CLX. Das listige Kenn-Zeichen.

[357] Zu Burgos in Hispanien haben bey Manns Gedencken gelebet zween Vornehme von Adel / Nahmens Diego von Carriatzo und Juan von Avendano / der Erste hat seinem Sohn seinen Nahmen gegeben / der andre hatte auch einen Sohn und ihn Thomas von Avendano genennet. Von diesen beeden folgen diese Erzehlungen / und wollen wir sie nur mit dem Vornahmen Diego und Thomas vorstellen. Diego gesellte sich zu böser Gesellschafft / Beutelschneidern / Sayl-Tantzern / Taschenspieler / Spitzbuben und dergleichen Bürschlein / die in allerhand Künste mit Karten und Würffeln (darvon die Rähtsel gehandelt) gelehret /und ihn heimlicher Weise von Burgos mit sich geführet. Diese Pilgram des Wein-Planeten Bacchi reisten in ihrer Wolfarth in den Schiffhäfen und grossen Städten herumb / und Diego verstunde alle Taschen Spielerey so meisterlich / daß er Magister in diesen Freyen-Künsten seyn / und andre Neulinge unterrichten könte. Spielen und Beutelschneiden / ist ein freye Handwerck: So bald die Arbeit verrichtet / hat man das bahre Geld in den Händen / aber das Meisterstück kombt letzlich an den Galgen. Das Glück in dem Würffel-Spiel war ihme einst so günstig / daß er sechshundert Realen gewann / mit welchem er von seinen Gesellen Abschied nahme / seine Befreunde zu besuchen mit Versprechen / auff künfftigen Frühling wieder zu kommen. Zu Hause fande er seinen Vater in gutem Zustande / und erzehlte von fernen Orthen weit gelegene Lügen / mit Verwunderung aller / die ihn hörten / unter welchen auch Thomas sein vertrauter Freund und Bruder[358] war. Als der Winter vorüber / und mit allerhand Kurtzweil durch gebracht ware / verlangte Diego seinen Worten folge zu leisten / und er zehlte Thoma / in was für einem Fürstl. Freyart-Stande er gewesen / und daß er wieder dahin zu reisen gewillet / Thomas verspricht sich ihm zu einen Gefährten jedoch mit Vorwand nach Salamanka den Weg zu nehmen / und aldar zu studieren / welches dan beederseits Eltern wohl zu frieden / und gaben ihnen einen verständigen Hoff-Meister nahmens Petro Alfonso zu / der über diese zween Jüngelinge Auffsicht haben /und sie zu dem Studiren antreiben solte / wurden ihnen auch vierhundert Cronen zu einer Zehrung mit gegeben. Alß nun diese nach Valladolid kamen / wolten sie den berühmten Brunnen Argales / etliche Stunde darvon gelegen / besehen / und der Hoff-Meister wolte nicht mit reiten / welches ihnen sehr lieb / nahmen deßwegen das Geld alles zu sich / und senden unterwegs ihren Diener wiederumb zurücke / mit einem Brieff an ihren Hoff Meister / des Begriffs er solte sich wegen ihrer nicht länger auffhalten / weil sie entschlossen / die Bücher mit den Waffen zu vertauschen / und in Niderländischen Kriege sich zu versuchen. Mit diese Erklärung muste Alfonso wider nach Hause ziehen / und wuste keinen Raht wie diese noch widerumb einzuholen. Auff dem Weg nach Madrid begegneten sie zween Esel-Treibern / deren der eine anfing die schöne Dienstmagd in dem Wirtshauß / Sevilla genant / zu loben; Sie hat ein Angesicht /sagt er / wie Ostern / ein paar Wangen / wie man die gute Zeit mahlet / ihr Hals / fuhre er fort / ist weiß und glat wie ein Warmer / aber ihre Worte sind rauch / wie Brennesiel; Viel Fremde bleiben Jahr und Tage in dem Wirthshause / diese Magd nur anzuschauen. Sie wäre zu einer Ertzbischoffin schön genug / und solte sich der Priester Johan[359] in sie verlieben / etc. Thomas fassete dieses zu Ohren und trug grosses Verlangen diese schöne Constantiam / also nente man die Magd / zu sehen / eilete deßwegen dem Esel-Treiber vorzukommen / und als sie ihme zu Gesichte kame /muste bekennen / daß er dergleichen Schönheit noch nie gesehen / suchte derowegen Gelegenheit / sich in dem Wirtshauß aufzuhaltē / und versprache sich auch endlich für ein Hauß-Knecht zu dienen. Des Stadthalters zu Toledo Sohn hatte sich auch in diese Constantiam verliebt / und brachte ihr fast alle Nächte eine Music mit Lob-Gedichte / auff ihren Nahmen gerichtet / sie aber wolte solches nicht einmahl hören / sondern hielte sich so bescheidentlich und stille / daß man wohl sahe / daß es keine gemeine Dirne. Sie fragte Thomam / wessen Diener er wäre / weil er als ein angehender Lotterbub sehr schlecht aufzoge: Er antwortete / daß er niemands Diener als der ihrige; Sie versetzte / ihm den Rücken wendent: Die Dirnē /wie ich / bedörffen keine Diener. Diego kauffte inzwischen einen Esel zum Wassertragen / und wurde von einem Ziegeuner betrogen / der ihm einen verkauffte /welcher einen angeneheten Schwantz hatte / zu Nacht denselben wieder stohle / und den andern Tag (weil er zuvor gesagt / er hätte noch einen gleicher Haare) wieder zu Marckt führte. Diese zween verblieben noch eine Zeitlang in dem Wirtshauß / weil Thomas die Liebes Pestilentz gerühret / und auß solchem Trieb schriebe er in sein Buch / in welchem er Rechnung über den Habern führte / folgende Reimzelen /nach Spanischer Arth.


