CCXIII. Der leichtfertige Scribent.

[445] Zween Scribenten zu Paris / deren einer bey einem Parlaments-Herren / der ander bey einem Auditeur[445] in der Rechen-Cammer diente / hatten sich vorgenommen / von ihrem Herrn Abschied zunehmen / mit einander eine Reise zuthun / ehe sie aber solches zu Werck stelleten / wolten sie zuvor ihren Herren eines anmachen: Und weil der / so bey den Parlaments Herrn diente / wol wuste / das seines Cameraden Herr / des Seinigen vertrautester Freund war / entschloß er sich einsmahls zu demselben zugehen / und in seines Herrn Nahmen 100 Duplonen von ihm zu entlehnen /unter dem Vorwand / daß er sich mit einem Gasconischen von Adel mit Spielen eingelassen. Der Auditeur / so sich nichts böses zu diesem Scribenten / den er schon von langer Hand her gekennet / versehen / gab ihm die begehrte Summ ohne Wiedersprechen. So bald nun der andere seines Gespanen Betrug vernommen / war er auch auff dergleichen Stücklein eines zuspielen bedacht / zu diesem Ende gieng er in des Parlaments-Herren Hauß / richtete einen Gruß von seinem Herrn auß / mit Vermelden / er ließ ihn bitten / er wolte ihm 100 Ducaten schicken / die er zu Bezahlung 6 Pferd für eine Carosse / so er gekaufft / von nöhten hätte. Der Parlaments Herr war froh / daß er einmahl die Gelegenheit bekommen / seinem alten und guten Freund zu dienen / und gab sie diesem Scribenten. Nachdem nun also diese beede gute Gesellen ein jeder das Seinige gethan / und den Seckel wolgespicket / traffen sie das weite Feld / und nahmen ihren Weg in Italien / da sie dann nicht lang gewesen / daß sie nicht Beutelschneiders Stücklein gespielet / unter andern als sie einsmahls durch die Stadt Florentz giengen / sahen sie einen Wechsel-Herrn bey einem Goldschmied ein sehr schönes güldenes Pocal kauffen / welches er / nach dem er es dem Meister bezahlt /dessen Jungen gegeben / dasselbe seiner[446] Frauen zubringen. Der eine von diesen Scribenten / als er sahe /daß dieser einfältige Tropff dieses Pocal / gantz öffentlich trug / damit sich jederman über dieses Stück verwundern solte / verfügte sich mit einer annehmlichen Manier zu ihm / und fragte ihn / wer dieses schöne Stück gemacht hätte / wem es zugehörete /und wie viel es wol gekosten haben möchte. Der Jung / so keiner von den gescheitesten war / sagte ihm frey herauß / dieses wäre seines Meisters / Nahmens Dompierre / Werck / und muste solches einem Wechsel-Herrn / so nechst bey der Thum-Kirchen wohnete /heimtragen. Der Scribent stellete sich / als wolte er auch dergleichen eines machen lassen / und sagte zu ihm: Ich bin der Warheit recht froh / daß ich deines Meisters Nahmen weiß / ich bitte dich aber / du wol lest mir den Gefallen erweisen / und mich zu des Wechsel Herrn Hauß führen / damit ich mit ihm bekant werde / und wann es die Gelegenheit geben wird / mir ein dergleichen Stück machen zulassen / solches von ihm entlehnt bekommen möge / weil ich mich aber nicht gern zu erkennen geben wil / so sage nur /daß ich deines Meisters Bruder sey. Der gute einfältige Tropff / so nicht wuste / wo dieses hinauß wolte /führte ihn zu des gedachten Wechsel-Herrn Losament / da dann die Frau alsobalden zu ihnen gangen / und nachdem sie dieses Stück lang betrachtet / zog sie ein Stück-Gelds herauß / und wolte es dem Jungen zum Trinckgeld geben / der Schreiber aber / so sich stellete / als wann er des Meisters Bruder wäre / sagte zu ihr: Nein / nein / Madame / es ist nicht vonnöhten / daß ihr ihm etwas gebt / dann es ist genug / daß ihm euer Herr / als er meinen Bruder bezahlt / schon etwas geschencket / auff diese Wort ließ sich die Frau nicht lang bitten / ihr Geld wieder / zu sich zunehmen /[447] und bedanckte sich wegen der Mühe. Wie nun der Schreiber hinweg gegangen / sagte er zu diesem Maulaffen: Höre mein guter Freund / ich habe auß gewissen Ursachen nicht haben wollen / daß du etwas von dieser Frauen nehmest / weil du mich aber in das Hauß geführet / so wil