaffa seiner Persohn zu versichern / und ihn dem Vater zu lieffern. Weil aber solcher Betrug wegen des Mustaffa allzugrosser Gewalt nichts verfienge / also reiste Solyman selbst dahin / welcher seinen Sohn durch Schreiben zu sich ins Läger forderte. Ob nun gleich Mustaffa durch den Achmet Bassa treulich abgerahten und gewarnet wurde / nicht zu erscheinen / sondern der bevorstehenden Gefahr zu entfliehen / wurde er doch durch das Gewissen seiner Unschuld angetrieben / sich[295] nebenst seinem Kriegs-Herr vor dem Vater zustellen /bey seiner Ankunfft zogen ihm alle Janitscharen entgegen / und empfiengen ihn mit grosser Ehrerbietigkeit. Welches durch betriegliche List des Rustans zugleich also angestifftet / umb dadurch den Mustaffa bey seinem Vater destomehr in Argwohn zubringen /massen die Füher der Saldatesca / wiewol nicht mit Worten / jedoch mit zuwincken / von ihnen darzu bewogen waren. In der dritten Nacht vor seiner Abreise dauchte dem Mustaffa im Schlaff / einen Propheten in weißgläntzenden Kleidern zusehen / der ihn bey der Hand faste / und in einem lustigen Hoff führte / darin ein trefflicher Pallast aufgerichtet stunde / mit anmuhtigen Baum-Gärten und andern Lustbahrkeiten umbringt. Allhier (sprach / seines Bedünckens / der alte Mann) haben die reinen Seelen ihren Wohnplatz / die in ihrem Leben einen Abscheu für Blutstürtzung und Sünden gehabt / und geniessen also der ewigen Glückseeligkeit! Gleichermassen zeigte er ihm die Bösen und Gottlosen / welche in betrübten Pech-Flüssen getaucht / herumb gewältzet / auf und nieder getrieben / und entlich ersticket wurden / welcher Traum seine Begleitere nicht wenig erschrecket. Er aber sagte voller Großmühtigkeit / er muste seinem Vater gehorsahmen / wurde auch in diesem seinem Vorhaben trefflich gestärcket / als er seinen Lehrmeister also reden hörte / es sey ein ehrlicher Todt / eine Thür zum ewigen Leben / und dannenhero der Herzligkeit der gantzen Welt weit vorzuziehen. Der gute Mustaffa gienge also gantz weiß bekleidet allein in seines Vaters Gezelt / daselbst / ehe er noch dem Solyman zu Gesichte kame / er von sieben Stummen / welche ohne unterlaß vor des Käysers Thron stehen / und sein Wincken beobachten / ungehörter Sache ergriffen worden. Diese bemüheten sich nun / ihm den Stricke umb[296] den Hals zuwerffen / er wehrte sich aber Mannlich / als ein Mensch sehr starckes gerades Leibes und tapfferes Gemühts; Ja kämpffte mit seinen Mördern so gewaltig / als stünde nicht nur sein Leben / sondern das gantze Käyserthumb auf dem Spiel. Solyman / welcher in demselben Gezelte nur durch eine Tapezerey von dem Mordplatz abgeschieden ware / merckte / daß es schwer daher / und nicht von statten gehen wolte / risse derohalben den Vorhang hinweg / gabe den Stummen einen grimmigen Blick / drohete und verwiß ihnen / mit feurig brennenden Augen und Abscheulichen Gebärden / ihre Zagheit. Hierauff fasseten die Stumme Bösewichter ein frisches / oder vielmehr rasendes Hertz / fielen den Mustaffa aufs neue an /und unangesehen er erbärmlich bate / man möchte ihm doch verstatten / seinen Vater eins zusprechen /warffen sie ihn doch unter die Füsse / und erwürgtē ihn mit dem Strick. Als der Todt des Mustaffa ware kund gemachet worden / liesse sichs mit den Janitscharen zu einem grausahmen Aufflauff an / als welche im Grim vor das Gezelt des Solymans kahmen /und umb Rach des unschuldig vergossenen Bluts anhielten: Daß der Käyser genug zuschaffen hatte / sie zu überreden / daß sie nur so lange sich gedulden wolten / biß er würde zu Aleppo angekommen sein /daselbst wolte er die gantze Sache auf das fleißigste Untersuchen / und die Schuldig befundenen mit ernster Straffe belegen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 293-297.
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