CLXXI. Der betrogene Geitz.

[382] Es sagt das Teutsche Sprichwort: Der Geitz sein selbst Stiffmutter wil ich sagen / daß er auch sey seine eigne Hölle. Indem der Geitzige niemand Gutes thut /auch ihm selbsten nicht / kan er wol einer gehäßigen Stieffmutter / oder einem Esel verglichen werden / der mit Wein und Brod geladen[382] ist / desselben aber nicht geniesset. In der Normandie / einer Landschafft in Franckreich / welche von den alten Nordmännern oder Schweden ihren Nahmen erhalten / haben die Inwohner den Ruhm / daß sie durch trübene verschlagene Leute / die alle andere zu überlisten pflegen. Klug sein ist kein Laster / aber die Klugheit übel anwenden und Böses dardurch außwürcken / das wird von keinem Verständigen gelobet werden: Wie aber die Liecht-Kertze nicht schuldig / daß die Mücken die Flügel verbrennen / also ist zu Zeiten der Betrug dem Geitz zu zumessen / und nicht dem / der dieses oder jenes veruhrsachet. Candre und Rigobert zween von Adel gleiches Stands / aber wegen des Rechts der Erst-Geburth gantz ungleiches Einkommens. Candre rüstet seinen Brüdern auß / mit einem Pferd / Knecht und 50 Kronen in dem Beutel daß er sein Glück in Kriegswesen suchen solte / welches er aber unferne davon bey einer Adelichen / Tugendreichen / aber Geldarmen Jungfer zu finden vermeint / daß die Dürfftigkeit mit Fug sein nechster Nachbahr hätte können genennet werden. Dieser Rigobert hatte sich nun jung verheurahtet / umb die Mittel einer grossen Anzahl Kinder zu bekommen / massen sich sein Weinstock umb den Tisch so reichlich und reifflich von Jahr zu Jahr außgebreitet / daß er vor den Aesten nicht wol in der Schüssel langen können / unter andern aber hatte er 2 Mannbahre Töchter / welche er gerne verheurahtet gesehen hatte / und ermangelt es ihnen an Buhlern gar nicht / aber wol an Freyern; Weil keiner gerne diese Wahr ohne Geld kauffen / ich wil sagen / sich ohne Außsteur in eheliche Verlöbnüß einlassen wollen. Diese zwo Jungfrauen hätten können verglichen werden mit einem der Schiffbruch erlittenen / auf einem Felsen / der die Augen aufhebet und umb sich siehet / ob nicht ein Schiff komme / und[383] ihn weiter vom Hunger / unn näher zum Brodkorb führt. Es wolte aber niemand erscheinen: Die Liebe hatte keine güldne Flügel / daß sie sich biß zu dem Ehestande solte schwingen können. Doch fügte sich eine unerwarte Gelegenheit / vielleicht weil diese Jungfrauen ein untadeliches Leben führten. Candre hatte mit andren jungen Edelleuten in der Nachbarschafft einen Streit / wegen ihrer Gräntzen; und kommet von den Worten zu Streichen daß er einen zu Boden stösset / als er bereit auch schmertzlichst ver wundet worden. Man hatte zu selbiger Zeit solches Mordfechtē in Franckreich von neuem hoch verbothen / daß Candre in Flandern entfliehen muste / und in Gefahr stunde seine Güter zu verlieren; deßwegen ersinnter diese List. Rigobert solte vorgeben / Candre wehre an seiner Wundē / weil er Kaltebrand darzu geschlagē / gestorben / er wolle seinem Weib ihr Witthumb aushändigen / sich in die Güter setzen / und als der nechste Erbe alles nach seinem Willen regieren und führen / biß auf bessere Zeit / da er wieder Landshuldigung und des Königs Gnade zu erlangen verhoffte. Dieses hat Rigobert / als der nechste Erbe / so meisterlich gespielet / daß auch seine Haußgenossen nicht anderst vermeint / als wehre die Sache bemelter massen beschaffen / und ist der Vater des Entleibten durch des Candre vermeinten Todt besänfftiget worden / daß er ihm ferners nicht nachstellen lassen /noch auf seine Güter geklagt. Die Mücken / welche aus der alten Küchen fliehen / fliegen in grosser Anzahl zu / wann das Feuer wieder groß wird. Luciana und Marca die beede Tochter Rigoberts / hatten bey so genantem Glück viel Freyer / und stellte sich der Vater / als ob er Ursach hätte / sich mit seinen Kindern stoltz zu machen. Entlich aber giebt er sie / auf die Hoffnung künfftiger Güter / sonder Heurath guth Edvard und[384] Maglot / zweyen Geitzigen von Adel /welche wol zu leben hatten / biß der Vater sterben würde. Diese Geitzhälse vermeinten / sie hätten wolgefischt / als Candre wegen einer That vom Printzen von Uranien ein Vorschrift an den König in Franckreich erlangt / und durch seine Freunde deß Ermordten Vater versöhnen lassen / daß er ihm als einen der sich verthädiget / und den Fall bereuet / verziehen /und er also den Besitz seiner Güter an Rigobert wieder willig abgetretten. Wie nun die Fische leichtlich in die Reussen / aber schwerlich wieder herauß kommen / also musten die beede geitzigen Tochtermänner in dem Eheband bleiben / in welches sie sich aus falschem Wahn begeben. Candre verehrte seinem Bruder ein stück Geldes / wegen der wolgeleisten Dienste /und erzeugete hernach selbsten Söhne / welche sein Lebens-Erben worden. Also musten sich diese beede begnügen lassen mit der Schönheit und der Höffligkeit ihrer Ehefrauen / und das Sprichwort erfahren /daß man mit Lügen und List Heurahten stifftet / und heisset es trau / schau wem? Die Weiber soll man mit den Ohren und nicht mit den Augen nehmen / das ist: Wann sie ein gutes Gemüht und Lob Gerücht haben /so ist nicht darauff zu sehen / ob sie gleich weder schön noch reich.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 382-385.
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