ich dir hiemit zween Ortsthaler verehren: Der Jung war dessen froh / und gieng wieder heim. Unterdessen aber weil dieser Scribent wuste /daß der Wechsel-Herr bey einem guten Freund zu Gast seyn würde / nahm er seinen Weg wieder zurück zu dieser Frauen / und sagte zu ihr: Madame euer Mann hat vergessen / auff das Pocal / so ihm mein Bruder verkaufft / sein Wappen stechen zu lassen /derowegen bitte ich euch / ihr wollet mirs wieder geben / dann ich hoffe / daß es auffs längst in zweyen Stunden werde gemacht seyn. Die Frau / so ihn für des Goldschmieds Bruder hielte / hatte dessen kein Bedencken ihm solches zu geben: So bald ers aber in seine Hand bekommen / machte er sich auß dem Staub / und änderte mit seinem Gespan das Losament. Der Mann als er wieder heimkommen / fragte alsobald seine Frau / ob sie das Pocal empfangen / die ihm mit lachendem Gesicht antwortete: Ja mein Schatz / und gefält mir solches überaus wol. Der Mann sagte hinwieder zu ihr / es erfreuet mich solches / dann ich bin schon längst Willens gewesen /euch ein Präsent zuthun / allein ich bitte euch / ihr wollet mirs ein wenig weisen / dann mich düncket ich habe einen Mangel unten an dem Fuß gesehen. Ey so gebt mirs dann wieder / sprach die Frau. Wie redet ihr so närrisch? antwortete der Mann; Ihr sagt / ihr habt das Pocal empfangen / und forderts doch wieder von mir. Es ist wol wahr / sagte die Frau / daß ihr mirs geschickt / habt ihr aber schon vergessen / das ihrs durch des[448] Goldschmiedes Bruder wieder abholen lassen / euer Wappen darauf stechen zulassen. Auff diese Wort fieng der Wechsel-Herr mehr Scheltwort / als der Berg Ethna in 10 Jahren Flammen außwirfft / wieder seine Frau außzuspeyen weil er ihm wol traumen ließ / daß sie daran schuldig / daß das Pocal verlohren. Wir wollen aber wieder zu unsern beeden Herren / nehmlichen zu dem Parlaments-Herren und dem Auditeur kommen. Diese / als sie einsmahls ungefehr bey einer Gasterey zusammen kommen / sahe einer den andern frölich an / und gedachten an nichts Böses so ihre Schreiber gestifftet. Wie sie aber am besten daran waren / und ihnen der Wein ein wenig in Kopf gestiegen / fragte der Parlaments-Herr den Auditeur / wie ihm seine Pferd / die er gekaufft / anstunden? Dieser wuste nicht / wie er solches verstehen solte / sondern fieng an zu lachen / und sagte zu ihm: Mein Herr /wer hat euch überredet / daß ich andere Pferd / als die Meinige / zu haben begehrt? In der Warheit / versetzte der Parlaments-Herr / es ist euer Schreiber vor weniger Zeit zu mir kommen / der mir gesagt / ihr hättet 6 Pferde gekauffet / und mich zugleich in eurem Nahmen gebehten / ich wolte euch 100 Ducaten schicken /dieselbe zu bezahlen / ich versichere euch / antwortet der Auditeur / daß mein Schreiber ein Bernhäuter ist /und daß ich ihme solches nie befohlen. Im übrigen hat er vor ungefehr einem Monath seinen Abschied hinter der Thür genommen: Der Meinige sagte der Parla ments-Herr / hat es eben so gemacht / dessen ich dann sehr froh bin / weil er ein grosser Schwermer / und dem Spielen mächtig ergeben gewesen / Botz-tausend / versetzte der Auditeur / weiln ihr eben vom Spielen redt / seyd ihr eures Schadens mit dem Gasconischen Edelmann wieder einkommen?[449] Der nun sehr darüber erschrocken / solches war dieser Parlaments-Herr /der sich alsobalb einbildete / es würde unter diesen Wortē ein sonderlich Geheimnüß verborgē liegen /damit er aber auß dem Traum kommen möchte / fragte er ihn / wer ihn also weiß gemacht / daß er gespielet habe. Euer Schreiber / antwortete der Auditeur /welcher in eurem Nahmen 100 Duplonen von mir entlehnet. Ach der Verrähter / sagte der Parlaments-Herr / es ist mir solches nie in Sinn kommen: Solchergestalt befanden sie sich beyderseits betrogen / blieben aber ungeachtet ihres Verlusts / einen als den andern Weg / gute Freunde.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 445-450.
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