CCXX. Die bestohlne Bürger.

[476] Es begab sich einiges Tages / daß / als zu Paris viel Volks sich versamblete / einer von dem Vortrab der Brücken / auf der Pfaffen Wiesen mit andern spatzieren gieng / zweiffelsfrey / zu versuchen / ob er seine Nachtmahlzeit gewinnen möchte. Demnach gieng er auff alle Seiten der Spatziergängen nahe an dem Wasser / als an welchem Orth damahlen sich eine ziemliche Anzahl junger Pursch badeten. Er wante alle seine Kräfften an / umb zu sehen / ob er etwan ein Kleid oder Mantel ertappen könte / aber dieweil er in acht nahm / daß man gute Wacht hielte / hatte er keine Hoffnung / etwas an selbem Orth zuerhaschen. Zu letzt / als er an der Vollziehung seines Vornehmens verzweiffelte / kehrete er wiederumb / und nahm seinen Spatziergang die Länge des grossen Wegs / so sich von Anfang der grossen Pfaffen-Wiesen / auff der Seiten der Königin Margarethen-Hoff / biß zu Ende der Wiesen erstrecket / daselbst folgete er einem Bauersmann / so neulichst auß der Landschafft Brien kommen / er gesellete sich zu ihm / und unterhielte ihn eine Zeitlang mit gutem Gespräch / auch so gar /daß er bereits gute Hoffnung über seinem Vornehmen schöpffete / und etwas von besagtem Bauern zu erhaschen vermeinete. Wie sie aber also mit einander spatziereten / und der Bauer zumahl an den Bossen nicht gedachte / begab sich ungefehr / daß ein anderer aus Brien obbemeltem Bauern begegnete / und weilen er seiner Kundschafft hatte / führete er ihn mit sich. Da wante sich dieser Räuber auff die Gänge / so gegen dem Hospital der Liebe sind / fand aber zumahl keine Ursach daselbsten zu verbleiben. Er setzte sein Glück forth / und als er von weitem eine Gesellschafft von Bürgern ersehen mit der Kugel spielen /[477] machte er sich zu ihnen / in Hoffnung / wann sie ihr Spiel würden zu End gebracht haben / das Seinige anzufangen. Wie Er ihnen nun eine Zeitlang zugesehen /begab sichs / daß etliche unter ihnen das Spiel verlohren / da fieng man an von dem Abend-Zehren zu handeln / ein jeder machte sich zum Abzug fertig / der Orth / da die gantze Gesellschaft / deren wol 12 Persohnen wahren / solte zusammen kommen / war in der Vorstadt S. Germain / in einem der besten Wirths-Häuser / so in bemelter Vorstadt zu finden / bestimmet. Der Raub-Vogel / der den Orth ihrer Zusammenkunfft / auch daß sie Lust zu Abend zu zehren hatten /angehöret / beschloß bey sich / seinen Nutzen darbey zu suchen / gieng deßwegen unvermerckter Sachen von ihnen / und kam vor ihnen in besagtes Wirths-Hauß / befahl auch daselbst eine Collation vor 12 Nahmhafte Persohnen zu zurichten. Der Wirth vermeinete / dieser Mensch wäre zu ihm / umb sich desto geschwinder fertig zumachen / abgeordnet / und machte seine Anstalt / sie aufs beste zu empfangen: Als solches vorgieng / kam die Gesellschaft angetretten; Er befahl / daß man die Collation auffstellen solte / das war aber die bequeme Zeit / da der Raub-Vogel ihrer gewärtig war / dann als sie in den Hoff traten /sprach er zu ihnen: Ihr Herren / gebet mir euere Mäntel / und gehet hinauff in die erste Kammer. Darauff die Bürger / weiln sie ihn nicht kanten / und ihn vor den Hauß-Knecht hielten / ihm die Mäntel gaben /und giengen ohne einige böse Gedancken hinauff in die Kammer. Als solches vollbracht / gehet er wieder in die Küche / leget die Mäntel auff Seit / unterdessen aber wartet man ihnen auff / die Tische werden gedeckt / die Collation wird zugerichtet und aufgetragen / sie nehmen ihre Stellen ein / und fiengen[478] darauf an sich lustig zu machen / der Räuber aber dienete zu Tisch / und hatte seine Salveten auff der Schulter liegen. Der Wirth vermeinte / ob thät er ihnen zustehen /sie hergegen bildeten ihnen ein / als wann er einer von den Haußgenossen wäre. Nach eingenommener Collation wolte der Dieb vor seinem Abzug auch etwas davon versorgen / zechte deßwegen sehr wohl von dem überbliebenen / und nach Verrichtung seiner Mahlzeit / nimbt er die beste Mäntel machet sich auß dem Wirths-Hauß / und gehet in die Stadt / daselbsten sich seiner Last zuentladen. Da nun die Bürger ihre Lust verrichtet / und eine Zeitlang mit Gespräch in dem Wirths-Hauß zugebracht hatten / begehreten sie mit dem Wirth zu rechnen / wie er dann sich auch einstellete / und nach Einnehmung des Geldes wie er mit ihnen darüber einig worden / nahm er von der Gesellschaft Uhrlaub. Dieselbe giengen zur Stund hinunter in die Kammer / wie sie aber ihre Mäntel fordern / erschracken sie hefftig / daß sie von dem / so sie suchten / nichts finden solten. Der Wirth aber entsetzte sich am meisten darüber. Dann er hielte darvor / daß der / so den Raub davon getragen / von ihrer Gesellschafft und ihnen zuständig wäre: Sie hinwieder stunden in der Meinung / als ob der Dieb ins Hauß und in den Schutz des Wirths gehörete. Solche Einbildung verursachte beyderseits eine grosse Verwirrung. Der Wirth machte sich der Bürden damit loß / daß seinem Bedüncken nach der Dieb mit ihnen kommen währe. Die andere hergegen erzürneten sich über ihn / und waren böß / daß sie ihre Mäntel verlieren solten / und fehlete wenig / daß sie nicht in seinem eigenen Hauß mit Gewalt ihn übernommen hätten.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 476-479.
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