CXLI. Die listige [308] Semiramis.

Semiramis ware zuerst eines Königlichen Leibeigene Magd und Beyschläfferin. Weil aber einsmahls der Assyrische König Ninus sie ohngefehr erblickte / und durch ihre anmuhtige Gestalt und Höfflichkeit gantz und gar eingenommen wurde / nahme er sie so fort zu sich / und liebte sie Hertzinbrünstig. Durch dieses Mittel nahme sie sein Gemüth nach und nach dermassen ein / daß sie alles dasjenige / was sie nur vom König begehrte und verlangte / ohn einige abschlägige Antwort überkame und erlangte: Einsmahls nun sagte sie zum König / sie hätte ein sehr grosses Verlangen nach etwas / worüber sie sich höchlich erfreuen würde / wo es ihr könte zu Theil werden. Der König gab ihr hierauff zur Antwort / sie solte nur kecklich andeuten / was es wäre / daß sie so inständig begehrte / es solte ihr gar willig willfahret werden. Ich verlange / sprach sie / nur einen Tag auff deinem Königlichen Thron zu[308] sitzen / und Gericht zu heegen /auch solchen gantzen Tag über alles / wie du zu herschen und zu gebieten. Der König lachte hierüber /und willigte ohne ferneres Gedancken in ihr Begehren. Liesse auch fort Befehl ergehen / daß alle und jede Assyrier an einem bestumbten Tag der Semiramidi gehorchen solten. Sie hatte sich kaum auff den Thron gesetzet / da gebothe sie etliche geringe Dinge /umb zu versuchen / ob man ihr auch Gehorsahm leisten wurde. Und weil sie sahe / daß ihr alles und jedes ohne Säumnüß zu Geboth stunde / da befahle sie den Königlichen Leib-Trabanten / ihren König gefangen zu nehmen / zu binden und zu erwürgen / welches alles ohne einiges Wiedersprechen gethan / und ins Werck gerichtet wurde. Also hat die Herschung dieses einigen Tages ihr eine langwierige Beherschung zu wegen gebracht.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 308-309.
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