CLXXIX. Der betrogene Betrieger.

[399] In einer Nahmhafften Stadt in Lumbardia hat sich Cornelius ein vermöglicher Bürger mit Evantia verheuratet / unn lebte in gesegnetem Wolergehen / daß zu der Vollkommenheit ihres Glücks nichts ermanglete / als die Beharrligkeit desselben. Die gar zu schönen Tage / bringen zu Abend ein Wetter / und die Stille des Meers ist ein Vorbott des ungestümmen Windes. Der sicher ist in seinem Wolstand / kan sich doch nicht versichert achten / und ist nach jenes Weisen Spruch: Niemand vor seinem seeligen Absterben /für[399] glückseelig zu schätzen. Der Evantia Schönheit und Freundligkeit hatte Pyrogum einen Jüngling /dem der Reichthumb zu einem Werckzeug der Wollust diente / mit brünstiger Begierden angefüllet; Daß er sich erkühnet das unüberwindliche Hertz der keuschen Evantia durch allerley Mittel zu bezwingen /und zu seinem bösen Willen zu erobern / die ist keusch zu schätzen / welche einem holdseeligen Freyer in der Versuchung wiederstrebet: Denn wie der nicht fastet und die Tugend der Nüchternkeit zu rühmen / der aus Mangel Hunger leidet: Also ist auch die nicht für keusch zu halten / welcher die Gelegenheit und nicht der Wille böses zu thun ermangelt. Evantia war nicht verspert / wie sonsten an theils Orten in Welschland die Weibs-Persohnen in Gefangschafft enthalten werden / sondern der Versucher tratte offt zu ihr / mit grossem Versprechen / Beschenckungen /und vielen Honig-süssen Worten: Welche doch alle vergeblich in den Wind verrauschten / und bate dieser Jüngling / Evantia solte nur eine kleine Thorheit mit ihm begehen: Sie aber ermahnete ihn ernstlich und bedraulich / er solte doch von so frevlem Beginnen abstehen / und sie in Ruhe lassen. Dieses muste der Mann in acht nehmen / weil Pyrogus ihme in die Karten sehen liesse / und sein Spiel nicht bergen kunte. Auf sein Eheweib hatte er nicht Uhrsach einiges Mißtrauen zu setzen / weil er ihrer Tugend versichert / jedoch wolte ihm obliegen / auf dieses Buhlers Verfahren ein wachendes Aug zu haben / und desselben Feuer in der ersten Gluth auszuleschen. Zu deme war ihme wissend / daß nicht nur das Böse / sondern auch der Argwohn des Bösen zu Veranlassung böser Nachreden / müsse verhütet werden. Er bespricht seine Frau hierüber / und verstehet die gantze Warheit / daß er Uhrsach ihr Glauben zu geben / und die Empfindlichkeit[400] der Eyfersucht fallen zu lassen. Gegen diesen Frevler aber ergrimmete er sehr / und weil er wuste /daß er ihn / wegen der Wort nicht thätlich straffen möchte / bedenckt er sich diesem jungen Nistling das Gelbe von dem Schnabel zu wischen / und sich ernstlich an ihm zu rächen. Er gebietet seinem Weibe / sie solte sich Pyrogo freundlich erweisen und ihme Zeit und Orth bestimmen / daß er also in Handhaffter That ergriffen / und zu gebührlicher Straffe gezogen werden könne. Evantia bittet / sie solches zu entheben /weil es doch zu ihrem Nachtheil und einer Mordthat möchte ausschlagen: Achat aber gibt ihr zur Antwort /daß sie ihm hierinnen gehorsahm solte seyn / wann sie sich alles bösen Argwohns entschütten wolte.

Das Weib / so sich in ihrem Gewissen unschuldig befande / fürchtete ihren Mann / den sie hertzlich liebte / zu erzürnen; Vergewissert ihn ihrer Treue / und gelobte / daß sie lieber sterben / als zur ungebühr sich wolte verleiten lassen. Were aber besser gewesen /daß sie ihrem Manne hierinnen nicht Folg geleistet /und dieses Jünglings müßig gegangen were. Was geschiehet? Evantia gibt ihrem Buhler Buhler-Wort /und verspricht ihm schrifftlich zu bestimbter Zeit /seines Willens zu werden / er solte sich nur bey der Hinter-Thür einfinden. Dieser Weltling war in Liebshändlen kein Neuling / und konte ihm wol einbilden /daß so schnelle Veränderung von Hinderlist und Betrug kommen möcht. Weil er nun langer Zeit eine Dienerin in dem Hause zu einer Kundschaffterin bestellet / erkündigt er von ihr / daß er von ihrer Frauen verrahten / und auf die Schlachtbanck würde geopffert werden. Diese Nachrichtung belohnte er mit reicher Beschenckung / und gedencket doch diese Abentheur mit starcker Hand zu erfassen / er nimmt also zu sich sechs braven Kerl oder Waghälse /[401] so sich andre zu ermorden bestellen lassen; Zween blieben bey der Thüre den Ausgang zu versichern / die andern Viere verwahren die Kammer / und Pyrogus gehet allein hinein / welches dem Mann auff dem Boden durch Einblicken alsobalden bedeutet worden: Cornelius sahe die vier Schutz-Männer für der Kammer stehen /und hatte das Hertz nicht / daß er sich mit seiner Pistohl sehen liesse / und machte ihm leichtlich die Rechnung / wie es zu gehen würde / Pyrogus fande Evantiam in dem Bette / sprach ihr erstlich freundlich zu / und weil sie bekente / daß sie aus Anstifftung ihres Mannes wieder ihren Willen zu solcher That sich verstanden / sich aber mit allen Kräfften widersetzte / lässet der unverschämbte Bub zween von seinen Trabanten hineinkommen / so das Weib so lang mit Gewalt halten musten / biß er seinen Muhtwillen mit ihr getrieben / und die unschuldige Evantiam fast halb todt liegen lassen. Nach diesem hat Pyrogus mit seiner Gesellschafft wieder zu rücke sich begeben /und ihr zuvor diese Schimpff-Wort zugesprochen: Er habe sie nun ihr Wort halten machē / und sey ihrem Brieff gemäß / was ihr Mann befohlen und haben wollen. Die gantze Sache were verschwiegen geblieben / wann der neu gemachte Hanrey lieber Cornelius Publius / als Cornelius Tacitus sein wollen. Dem Weib ist er gramm worden / hat sie beschuldigt / daß sie zu solcher That geholfen / und diese Anstellung machen helffen / da sie doch wieder Gewalt nicht gekönt / und dem Mann gehorsahmen müssen. Pyrogus aber hat es ihm in die Faust gelacht / und Cornelium noch bedrauet / er wolle ihm den Kopff sambt den Hörnern zerspalten / wann er viel Geschrey davon machen würde / hat also dieser Mann sich betrogen /indem er den andern betrügen wollen / das Unglück seinem Unverstand zuschreiben / die Rache aber GOtt befehlen[402] müssen / weil er viel zu schwach einem so mächtigen Feinde Widerstand zu thun.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 399-403.
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