CLVI. Der sich selbst verahtende Buhler.

[344] Ein Edelman auß dem Lande von Mayne / reysete nach Paris / seinen Proceß / daran ihm viel gelegen /zu treiben / und hatte hundert Pistolen die Gerichts-Kosten zu bezahlen / mit sich angenommen. Wie ihm nun sein Advocat angedeutet / daß sein Proceß auff gutem Weg stünde / und er nur des endlichen Außspruchs von dem Parlament erwarten müste / entschloß dieser Edelmann / sich so lange biß auff den Erfolg zu gedulden. Es begab sich aber / als er einsmahls mit einem guten Freund durch die St. Martins Gassen gegangen / daß eine sehr schöne Dame / so sich erst kürtzlich an einen Hoff-Bedienten verheurahtet / ersehen / und nachdem er sie wohl besichtiget /und[344] mit allem Fleiß betrachtet / hat er sich / wegen ihrer fürtrefflichen Schönheit gantz in sie verliebt /also / daß er zu dem / so mit ihm gegangen / sagte: Ich wolte gerne meine hundert Duplonen darumb geben / wann ich das Glück hätte / ihrer nur eine Stund zu geniessen. Die Dame / so ihre Augen hin und wieder schiessen / und ihre Ohren wohl spitzen kunte / als sie diese Worte gehöret / ließ ihr dieselbe nicht umbsonst gesagt seyn / sondern befahl ihrer Cammer-Magd / daß sie diesem Edelmann / biß in sein Logament nachgehē / und sich / wer er wäre / erkundigen solte. Die Cammer-Magt / so ihrer Frauen eine Kurtzweil machen wolte / unterließ nicht / ihren Befehl zu volziehen. Weil sie aber befürchtete / es möchte dieser Gelbschnabel entgehen / wartete sie /biß er kaum halben Wegs gangen / sondern / so bald sein Gespan sich von ihm geschieden / machte sie ihm eine tieffe Reverentz / und sagte zu ihm: Mein Herr /er verzeihe nur meine Grobheit / daß ich mich der Künheit unterfange / ihn wegen einer schönen Damen / die gern ein Wort mit ihm reden wolte / ihm zu grüssen. Der Edelmann wuste nicht / wie er solches verstehen solte / weil er weder der Cammer-Magd / noch ihrer Frauen Kundschafft hatte / jedoch machte er nicht viel Wesens / sondern sagte zu ihr / daß er ihr folgen wolte / wie er nun in ihrem Logiment kommen / stelte sich die Dame / die sich mehr in seine hundert Duplonen / als in seine schöne Gestalt verliebet hatte / bey ihm ein / und sagte ihm mit kurtzen Worten /was sie bewogen / ihn zu ihr kommen zu lassen. Der Edelmann nahm dieses an für bekand / und machte nicht viel Wort / wohlwissend / daß in dergleichen Begebenheit dieselbige überflüssig wären: Nichts destoweniger wolte diese Dame / die ein grosses Gefallen an kurtzweiligem Gespräch hatte / ihm zuvor eines über den Achsel geben / und den Fuchs-Schwantz Brichen. Es waren aber alle diese Discursen nichts[345] anders / als eine Anleitung / sich in den Venus Wald einzustellen / und kleine Funcken / das Feuer seiner unkeuschen Lieb anzuzünden. Endlich wurden sie nach wenigem Gespräch / des Handels einig / und büsseten ihren Lust mit einander / dergestalt / daß indeme dieser Frauen Mann eines vornehmen Herrn Sachen für Gericht führte / sie unterdessen das ihrige zum Besten gab. Nachdem aber der besagte Hoff-Bediente dasjenige / was er begehrt erhalten / fuhr er wieder nach Hauß / da ich dann euch selbsten zu bedencken gebe / ob diese seine Ankunfft nicht in dem Hauß Lermen gemacht / und diesen verliebten / so erst von dem Treffen auffgestanden waren / den Compaß trefflich verrächtet habe / die Frau / so in diesen Sachen sehr wohl verschlagen war / und sich befürchtete / der Handel möchte offenbahr werden / verbarg ihren Buhler in eine Kleider-Kammer / und gieng gantz unvermerckt hinunter in den Saal / alwo er ihrer zu Mittag zu essen wartete / da sie dann / als sie eine Weile zu Tisch gesessen / und allerhand mit einander geredt / sich stellete / als hätte sie den Durchlauff /damit sie Ursach haben möchte / zu ihrem Buhler zu gehen / welcher dann sehr ungedültig war / umb zu wissen / was vorgieng / trieben also den Handel drey oder vier mahl noch unter währender Mahlzeit. Ihr Mann / so ihm nichts böses traumen ließ / glaubt gäntzlich / sie wäre unpäßlich / befahl derohalben /sie solte sich zu Bett legen / setzte sich hierauff in seine Carrosse etliche gute Freunde zu besuchen; er war aber kaum hinweg / so fingen unsere zwey Liebhabende ihr Liebe Spiel von neuen an / und vertrieben die Zeit nach allen ihren Wolgefallen. Der Edelmann /so sich die Gedancken machte / er möchte gar in dem Garn hangen bleiben / nahm von der Frauen seinen Abschied / und gab ihr den Beutel mit den hundert Duplonen / so er ihr[346] versprochen / wiewohl es ihn etwas gereuet / weil ihm gar wenig auff seine Reiß /die er nothwendig nach Hauß / mehr Geld / zu Verfolgung seines Proceß / zu holen / thun müste / überblieben. Wenig Zeit hernach begab sichs / daß dieser Frauen Mann von Hoff eine Commission bekommen /in das Land von Mayne zu reisen / und daselbst einem falschen Müntzer seinen Proceß machen zu helffen /wegen des bösen Wetters aber / so unterwegs eingefallen / ward er gezwungen / seine Einkehr bey diesem von Adel zu nehmen / welcher ihn als einen ansehnlichen Mann höfflich empfing / und ihm alle Ehre bewiese. Wie sie nun in währendem Nachtessen sich in allerhand Gespräch eingelassen / erzehlte ihm unter andern der Edelmann / welcher Gestalt er wegen seines Processes nach Pariß verreiset / und zu Bezahlung der Gerichts-Kosten hundert Duplonen mit sich genommen / er hätte sich aber / als er etliche Tage da gewest / in eine sehr schöne junge Frau verliebt /deren er die hundert Duplonen gegeben / umb bey ihr zu schlaffen. Dieser Hoff-Bediente / so gern wissen wolte / wer sie gewesen / bath dem Edelman ihm zu sagen / wo sie wohnete / und ob er nicht Gelegenheit gehabt in ihr Hauß zu kommen. Der Edelmann wolte erstlich mit der Sprach nicht herauß / jedoch / als ihn dieser so inständig gebeten / beschriebe er ihm die Gelegenheit seines Hauses / und erzehlte ihm zugleich alles / was zwischen ihnen geheimes vorgangen. Uber diesem Discurs war dieser Mann überauß bestürtzt /und wuste nicht / wie er sich stellen solte / weil er auß diesen Merckmahlen leicht erachten konte / daß es niemand anders als seine Frau gewesen / jedoch ließ er sichs nicht mercken / sondern sagte zu diesem Edelmann gantz höfflich: Mein Herz / ich halte mirs für ein Glück / daß ich die Ehr gehabt / mit euch bekand zu werden / und wann es die Gelegenheit geben wird / euch[347] zu dienen / will ichs von Hertzen gerne thun: Euren Proces / den ihr bey Hoff habt / betreffend / bin ich erbietig / demselben zu sollicitiren und zu machen / daß ihr ihn gewinnet. Der Edelmann nahm diesen guten Willen für bekand an / und bedanckete sich deßwegen mit Versicherung / daß / so bald er nach Paris kommen würde / er nicht unterlassen wolte / ihn zu besuchen. Unterdessen nahm dieser Hoff Bediente gute Nacht / umb sich schlaffen zu legen / da man dann nicht fragen darff / ob ihm nicht die Grillen die gantze Nacht im Kopff gestiegen. Des andern Tages verreisete er in aller frühe / seine Geschäffte zu verrichten / und nachdem solches geschehen / begab er sich wieder nach Hauß: Als er daselbst ankommen / thät er als ob