CCV. Der betrogene Courtisan.

[454] In dem Lande Poictu wohnete ein reicher Kaufmann /dieser / als er einsmahls eine schöne Music gehört /wird er von der Lieb dermassen entzündet /[454] und gerieth in solche Liebes-Brunst / daß man ihn für einen Bock / so in dem Holtz den Geissen nach lauffet /hätte halten mögen. Diesem nach gieng er dem Frauenzimmer nach / und bewarbe sich umb ihre Lieb /anstatt auch / daß er sich als ein ehrbahrer Kauffmann halten solte / begab er sich in der Edelleuth und benachbahrten Frauenzimmers-Gesellschafft / denen sein Hauß frey und offen stunde / daß er täglich Gasterey hielte. Weil er nun mit dem Frauenzimmer so gemein worden / und das Feuer / so er so lang verborgen / zuleschen begehrte / erwehlte er unter andern eine Verheurahtete und überaus freundliche und holdseelige Dame / zu seiner Liebsten; diese / weil sie eines ehrlichen Gemühts / guten Verstandes / und zugleich gar holdseelig war / nahm ihn eben so freundlich auff / wie sie sonsten gegen jederman zu thun pflegte / woran dann dieser Buhler in seiner Lieb so gestärcket wurde / daß er schon seinen Zweck erlanget zu haben vermeinte. Ehe er ihr aber sein Vorhaben entdeckte / schickte er ihrem Mann alle Tage etwas zu einem Präsent / liehe ihm Geld / und weil sie ihre Güter nicht weit von einander liegen hatten / ward ihm gantz nichts versaget / in allem dem / was er nur begehrte / also daß dieser Edelman / so sich keine Gedancken machte / daß es seiner Frauen halber geschehe / wegen des grossen Nutzens / so er von ihme hatte / mit ihm / ungeachtet seines ungleichen Standes /eine vertrauliche Freundschafft machte. Weil nun der Kauffmann die Früchte seiner Gutthaten auch einsamlen wolte / ließ er sich einsmahls mit ihr in Gespräch so weit ein / daß er ihr seines Willen zupflegen / zumuhtete. Diese vernünfftige Dame aber / als sie diese unziemliche Wort von ihm gehöret / gab ihme eine ihrem Verstand gemässe Antwort / und weil sie für ihres Manns Ehre eyferte / und nichts im geringsten darwieder zu handeln begehrte /[455] wolte sie gar nicht mehr dahin kommen / wo er war. Der Edelman hingegen / so sich so wol bey diesem Kaufman befande /stellte sich fleißig ein / und weil er offt gebeten worden / seine Liebste mit zubringen / und einem so guten Nachbarn / von dem er so viel Freundschafft empfangen / nicht gern für den Kopff stossen wolte /lag er ihr hart an / daß sie doch mitgehen wolte. Wie nun die Frau sahe / daß sich ihr Mann darüber erzörnet / daß sie nicht thun wolte / was er begehrt / ward sie entlich gezwungen ihme das ehrliche Begehren dieses Kaufmans zu eröffnen / worüber er dann sehr erschrocken / und darauß leicht abnehmen können /was ihn zu solcher Freygebigkeit gegen ihn bewogen /jedoch sagte er zu seiner Frauen: Liebster Schatz / ich bitte euch so sehr ich kan / ihr wollet doch nur dießmahl mit mir gehen / und wann er so unverschambt sein würde / euch die vorige Zumuhtung zuthun / so fürchtet euch nicht (weil ich sein Vorhaben zu billigen gedencke) und nehmet die Abrede mit ihm / daß er dieser Tagen einen kommen / und bey euch schlaffen solle / so wollen wir ihn nach seinem Verdienst tractiren. Die Frau / so von ihrem Mann hierzu gezwungen ward / kam in seiner Gesellschafft diesen Kaufmann zubesuchen / welcher / als er diese Dame /so ihm so wolgefiele / sahe / nicht wuste / wie er sie genug caressiren solte. Nach dem Mittag-Essen nun /welches dann die Stunde war / da sich sein Feuer von freyen Stücken angezündet / kam er wieder auff seine erste Streich / und hielt so inständig bey ihr an / daß diese Dame / so bereits in allem / was sie sagen solte /unterrichtet gewesen / bey ihme zuschlaffen / verwilliget / solches aber ins Werck zurichten / solte dieses das Mittel seyn / daß ihr Mann diesen Abend ihn mit heim nehmen / und er bey ihm über Nacht bleiben solte / wann er nun / seinem Gebrauch nach / morgends frühe auff die Jagd gehen[456] würde / von welcher er biß gegen Mittag nicht wieder käme / so solte er sich unterdessen in seine Cammer verfügen / da sie allein / aber ich bitte euch / sagte sie ferner / mit einer angenommenen und furchtsamen Stimm / ihr wollet in einer solchen gefährlichen Sach behutsam gehen / und alle eure Leut wieder zurück schicken / damit wann ich allein in eurer Cammer bin / wir beyde desto freyer und ausser Verdacht sein mögen. Wie nun die Sache also abgeredt worden / und der Edelmann gesehen / daß es nunmehr Zeit wieder von ihme Abschied zunehmen / baht er ihn / mit einer höfflichen Reverentz ihm mit der Rebhüner Beitz die Zeit verkürtzen zuhelffen / unterdessen wolte er / wann er ihm zu so viel Ehr / mit ihm zu Nacht zu essen erweisen würde /die Mahlzeit fertig machen lassen. Der Kauffmann ließ sich nicht lange bitten / sondern setzte sich fröliches Muhts zu Pferd / und wendete allen Fleiß an /seine Dame unterwegs mit gutem Gespräch zu unterhalten. Alß nun die Beitz eine gute Weile