XVIII. Der betrogene Segelmacher.

[27] Für einigen Jahren / hat zu Algiers / in der fürnehmsten Barbarischen Raubstadt / ein fürnehmer Türck ein schönes neues Schiff-Segel bereiten lassen / wofür er / weil das Segeltuch allda gar theur / etliche hundert Reichsthaler auffwenden müste. Hierauff haben etliche gefangene Christen-Sclaven / als deren gewöhnliche Nahrung / bey solchem elenden Zustande /gemeiniglich von frembden Guth kombt / indem sich die See-Diebe / nach möglichkeit / auff Zulassung /wieder bedieben / einen Anschlag gemacht / und versucht / ob sie dem Seegel könten eine andere Herrschafft zu wegen bringen. Einer von diesen Raben-Künstlern geht hin / zu dem Meister / der daran arbeitete / und bittet eine Kohle Feuers; Damit er seine Tobacks-Pfeiffe dabey anzünden möge: Weiset zugleich dem Meister ein ziemlich Stück Tobacks / und verspricht ihm etwas davon mitzutheilen. Solches nimbt der Segelmacher zu grossem Danck an / und gehet hin / Feuer zu holen. Der listige Sclav wirfft geschwind einen Zippel vom Segel für die Thür hinauß; gehet folgends dem Meister auff dem Fusse nach / und hält denselben mit Tobackschmauchen / so lange auff / biß er vermuhtet / seine Rott-Gesellen würdē mit der Beute allbereit weg gegangē: Der Meister aber noch eine gute Weil sitzen blieben seynd / und des Tobackschmanchens geniessend / für übermachter Süssigkeit dieses an ihm selbsten sonst bittren Rauchs / seinen[27] Schaden so bald nicht gemerckt. Unterdessen eylen die ehrlichen Segel-Hinnehmer mit der Beute geschwinde nach ihren Abnehmer; dieser alsofort damit zu dem rechten Eigen-Herrn desselben / und bietet ihm sein Eignes / nunmehr aber Gestohlenes umb hundert Reichsthaler feil. Derselbe meinet / er kauffe jetzo mit dem Glücke selbsten: Zahlet derhalben die 100 Rthlr. so geschwinde auß / als ob ihm beydes das Tuch und Geld geschenckt wäre; gehet darauff hin in tausend Freuden / besagtem Meister anzudeuten / was für ein herrliches Segel er umb halbes Geld gekauffet hätte; sonder Nachdencken / daß gestohlene Wahren allezeit am wolfeilesten. Je frölicher er aber dahin kombt; Jemehr ihn der traurige Blick des von der Sicherheit nunmehro auffgewachten Meisters bestürtzt machte: Und zwar noch vielmehr / da er hören muste; Man wurde ihm ohne Zweiffel sein eigenes Segel verkaufft haben / sintemahl ihm / dem Meister / allererst für einer Stunden / eines gestohlen wäre. Da man nun recht nach sahe; fand sichs / der Meister wäre ein Prophet / und hätte recht geweissaget. Also kam der Reu-Kauff hinten nach. Das hat die Begierde des Tobacks außgerichtet / wodurch der Meister gekörnet worden /zur Unbehutsamkeit.

Worauff zu wissen: Ob sie gleich auff der That ertappet werden / so dürffen sie sich doch nicht ihres Lebens befahren / sondern werden mit einigē Schlägē unter die Fußsohlen nach dem Werth dessen / das gestohlen worden / belohnet und forgejaget / kan der Sclave aber den Thurn mit dem Gestohlenen erreichen / ist er frey / und darff niemand ihn Scheel drüber ansehen. Alle Abend wird das gemausete verkauffet /wozu sich einige / die lange Zeit da gesessen[28] und allda die Freyheit erlanget haben / daß sie ohne Ketten auß und eingehen mögen / gebrauchen lassen; Dieselbe kauffen die Sache umb halbes Geld an sich /und suchen hernach darauß ihren Profit; Es schadet ihnen auch nicht / daß es den rechten Herrn wieder zukauffe gebracht wird.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 27-29.
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