CXLVI. Der falsche Bischoff.

[315] Im Jahr Christi 904 / als es in Italien ziemlich ruhig außsahe / hielte sich Ludwig / Bosons Sohn / mit seinem Kriegs-Heer zu Veronn auff / und dachte nicht viel dahin / wie es künfftig ergehen möchte / fürchtete sich auch im Geringsten nicht vor heimlichen Betrügereyen und Rach. Daselbst redete ihn Adelard / der Papiensische Bischoff (der es heimlich mit Berengario hielte / welcher in Italien feindlicher Weise gefallen war) einsmahls / mit betrüglichen und falschen Worten auff diese Weise an: Nunmehr hat Eure Königl. Mayst (dero Persohn und Reich der Allerhöchste noch ferner segnen wolle /) dasjenige erlanget[315] / was wir ins gesampt vor vielen Jahren / mit vielen Aechzen und Seufftzen hertzbrünstig verlanget. Sie besitzen gantz Italien / ohne einigen Feind / in guten Fried und Ruhe-Stand. Berengarius ziehet ja itzo immer im Elend herumb / ist allenthalben eingeschlossen / hat an allen Dingen grossen Mangel / wird itzo so wenig gefürchtet / als sehr er vor diesē verhasset gewesen. Eure Majestätt hochpreißliche Tugend verdienet von jederman geliebet zu werden: Wir dancken dem Himmel / daß er uns einen solchen König gegeben / der sich über unsere Freyheit erfreuet / mit Gütigkeit und Sanfftmuth das Reich verwaltet / und danenhero von den Unterthanen geliebet / von den Außländern aber höchlich gefürchtet wird. Dieses weis Eure M. gantze Völckerschafft nur alzuwohl / daß man sie nicht begehrt als Knechte zu bezwingen / sondern als Bürger zu regieren / und ihnen ins gesampt eine ewige Freyheit zu verschaffen. Eure Mayst. versichern sich / daß uns unsere Natur-Arth eingebe / Sie / als einen trefflichen Fürsten zu lieben / und diejenigen Tugenden hoch zu achten / welche Freude und Liebe gebähren. Sie haben ja verhoffentlich nunmehr zur gnüge erfahren / wie die Stände gegen dero Persohn gesinnet seyn / wie auffrichtig sie von dero Bürgerschafft geliebet und verehret werden. Eure Myst. haben ja die fröliche Zuruffung des Pöbels vernommen / welche nichts betrügliches in sich halten; Sie haben ja gehöret die Freuden-Bezeugungen / welche nicht aus falschem Hertzen haben kommen können / sondern vielmehr auß gottseliger Inbrunst herfür gequollen / daß man sich also kecklich darauff zu verlassen; Dann niemand wird jemahls von einer getreuern Wacht umbgeben /als wann ihme das Volck günstig ist / welches sich umb seinent willen selbst nicht fürchtet / sondern nur umb seinen Fürsten sich bekümmert[316] erzeiget. Wann ich sagen darff / wie ichs meine / und wie es mir von Hertzen gehet / so kan ich warhafftig nicht anders sagen / als das Eure Mayst. doppelt versichert sey: Einmahl / weil sie von den tapffersten Leuten umbgeben werden / und dann / weil sie niemand haben / für dem sie sich fürchten dürffen. Eins ist noch / daß ich in etwas verzagt doch ohne falsch hervor bringe / daß nemblich Eure Mayst. künfftig keines Kriegs-Heers mehr bedürffig sey / weil niemand vorhanden / den sie überwinden können / auch niemand überwunden ist /der sich nicht freuen solte überwunden zu seyn. Wann Eure Mayst. diese Wolthat ihrer angebohrenen Gutthätigkeit beyfügen wolte / daß weder die Bürger noch Bauren mit Einquartirungen beschweret / noch der Adel allzusehr möchte gepresset werden / so würden alle und jede sie nicht allein als ihren König / sondern noch über das / als einen von Himmel kommenden Gott verehren. Ob nicht dieses alles dero Tugend und Majest. trefflich wohl anstehe / lasse ich sie selbst /nach dero beywohnenden hohen Weißheit urtheilen. In Warheit / daß Volck wäre wohl einmahl / nach so viele außgestandenen Kriegs-Troubelen / einer angenehmen Erleichterung und Ruhe benöthiget / so könte auch der von vielfältig angewendeten Kriegs Unkosten ziemlich erschöpffete Schatz nicht besser wiederumb bereichert werden / als wann man die Soldaten abdanckte / und also den hohen Sold ersparete. Diesen Süßschmeichlenden Worten trauete dazumahls Ludwig mehr als zu viel / sprach die Soldaten ihres Eyds quit / und liesse einen jeden gehen / wohin er wolte / daß also alles und jedes Kriegs-Volck in kurtzer Zeit abgedancket würde. Adelard feyerte hierauff nicht lange / sondern that solches nebenst seinen anderen Mitverschwornen dem Berengario durch heimlich Botten zu wissen / unn liessen ihn[317] instendig ersuchen / er solte sich nicht säumen / das bevorstehende und ihm gleichsahm winckende Glück mit beyden Händen zuergreiffen. So bald Berengarius die Meinung dieser seiner Clienten verstanden / verfügte er sich aus Bäyerland (wohin er von Ludwigs Waffen wäre vertrieben worden) wieder in Italien / gelangte bey der Nacht in aller Stille zu Verona an / (als welcher Stadt er sich am meisten vertrauete /) machte etliche ihme wolbekante tapffere Männer / die dem Ludwig Spinnenfeind wahren / bewaffnet / kame mit denselben bey anbrechendem Tage in das Schloß / und verfolgte den Ludwig / der in St. Peters Haupt-Kirche geflohen ware / bekame ihn endlich gefangen / liesse ihm die Augen ausstechen / und erlangte also / mit geneigtem Willen der Italiäner / die so lange verlangte Krone.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 315-318.
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