1.

Wer macht ihm die Lieb zu eigen? Der kan schweigen. Was macht von der Liebe scheiden? Stetig Leiden. Was würckt Lieb in unsern Hertzen? Freud und Schmertzen. Also hab ich noch zu hoffen / Daß die[360] Liebe mir steh offen / weil ich schweig und leide Schmertzen.


2.

Wordurch kan die Lieb erkaltē? Durch Verwalten. Was bringt in der Liebe Schaden? Unbegnaden. Was kan Haß und Liebe machen? Treu verlachen. Eh die Flügel schnellen Zeiten / Zu des Alters Ungnad leiten / Solt ich meiner Treu nicht lachen.


3.

Sonnenschein nach Ungewitter / Süß nach bitter. Hoffnung bringet nach bereuen / Das Erfreuen / Und so manches Liebes-Plagen / Bringt behagen. Woll Constantia wird sehen! Das mein bitter Liebes-Flehen / Bringt Erfreuen und Behagen.

Der Wirth lieset dieses / und befragt Constantiam /ob Thomas (der sich Peter genenet) in sie verliebt? Indeme sie aber antworten wil / kompt der Stadhalter /und fragt nach der Magd / in welche sein Sohn verliebt / und als er sie anschauet / ließ ersich bedüncken / daß er nicht übel gesehen / und fragte den Wirth / ob sie ihm verwant / oder wo sie hergekommen? Der Wirth erzehlet / daß ungefehr vor 16 Jahren eine vorneme Frau bey ihm eingekehrt / welche die Constantiam in seinem Hause gebohren / und bey ihrer Abreise solche sampt einer güldenen Ketten / in welcher etliche Glieder mangelten / wie auch einen Zettel mit etlichen Buchstaben hinterlassen / und ihm 600 Kronen verehret / mit bitte er solle sie als sein Kind aufferziehen: Habe ihm auch vor 6 Jahren 400 Kronen zugesendet / zu ihrem Unterhalt. Wer aber solche Frau gewesen oder noch sey / könne er nicht wissen. Indem sie mit einander reden / und der Stadhalter die Schrifft mit diesen Buchstaben D.s.s.d.s.c.h.e.e.c.c. zu sich nimmet / führete man den Diego gefangen daher / mit Beklagen /[361] daß er einen Jungen / welcher ihm nach geschrien: Esels-Schwantz / Esels-Schwantz / (wie vor gesagt worden) zu Boden geschlagen. Der Stadthalter hörte die Klage und Verantwortung an / befielet auch zu Vermeidung andere Ungelegenheit diesen in Verhafft zu nehmen. Der Wirth / und sonderlich Thomas haten für ihn / und versprachen ihn zu stellen /man solte ihn nur nicht in das Gefängnüß / als das Grab der Lebendigen verstossen.

D.s.s.d.s.c.h.e.e.c.c.

a.i.t.a.r.c.t.z.i.h.n.

Das ist das rechte Zeichen.

Hierauf erzehlte Diego / wie er zu Mittags-Zeit zu einer Gräfin kommen / und sie auff dem Bette schlaffend gefunden / und weil sie eine Witwe und sehr schön / habe er sie / wiewohl wieder ihren Willen /und fast unwissend zu ehelicher Gebühr angehalten /daß sie / wie er auff ihren Todt-Bette erst verstanden /von ihm schwanger worden / und diese Tochter erzeuget / deßwegen sie ihm solche / sampt dem Kenn-Zeichen anbefohlen / und gebeten aus ihrem Dienst Stande / gegen würcklicher Danckbahrkeit zu sich zu nehmen / etc.

Als nun Thomas solches verstanden / hat er sich sehr erfreuet / und Constantian ihrem Vater in unbewuster / aber bald erkanter Gestalt zugeführet / welcher sie ihme auff gebührliches Anhalten nicht abschlagen wollen / und mit beeder Väter höchstem Vergnügen / daß sie ihre Söhne wieder gefunden / ist die Sache zu einer frölichen Hochzeit außgeschlagen /welches so wohl der Stadhalter seinen Sohn wendig zu machen / alß der Wirth / wegen kostbahlicher Beschenckung und nun ergäntzter Ketten gerne geschehen lassen. Also ist diese edle Dienstmagd / wieder aller Verhoffen / wohl und ehrlich außgeheurahtet worden / und hat ihr die Gräfin[362] ihre Frau Mutter grossen Reichthumb hinterlassen / daß an Advenano wahr worden / das Sprichwort: Beschert bleibt unentbehrt.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 357-363.
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