CXXXIII. Der eingebildete Paradieß.

[299] Im Königreich Persien hatte der Tyran Aloadim / insgemein der Alte vom Gebirg genant / die Landschafft Muleta eingenommen / und viel Mörderisches Gesind (ins Gemein die Assasiner genand) an sich gezogen /sie auch / vermittelst einer sonderbahren List zu allem Frevel auffgemuntert und angefrischet. Es lag in seiner Landschafft ein überauß lustreiches Thal / mit trefflich-hochsteigenden Berg-Hügeln bezäunet / in demselben liesse er ein wunder-schönes Paradieß /(deßgleichen der Gottlose Lügen-Prophet Mahomet seinen Nachfolgern versprochen hatte /) anrichten. Der Eingang zu diesem Lust-Orth / war mit einem sehr besten Schlosse verwahret / daß also niemand in solches Paradieß / als dardurch / gelangen konte. Unterdessen gab er vor / er habe die Schlüssel zum Mahometischen Paradieß wans ihme nun beliebte / einem unn dem andern solches zu erkennen zu geben / einem solchen gab er einen starcken Schlaff-Trunck / und ließ sie also in solchen Lust-Garten tragen. Alß sie hernach /[299] nach außgewürckten Schlaff-Trunck erwachten / um sich mitten unter solchen Lieblichkeiten gleichsam in den Schoß aller Wollüste versetzet sahen / meinten sie nicht anders / dann in dem Mahomets Paradieß zu sein. Nach wenigen Tagen der genossenen Ergötzlichkeit / ließ er ihnen den vorigen Tranck wieder bey und sie damit / wann sie eingeschlaffen / aus dem Garten bringen. Nachdem nun der Schlaff auß den Augen und die grosse Freude ins Gedächtnüß kame / betraureten sie hefftig derer Verlierung / und wündscheten nichts anders / als den Todt /umb solche Ergetzlichkeit dardurch zu erlangen. Darauff stelte sich Aloadim als ein Gottes Prophet / und tröstete sie / versprechende / wo sie vor ihn und in seinem Gehorsam unerschrocken sterben würden / ob man ihnen gleich den Todt würde anthun / solten sie solcher Freude nicht auff eine kurtze Zeit / sondern auff Ewig theilhafftig leben. Jene versprachen alles außzustehen / umb die Erstrebung einer solchen Seligkeit / und sind auch redlich ihrer Zusage nachgekommen / als sie / wie gantz verzweiffelte Lebens-Verrähter / auff des Tyrannen Geheiß / im Lande wüteten / und ihrer Gewaltthätigkeit kein Mensch zu widerstehen vermöchte. Aloadim brachte zwar durch solche List viel Landschafften unter seine Bottmässigkeit / doch genaß er sie nicht allzu lange / indem der Tartar König Allau im Jahr Christi 1262 mit einer grossen Kriegs-Macht sich solchen Nachbahrs wolte befreyen / und nach dreyjähriger Belägerung diesen Tyrannen mit Hunger zwang sich zu ergeben / dan mit seiner gantzen Mordschaar umbgebracht / und das vermeinte Paradieß zerstöret wurde.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 299-300.
Lizenz:
Kategorien: