CLXXII. Das seltzame Geschick.

[385] Zu Bolonia oder Bononia in Welschland hielten sich zween Studenten auff / Nahmens Antonio von Phunea und Johan von Gambea vornehmer Leute Kinder /welche beede kaum das 25 Jahr erreichet / und keine Belüstigung der Jugend unterwegē liessen / massen sie die Mittel darzu überflüßig in den Händen hatten.[385] Ob sie nach Frauen-Zimmer gefragt / und selber Gesellschafft gesuchet / ist bey so hitziger Jugend Müßiggang leichtlich zuerachten / und wahren sie / kurtz zu sagen / nicht träge / solche schöne Bücher zu durch sehen und fleißig darüber zu liegen / gebrauchten auch mehr / als einen solchen Calender. Unter vielen war wegen ihrer Schönheit in Ruhm / Cornelia Bentivogli / deren Vor-Eltern auff eine Zeit über Bononia geherrschet / von welchen niemand im Leben / als Lorentz Bentivogli ihr Bruder / in dessen Schutz und Auffsicht Cornelia damahls ware / und ob sie wol ohne Vater und Mutter / ware sie doch kein Wäysen-Kind zu nennen / weil der Reichthumb ihr an Eltern statt verblieben / und ihr sattsahmen Unterhalt verschaffte. Diese Cornelia hielte ihr Bruder / wie ein schönes Gemähl verwahret / das die Lufft leichtlich verderben möchte / und ausser der Kirchen nicht könte gesehen werden. Als sich nun begeben / daß Johan von Gambea der Spanische Student auff eine Zeit bey Nachts nach Hause gehen wollē / hat man ihm geschrien und bey einer Haußthür gefragt: Ob er Fabio were? Johan sagte er / auf alle Wagniß / und hat darauf empfangen einen eingewickelten schweren Bündel / mit bitte solchen fleißig zu verwahren / und wieder zukommen / also schlosse man das Hauß hinter ihm zu / und ließ ihn mit einem neugebohrnen Kind in der Gassen stehen. Nach kurtzem Bedacht /trägt er diese Gabe nach Hause / und befielet sie einer Frauen in der Nachbarschafft / wolvermerckend / daß man ihn für einen andern angesehen hatte. Das Gezeug / in welches das Kind eingehüllet / beglaubte leichtlich / daß die Eltern dieses Findlings reiche Leute / zu dem war auch das Kind so holdseelig / daß Johan sich darüber erfreute / und zu solches[386] Aufferziehung keine Unkosten spahren wolte. Nachdem nun Johan wieder kommen zu dem Hause / da er so Kindlich begabet worden / hat er einen schreyen und sich wehrend befunden / den ihrer viel ermorden wollen /deßwegen er alsobald von Leder gezogen / und dem Betrangten einen Beystand geleistet / biß entlich die Wacht darzu gekommen / und diese Meuchel-Mörder verjaget / jedoch / daß diese beede darüber verwundet worden / und Johan / dem andern seinen Nahmen /umb welchen er gebeten / damit er wisse / wem er zu dancken schuldig / angezeiget. In diesem Tumult hatte Johan seinen Hut verlohren / und den nächsten Besten auffgesetzet / ist auch darmit / weil andre kommen /und den / dem er bey gestanden / hinweg geführet /wol nach Hauß kommen. Unterdessen wolte Antonio seinen Spießgeselle suchen und begegnet einem Weib / welches ihn umb Gottes Willen bate / er solte sie in Sicherheit bringen und sich ihrer annehmen / dieses thate er willig und brachte sie auff seine Kammer / da er mit Verwunderung sahe / daß sie ein sehr schön und reich bekleidtes Weib / hörte aber von ihr keinen andern Bericht / als daß sie ihn bate / er solle sie im Verborgen halten und eilen Friede zu machen / unter denen die in der nechsten Gassen einander würgen wolten: Als er nun solches zuthun gewilliget / begegnet ihm Johan / und erzehlen diese beede / was ihnen diese Nacht begegnet. Indem sie nun in ihrer Behausung angelanget / wil Antonio seinen Gesellen nicht lassen in die Kammer gehen / und indem er auffsperret / schimmert der Hut mit den Diamanten so herlich / daß die schöne Gefangene solches ersiehet / und bittet / der Hertzog wolle doch hineinkommen / und sie in ihrem Elend besuchen. Antonio sagte / daß kein Hertzog hier / und führte mit ihrer[387] Bewilligung Johan hinein / welchen sie befragte / ob er dann den / dessen der köstliche Hut sey / kente? Johan antwortete mit nein / und erzehlte / wie er ihm beygestanden und bey dem Leben erhalten hätte. Hierauff gabe sich diese Weibs Persohn etlichermassen zufrieden / betrocknete die Thränen-Perlen / welche über ihre Wangen häuffig triefften / und in dem sie erzehlen wil / was sich mit ihr begeben / hört sie ein neugebohrnes Kind weinen /und als sie befragte / wo es wehre / verstande sie / daß solches ihr sein muste / und bate / man solte ihr doch solches zu saugen bringen / welches geschehen / und nach dem sie sich wieder erholt / hat sie erzehlet / daß sie Cornelia Bentivogli sey / welche der Hertzog von Ferrara / Alfonso von Este geliebt / vermittelst ehelicher Versprechung geschwängert / massen sie auch bey ihrer Befreundin einer genesen / und diese ihre Frucht zur Welt gebracht / eben in der Nacht / als der Hertzog sie entführen / und von ihrem Bruder feindlich angegriffen worden / indem sie das Kind eine von ihren Kammermägden vertraut / und aus Furcht des Todes / welchen sie von ihrem Bruder zuerwarten gehabt / entflohen / u.d.g. Ob nun wol die Magd vermeint / sie gebe das Kind Fabio / des Hertzogen Diener / hat sie doch entlich befunden / daß alle Umbstände eingetroffen / und das Hertz hat ihr gesagt /daß dieses ihr Kind. Die zween Studenten haben ihr das Zimmer eingeräumet / das Weib / welchem erstlich das Kind gegeben worden / bey ihr gelassen / und mit anbrechendem Tage / an den Ort / wo der Streit zu Nachts sich begeben / verfüget / aber gantz keine Zeitung und Nachrichtung von dem Hertzogen vernehmen können. Indem begabe sichs / daß Bentivogli aus sonderlichem Vertrauen gegen die Spanier / Johan erzehlet / wie der Hertzog von Ferrara[388] seine Schwester verunehret / und bittet ihn / mit nach Ferrara zu reiten / und wegen Seiner den Hertzogen für die Klinge zufordern / weil er so mächtig nicht / daß er Volck sterben / und einen Krieg mit diesem Hertzoge anfangen könne. Johan liesse sich hierzu willig gebrauchen / und erhoffte also zu vermitteln / daß dem Hertzog anderer Gestalt Vergnügung beschehen möchte / bedancket sich deßwegen des guten Vertrauens / und machte sich mit ihm auff den Weg / nimmet auch mit seiner Einwilligung Antonio mit sich / als einen glaubwürdigen Zeugen alles dessen / was sich mit dem Fräulein Cornelia begeben. Nachdem diese verreiset / bildet die Wärterin der Cornelia für / daß Bentivogli / ein Italianer / der hinterlistiger / diese Spanier / wegen ihrer / umb das Leben bringen werde / räht also / und beredet sie / daß sie sich sambt dem Kinde auffmachen / und bey einem Dorff-Pfarrer unferne von Ferrara / da sie vor diesem gedienet / ihre Einkehr nehmen solte / führte ihr auch zu Gemüth / daß ihr viel anständiger und verantwortlicher / wenn sie bey einem alten Geistlichen / als bey jungen Studenten gefunden werden würde: Cornelia befindet alle die Uhrsachen für richtig / machet sich mit ihrem jungen Sohn auf den Weg / und kommet zu besagtem Dorff- Pfarrer / welcher sie willig auffnahme und wol empfinge. Es fügte sich aber / daß Alfonso und Bentivogli von ferne einander begegnen / und Johan / der ihn alsobald erkennet / rente vorauß ihm entgegen / und gab ihm zu verstehen / welchermassen Bentivogli sich von ihm beleidigt vermeinet. Also erkläret sich hierauff alsobald / daß er Corneliam für seine Gemahlin halte /ihr die Ehe versprochen / und gewillen sey / sich forderlichst mit ihr trauen zulassen. Alß nun Johan diese Antwort zurücke brachte / wurde Bentivogli sehr erfreuet / und kamen einander zu umarmen.[389] Unterwegs erkänte Alfonso seinen Hut / und wiederholte seine Dancksagung gegen Johan / daß er ihm in seinen Nöthen beygestanden / erzehlte auch / wie alles mit Cornelia daher gegangen. Indem gelangeten sie beyde vor besagtem Dorff-Pfarrer an / und weil sie der Regen überfiele / stiegen sie ab / und fanden was sie nicht suchten. Hielten also dieses für eine sondere Schickung / und ließ sich Alfonso mit Cornelia alsobalden trauen / und führte sie mit sich nach Ferrara / da sie in grosser Vergnügung lange Zeit gelebet / und mit den zweyen Spaniern sehr grosse Freundschafft anwesend / und durch Brieffwechsel / abwesend gepflogen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 385-390.
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