er im geringsten etwas wüste. Der Edelmann / so nicht weniger Verlangen hatte / nach Paries zu kommen / als der Advocat /damit er ihm zuvor kommen möchte / eilte was er könte / und wie er daselbstē angelangt / erkündigte er sich / wie es mit seinem Proces stünde / und wie er von seinem Advocatē vernommen / daß das Parlament diese Tag zusammen kommen würde / unterließ er nicht sich in dem Pallast einzustellen / weil aber dasselbe nach der ersten Audientz von einander gangen /muste er unverrichteter Sache abziehen / im hinaußgehen aber traff er diesen Hoff-Bedienten an / welcher sich seines Versprechens loß zu machen / und die ihm erwiesene Ehr zu verschulden / ihn zu sich zum Mittag-essen lude. Der Edelmann wolte ihme solches nicht abschlagen / sondern setzte sich in seine Carosse / und fuhr mit ihm heim: So bald sie abgestiegen /führte ihn der Hoff-Bediente in einen Saal / wo das Mittag-Mahl fertig stunde. Der nun hefftig darüber erschrocken / das war mein guter Edelmann / alß er das Hauß erkandte. Ander Theils / ward die Frau / so umb dieses Geheimnüß[348] im geringsten nichts wuste / nicht weniger bestürtzt / als sie ihren Bettschelmen sahe /daß man wohl hätte vermeinen sollen / sie wären zu Marmorsteinen Bilder werden. Unterdessen gab ihr Mann auff all seiner Frauen Thun und Wesen gantz genaue acht / und befand / daß alles so gezwungen /daß er an der Warheit seiner Hörner gar nicht zweiffeln dörffte. Nachdem sie Hand-Wasser genommen /setzten sie sich zu Tisch / da kann der Edelmann und diese junge Frau einander ansahen / wie zween Hunde / die an einem Bein nagen. Wie nun das Confect auffgetragen worden / befahl der Mann seiner Frauen /einen grünen sammeten Beutel zu holen / in welchem er 100 Duplonen hätte / allermassen er ihm von dem Edelmann beschrieben worden. Diese Wort trieben alsobald der Frauen eine Röthe auß / welche solches läugnen wolte / und zu ihrem Mann sagte / sie wüste nicht / was er damit meinete; der Mann aber beharte auff seinem Befehl / und drohete ihr / denselben selber zu suchen / wann sie ihn nicht bringen wolte. Wie sie nun vermerckte / daß der Ehebruch offenbahr worden / gieng sie in ihr Gemach und brachte ihn. Der Edelmann / welcher wohl wuste / wo dieses gantze Geheimnüß hinauß wolte / wündschete weit von dannen zu seyn. So bald nun der Beutel gebracht worden / wolte er sehen / ob auch die Zahl noch gantz wäre /und ob nichts daran mangelte / und wie er alles richtig befunden / gab er der Cammer-Magd / so zu diesem Handel geholffen / eine Doplon / dieselbe wechseln zu lassen als sie mit der Müntz wieder kommen / gab ihr der Mann zween Ortsthaler davon / und sagte zu ihr: Nehmet sie hin / Frau Kuplerin / dieses ist für eure Mühe: Das übrige Geld theilete er unter die andern Diener im Hauß auß / damit ein jeder von diesem Bissen geniessen möchte. Hierauff zoge er noch eine Duplone[349] auß dem Beutel herauß / und gab sie seiner Frauen mit diesen Worten: dieses ist euer Huren-Lohn / dann es ist nicht billig / daß man die Sach umbsonst thut. Endlich stellete er den Beutel mit den acht und neuntzig Duplonen dem Edelmann wieder zu / und bat ihn / daß er den Handel nicht außbreiten wolte /welches er auch zu thun versprochen. Euch nun alles dasjenige zu erzehlen / was bey dieser Geschicht / bey und nach dem Essen vorgangen / würde eine gantze Histori darauß werden / und könnet ihr euch die Sach selber wohl einbilden.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 344-350.
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