CCXVIII. Die hintergangene Eyffersucht.

[463] Ein junger Mensch von Paris / nachdem er hin und wieder auff Universitäten gewest / kam wieder heim /da er dann ein gute Zeit unverheurahtet geblieben /und in solchem Wesen sich sehr wol befunden / in dem er an allerhand Kurtzweil / wie er nur begehret /keinen Mangel gehabt / und weil er der Weiber List und Betrug / sonderlich derer zu Paris / erfahren /hatte er aus Furcht / daß er zum Hanrey gemacht werden möchte / keine Lust sich zu verheurahten / noch ein Vater zu werden / und einen Erben zu zeugen /sondern stets im ledigen Stand zu verbleiben. Weil er aber entlich bey sich betrachtete / daß er doch zumahl da hindurch muste / und besser wäre / zeitlich darzu kam / als lang zuwarten / so nahm er sich für / ein Weib zu nehmen / ehe er gar nichts mehr taugete /und daß den Weibern nichts mehr Ursach gebe / ihre Männer in den[463] Hanrey Orden zuversetzen / als daß sie nichts könten / über das war in ihm auch die sonderliche Räncke / so die Weiber ihre Kurtzweil zu haben /erdencken / wol bekant / er wuste der alten Kupplerin Schlich und Griffe / so sie unter dem Schein / als brächten sie Garn / Tuch / kleine Hündigen / und dergleichen / zu gebrauchen: Es war ihm nicht unbewust / wie sich die Weiber pflegen tranck zu stellen / wie sie mit ihren Bulen / so ihnen ein Mummen-Schantz bringen / ihre Abrede halten / wie sie in den Herbst ziehen / wie sie ihnen unter dem Vorwand der Verwandschafft eine Außrede zu suchen wissen. So hat er auch den Bocatium und die Celestinam gelesen / bildete sich derowegen ein / er wolte gescheid seyn / und sich so wol versehen / daß ihm keine Hörner aufgesetzt würden. In dieser Einbildung nun machte er ein Creutz mit der rechten Hand / und befahl sich Gott /willens sich eine nach seinem Gefallen / die schön /verständig / und tugendhafftig sey / außzulesen /daran er dann auch wenig gefehlet / dann er nahm eine junge / schöne / reiche und von einer vornehmen Freundschafft / mit der er Hochzeit gehalten / und sie in sein Väterliches Hauß geführet. Er hatte aber eine ziemliche betagte Frau bey sich / die seine Säugamme gewesen / und sich die gantze Zeit in seinem Hauß aufgehalten hatte / Nahmens Peretta / ein listiges und verschlagenes Weib / diese übergab er seiner jungen Vertrautern / daß sie von ihr Haußhalten lernen solte /und sagte zu ihr: Mein liebster Schatz / ich bin gar wol versorget mit dieser Frauen / dann sie ist meine Säugmutter gewest / und hat mir und meinen Eltern grosse Dienst geleistet / diese gebe ich euch zur Gesellschafft zu / dann sie ist sehr Klug / und werdet ihr nichts Böses von ihr lernen. Nachmahls befahl er der Frauen Peretta absonderlich / daß sie[464] sich stets bey seiner Frauen halten / und bey benanter Straff nie von ihr weichen solte / welches sie auch zu thun versprochen. Es begab sich aber / daß unter andern / die in dieses jungen Ehemans Hauß auß- und eingiengen /ein junger Advocat / Nahmens der Herr von Beaufort / auß dem Land Berry gebürtig gewest / die gar gute Freunde zusammen waren / und sich offt miteinander lustig machten / weil sie zugleich auf Universitäten studirt / und unterschiedliche Exercitia gelernet hatten. Dieser Beaufort war auff alle Sättel gerecht / und von jedermann geliebt / weßwegen ihn auch diese junge Frau und er sie wieder gern sahe also daß sie einander zu Bezeugung ihres guten Willens liebliche Blicken zuschickten. Ihr Mann aber / so ihr / weil sie noch gar jung / und erst neulich geheurahtet hatten /nichts böses zutrauete / gab nicht gnau Achtung drauff / sondern war damit vergnügt / daß er sie unter seiner Peretta Verwahrung gelassen: Beaufort so seines Theils auff gelegene Zeit wartete / als er die grosse Vertrauligkeit / die der Mann gegen ihm gebrauchte / und das freundliche Tractament / womit ihm diese junge Frau / mit einer sonderlichen Neigung vor andern begegnete / sahe / fand er einsmahls die Gelegenheit unter dem Gespräch unter andern auch etwas von seiner Liebe zu gedencken / und weil sie in einem Hauß / wo viel Leut gewesen / auferzogen worden / und auff alles Red und Antwort zu geben gewust / redete sie Beaufort mit diesen Worten an: Madame /es kan das verständige Frauenzimmer die gute Neigung ihrer Diener leicht erkennen / dann sie tragen ihre Hertzen jederzeit / wann sie nur wollen / in ihrer Hand / derowegen ist unvonnöthen euch meine Affection was deutlicher zu erkennen zu geben / dann eure unvergleichliche Schönheit / mit so[465] fürtrefflichem Verstand und sonderlicher Anmuht begleitet / veruhrsachet / daß kein Mensch ist / der sein Hertz nicht zu euren Füssen legen solte / und weil so hochtheure Sachen auch einen tapffern Muht erfordern / daß es mir so günstig gewesen / daß es mich zu einer so hochwerthen Persohn geführet / deren ich meine Neigung /so ich zu dergleichen schätzbahren Sachen träge /klärlich darthun möge / und wie ich mich unter allen denen / die ihr / euch aufzuwarten / würdiget / für den geringsten halte: Also bin ich versichert / daß eure Vollkommenheiten / die ich anbete / dasjenige / was mir euch zu bedienen abgehet / überflüßig ersetzen werde: Dann was mein Hertz anbelanget / ist dasselbe euch mit solcher Treue und Auffrichtigkeit zugethan /daß es unmüglich ist / eines dergleichen zufinden /dannenhero ich euch dieses so Augenscheinlich zu erweisen verhoffe / daß euch niemahls gereuen wird /wann ihr mich zu eurem beharlichen Diener werdet auffgenommen haben. Nachdem diese junge Dame /so gar ehrbahr und Leutseelig war / diesen verliebten Vortrag angehöret / hätte sie wol wünschen mögen /daß sie ihre Meynung so wol an den Tag geben können / als sie es im Sinn gehabt / jedoch gab sie ihm mit einer holdseeligen Stimme folgende ihrem Alter nach (worinnen die Weiber gemeiniglich noch etwas furchtsam und schamhafftig sind) genugsam verständige Antwort: Mein Herr / wann ich je willens wäre jemand zu lieben / so dörfte ich mich anjetzo umb keinen andern Liebhaber / als den jenigen / mit dem ich verheurahtet bin / umbsehen / dann derselbe liebet mich so sehr / und hält mich so wol / das ich nicht Ursach habe / an einen andern / als an ihn zu gedencken: Wann aber das Glück über mich verhängen solte /daß ich mein Hertz in zwey Theil theilen muste / so halte ich[466] so viel von dem eurigen / daß ihr nichts begehren würdet was zu meinem Nachtheil gereichet. Das Lob aber / so ihr mir gegeben belangend / stelle ich dasselbe an seinen Ort / und erkenne mich dessen unwürdig / schicke es derowegen deme / wo es herkommen / nemblich euch / wieder zu. Uber das kan ich nicht glauben / daß ihr dem jenigen / der so grosses Vertrauen in euch setzet / und euch so viel gutes thut / diesen Schimpff erweisen werdet / zu dem sehet ihr so grosse Verhinderungen / die euch billig von einem solchen Vorhaben / als das Eurige ist / abwendig machen solten / dann ich habe eine solche Hüterin bey mir / die / wann ich schon etwas Böses thun wolte / so genaue acht auff mich hat / daß ich ohne sie nicht das geringste vorzunehmen wuste. Als Beaufort diese Antwort hörete / ward er darüber sehr erfreuet / vornemblich aber / als er vermerckte / daß ihre Außreden auff die Vernunfft gegründet waren / worunter die Ersten keinen sonderlichen Nachdruck hatten / von den letzten aber diese junge Dame selbsten einen zimblichen Nachlaß gethan hatte / welche Beaufort kürtzlich folgendergestalt beantwortete: Madame / ich habe mich der dreyen Puncten / die ihr angezogen / zuvor wolversehen / und dieselbe reifflich erwogen: Ihr wisset aber / daß die zween Ersten an eurem guten Willen stehen / der Dritte aber auff Fleiß und Behutsamkeit beruhet. Dann was den Ersten betrifft / weil die Liebe so geartet ist / das sie gern mit muntern und höfflichen Leuthen umbgehet / so wollet ihr gedencken / daß ihr doch entlich einen andern / entweder bald oder spet lieben werdet. Weil nun dieses also seyn muß / so ists besser / daß ihr bey guter Zeit die Dienste desjenigen annehmet / der euch wie sein eigen Leben liebet / als daß ihr unter eines falschen Menschen Gewalt gerahtet / der eure[467] Ehre nicht so wol /als sie werth ist / in acht nimbt. Den andern belangend / so ist dieses ein solcher Punct / der schon von längsten von denen / so da wissen / was lieben ist /wiederlegt worden: Dann wegen der Liebe / so ich zu euch trage / ist es so fern / daß ich eurem Vertrauten hierdurch eine Unehre anthue / daß ich ihme vielmehr hierinnen eine Ehre beweise / wann ich von Hertzen liebe / was er liebet / dann dieses ist ein Kennzeichen der wahren Freundschaft / wann zwey Hertzen einerley Ding lieben und könnet ihr wol gedencken / wann wir zween einander Feind / oder nicht so vertraute Freunde wären / würde ich nicht so gute Gelegenheit haben / mit euch zu reden / welches dann euch bewegen soll / das Feuer / so mich gantz verzehren thut /zu leschen. Was nun den Letzten berühret / so wisset ihr wol Madame / daß zweyen Edlen und der Lieb ergebenen Hertzen nichts unmüglich ist. Diesem nach wuste Beaufort bey dieser jungen Damen sein Wort so scheinbahrlich vorzubringen / daß sie sich überwunden geben muste / und nichts mangelte / als ein Mittel zu ersinnen / wie sie ihr Verlangen erfüllen möchten: Sie konten aber solches für der Peretta / so ihrer gar zu fleißig hütete / nicht zu werck richten /dann sie hatte zwey scharffe und zu aller List abgerichtete Augen / daß alle Erfindungen / die Beaufort seines Theils erdachte / umbsonst und vergebens waren / jedoch besann er sich auf etwas / so ihn nicht gar uneben zu seyn bedünckte / welches dieses gewesen: Er vertraute einem Kauffmann / so mit Seiden Waaren handelte / so sein guter Freund / und noch ledig war / und nicht ferne von der Brücken unser lieben Frauen wohnete. Am Allerheiligen-Tag nun /gieng diese junge Dame von der Liebe begleitet / wie es unter ihnen abgeredet worden / umb die Predigt Zeit aus ihrem Hauß /[468] einen Doctor / so bey S. Johan predigte / und einen grossen Zulauff hatte zu hören /ihr Mann aber blieb / wegen etlicher Geschäfften / daheim / wie sie nun für des Herrn Henrichs (also hieß der Kauffmann) Hauß furüber gieng / und ihr (dem angestelten Geheimnüß gemäß) ein Zuber voll Wassers über den gantzen Leib gegossen / welches so unvermerckt verrichtet worden / daß jederman so es gesehen / vermeinet / es sey von ungefehr geschehen. Ach Gott / sagte sie / Frau Perrette / ich darff mich vor niemand sehen lassen / was soll ich machen? Gieng hierauff geschwind in Herrn Henrichs Hauß /und sagte zu der Frau Perrette / meine Freundin / lauffet hurtig / und bringet mir meinen mit Schaffsfellen gefutterten Rock / ich wil eurer hier bey dem Herrn Henrich warten. Die Alte gieng hin / und die Dame hinauff / da sie ein gutes Feuer fand / so ihr Liebster anmachen lassen / und ein Bett darneben / auf welchem sie sich miteinander caressirten biß die Alte hin und wieder gingen / und den Rock sambt anderer Zugehör mit gebracht. Der Mann / so zu Hauß geblieben / und die Perrette in der Cammer gehöret / welche ihm aus Furcht / daß er zornig werden möchte / nichts darvon gesagt hatte / gieng hinauff zu ihr / und fragte sie / wo seine Frau wäre? Die Perrette erzehlte ihm alles was vorgangen / und daß sie kommen wäre / andere Kleider für sie zu holen. Daß dich dann der Teuffel hol / sagte er / und ließ sich gleich nichts gutes träumen: Dieß ist abermahl ein neues Stücklein / so ich nicht auffgeschrieben / da ich doch vermeinet ich wüste sie alle: Ich bin nun wol außgeziert / und mag dieses wol eine unglückseelige Stund seyn / in der ich zum Hanrey gemacht worden. Gehet geschwind wieder hin / dann ich will ihr das übrige durch den Jungen schicken. Die Frau[469] Peretta that solches / es war aber schon zu spät / dann Beaufort hatte schon ein Theil seiner Geschäfte verrichtet / und sich durch die Hinter-Thür / als er der Peretta Wiederkunfft durch die bestelte Schildwacht / berichtet worden davon gemacht / also daß die Peretta im geringsten nichts warnehmen können: Dann ob wol diese junge Dame etwas röhtlich außgesehen / so hat sie doch vermeinet / daß solches von der Hitze des Feuers geschehen /deme auch also gewesen: Es war aber ein solches Feuer / so sich nicht durch Wasser aus dem Bach leschen lassen.

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Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 463-470.
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