II. Der listige Dieb.

[3] Zu Rotterdam am Marckte saß der Schultz mit etlichen Herrn in einem Hause und truncken mit einander / da sie bald mercktē / welcher gestalt ein Gaudieb auff einen Kauffmann laurete / und demselben gewaltig nachgieng / der Schultz sandte dem / nach seine Diener hin / und ließ hin und wieder auff den Dieb lauren. Wie nun dieser dem Kauffmann / dem er gar lange nachgestellet / seinen Beutel zuletzt wegpractisiret / packten ihn die Diener an / und führeten ihn zum Schultzen / welcher ihm vorhielt / wie er so keck sein dörffte / daß er am hellen Mittage ein solch Schelmstücke begieng / und zwar in Gegenwart vieler Leute? Es ist mein Ampt und Kunst / antwortete der Gefangene / ja mein Pflug und Raht / davon ich mich ernähren. Der Schultze fuhr fort / weistu Vogel auch wohl / daß du und deines gleichen mit aller Kunst an den Galgen gehören? Das hoffe ich nicht / nahm jener auß / der Galgen[3] ist nur vor die Unglückseligen / und nicht vor die andern / ob ich aber unter die Zahl der Unglücklichen zu rechnen / kan ich nicht wissen / ein jeder hofft das beste. Sey zu frieden / sprach der Schultz / wirstu den Beutel wieder mit solcher Behändigkeit an seinen vorigen Ort bringen / als du ihngenommen hast / so soll dir Leben und Freyheit geschenckt seyn / und weil der Dieb dieses versprach /zehlete der Schultz vorher das Geld / und merckte die Müntz Sorten. Darauff ließ er den Dieb gehen / dem aber gleichwohl die Diener abermahl zugeordnet wurden / damit er das Ding recht bestellen möchte. Er machte sich hierauff zum Kauffmann / und brachte demselben seinen Beutel so behende in die Tasche /daß er nicht einmahl gewahr worden / daß er verlohren gewesen: Darauff gieng der Dieb seines Wegs und die Diener brachten dem Schultzen bericht / der alsobald einen auß ihrē Mittel nach dem Kauffman sandte / und ihn zu sich ruffen ließ. Dieser wuste nicht / was er mit dem Schultz zu theilen hette. Gieng demnach halb verstört hin. Ihr wisset vielleicht nicht / sprach jener warumb ich euch zu sprechen begehre / die Ursach ist diese: Ich habe mit diesen Herren gewettet /daß ich wisse / wie viel Geld ihr bey euch habt / und in welchen Sortē dasselbe bestehe. Der Kauffman hörte hoch auff / und wettete mit dem Schultzen umb eine freye Zeche Reinischen Weins. Hierauff beschrieb der Schultz die Summa und Müntz Sorten /und als der Kauffman im nach sehen die Warheit befand / und gestehen muste / daß die Wette verfallen /hielte er dieses vor ein Magisches Kunststück / der Schultz aber bedeutete ihm / was mit seinen Beutel vorgefallen / denselben möchte er auff ein andermahl besser verwachen / weil / wann er nicht dafür gewachet / derselbe nicht mehr in seiner Gewalt wäre / hievor bedanckte sich der Kauffman / bezahlte seine Schuld / und gieng seines Weges.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 3-4.
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