gewähret /kamen sie entlich zu des Edelmans Hauß / worein er aber nicht eher kommen wolte / er habe dann zuvor alle seine Leut / biß auff einen einigen Diener von sich geschaffet / der Edelman / so sich stellete / als wann ihn dieses verdrösse / wolte solche mit Gewalt da behalten: Er möchte aber machen was er wolte / so konte er doch das geringste nicht von dem Kauffmann erhalten / welcher in Erinnerung dessen was er versprechen / dargegen einwendete: Er begehrte keinen andern Aufwärter / als des Edelmans seinen und daß es eine Unhöfflichkeit wäre / einem guten Freund so grosse Ungelegenheit zumachen. Wie nun das Essen fertig / ward er so wol tractirt / daß er entlich sich zu Bett zu begeben begehret / dahin er dann in eine schöne mit Tapezereyen außgezierte Cammer mit Windlichtern / in Begleitung dieser Frauen geführet[457] worden / die dann / aus Befehl ihres Manns / so viel Gedult hatte / mit ihme noch eine Zeitlang Gespräch zuhalten / die sich dann so wohl in die Sach zu schicken wuste / daß sie diesem Kauffmann / deme der Kopff vorhin vom Wein und der Liebe warm worden / das Hertz dermassen gerühret / daß er bald über und über gefallen wäre / weiln er aber nicht weit bey dem Bett gewesen / so erhielte er sich noch für dem Fall. So bald dieser äusserst verliebte zu Bett gangen / ließ diese Dame alle Fenster-Läden zumachen / nahm einen freundlichen Abschied von ihm / druckte ihm die Hand / und sagte: mein Herr / dieweil ihr so ein grosses Vertrauen in uns gesetzt habt / daß ihr niemand von euren Dienern bey euch behalten wollen / so wil ich euch für dißmahl für eine Cammer-Magd aufwarten / und den Schlüssel mit mir nehmen / damit euch niemand an eurem Schlaff hinderlich seyn möge. Als der Kauffmann diesen Vortrag hörte / ward er darüber gleichsam gantz verzückt / weil er vermeinte / daß sie derentwegen den Schlüssel mit sich genommen / umb desto unvermerckter in sein Cammer zu kommen /dergestalt / daß er gar nicht schlaffen kunte / sondern stets mit ihm selbst redete / und sich von einer Seiten zur andern warff / das Deckbett nahm / dasselbe umbfieng / und in seinem Sinn sich die künfftige Lust einbildete / unterdessen hatte der Edelmann / so keine andere Rache von ihm zunehmen begehrte / als ihme einen unaußleschlichen Schandflecken anzuhängen /eine alte Bettel von 100 Jahren / die alle diejenige Vollkommenheiten / die ein solches Alter mit sich bringen kan / an ihr hatte / mit Geld bestochen / deren er / nachdem man ihr genug zu trincken gegeben /ihren kalten Magen zu erwärmen / seiner Frauen gewöhnliches Nacht gewand angethan / und sie wie eine Römische Courtisanin auß staffiret: gegen den Morgen / umb die von seiner Frauen[458] bestimbten Zeit /nahm er sein Jäger-Horn / weckte seine Leuth auff /und begab sich sambt seinen Hunden / auff die Jagd /das übrige seiner Frauen zu vollziehen / überlassend. Mein guter Kauffmann / so dieses Getöß hörete /spitzte geschwind die Ohren / und machte sich fertig /seine Geliebte wol zu empfangen / die dann / so bald ihr Mann hinweg war / zu der Cammer gieng / die Thür gemach auffmachte / und die alte biß zu dem Bett begleitete / die / weil sie ihr so wol auff gewartet sahe / ihr solches für eine grosse Ehr hielte / und in solchen Gedancken sich zu ihm legte / der dann / weil er hefftig für Liebe brante / nicht viel Wort machte sondern sich so wol gebrauchte / daß er die verstorbene Begierde dieser Alten gantz darüber erneuerte: Der Edelmann so sich gestellet / als sey er Jagen gangen /kam bald wieder heim / und berieff seine beste Freunde zu sich / denen er sagen ließ / daß sie eylends kommen / und den Kauffmann / der sich die gantze Nacht über sehr unpäßlich befunden / belachen wolten. Wie sie sich nun ohne Verzug eingestellet / und nicht anderst vermeinet / er wäre schon gestorben / führte sie der Edelmann gerad in des Kauffmans Cammer / welcher von der gethanen Morgen-Arbeit ein wenig Athem holete / wie nun die Fenster auffgemacht / und die Vorhäng in Beysein aller dieser Herren hinweg gezogen worden / sahe man den guten Herrn und diese Alte so hart aneinander liegen / daß wer sie gesehen / hätte meinen sollen / daß es Vulcanus und Venus wäre / ausser daß die Venus nicht so viel Runtzeln gehabt / dessen sie sich dann / und sonderlich der Kauffmann hefftig geschämet: wie nun jedermann vor Lachen kein Wort reden kunte / fieng der Edelman an / und sagte: Ich bitte euch / mein Herr / ihr wollet /wann ihr ein andermahl Frauenzimmer zu lieben begehret / eine andere und jüngere erwehlen. Der gute Kaufmann /[459] der also hinter das Licht geführet / und genug außgelacht worden / wuste anderst nichts zuthun / als daß er ohne Verzug mit seiner langen Nase weggezogen / und hingegangen / den überrest seiner Brunsten unter dem Schatten seines Obdachs abzukühlen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 454-460.
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