CCXVII. Der gestohlene Rock.

[462] Ein listiger Kumpe zu Paris gieng einsmahls spatzieren in der Stadt / und als er eines Notarii Hauß offen stehen sahe / gieng er ungescheuet hinein / als wann er der Herr im Hauß währe / und sahe sich auff allen Seiten umb / ob er nichts zu Mausen finden möchte. Zu seinem guten Glück nun sahe er auff einem Schanck ein grossen Rock von geblümten Zeug liegen / davon man wol drey Kleider hätte machen können /weil mehr als 15 Elln dabey gewesen / schauete sich derowegen allenthalben umb / wie er diese Beute davon bringen möchte / daß es niemand gewahr würde / und er nicht darüber in Unglück käme: Weil er nun niemand weder gesehen noch gehört /[462] der ihn daran verhindert / nahm er ihn unter den Arm / und sprang in zweyen Sprüngen zum Hauß hinauß: Im Fortgehen aber kam eben der Herr im Hauß darzu /der / als er ihn so geschwind eylen sahe / ihn fragte /was es währe und was er trüge? Die Noht lehrt ihn einen guten Raht ergreiffen / daß er ihm mit / einem frischen Gesicht / und ohne einige Bestürtzung antwortete: Eure Frau hat mir befohlen / daß ich diesen Rock aufftrennen / und anderst machen / und mich damit eylen solte. Hierauff sagte der Notarius zu ihm: Wolan / lieber Meister / so bitte ich euch / ihr wollet Fleiß daran wenden / welches dann ihm der ander versprochen / und sich mit dem Rock auß dem Staub gemacht.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 462-463.
Lizenz:
Kategorien: