CCXXV. Der betrogene Kaufmann.

[513] In offt besagter Stadt Paris wohnete Prisonierres / ein Kauffmann / und ein geitzger Mensch / welcher allerley erdachte / damit er nur etwas mit recht oder unrecht an sich brächte / und ob er wol keine Kinder hatte / die seine Güter nach seinem Hintritt hätten einnehmen können / so war doch dieses seine meiste Sorge. Dieser Prisonierres hatte zu Zeiten sein gröstes Belieben seine Cronen zu zehlen / und durch die Hände gehen zu lassen / neben dem hatte er gemeiniglich einen grossen Beutel vom Gürtel an seinen Sack hängen / dieser Beutel war von einem der Samaritanen Zunfft-Gesellen erkant. Dieser Gesell gieng unterschiedlichmahl über die Kauffmans-Brücke / und warff allwegen sein Gesicht in Prisonierres Laden /umb zu ersehen was vor einen Weg / seinen Beutel zu ertappen / er nehmen muste. Nachdem er nun offtmals[513] bey dem Laden vorüber gangen / erdachte er eine List / und nahm zu dero Vollziehung einen seiner Gesellen von der neuen Brücke / zu hülff mit sich / und zogen beyde Bauers-Kleider an. Der eine unter ihnen war sehr unverschämbt / und wer ihn gesehen hätte / solte ihn vor der geschicksten Bauern einen gehalten haben / angesehen er eine gravitätische Manier an sich hatte. Er bracht eine geraume Zeit mit seinem Gesellen zu /zu berahtschlagen / ob er fort und in den Kram / oder wieder zurück gehen solte / dieweil er etliche Kauffleute darinnen ersehen hatte. Solches machte ihm die Spitze seines Anschlags gantz stumpff. Dann unter so vielen hätte er sein angebrachtes Fundstücklein nicht wol spielen können: Jemehr ihn die Künheit hinzu trieb / jemehr jagte ihn die Furcht / daß er möchte erkant werden / wieder hinter sich: Entlichen fasset er diesen Schluß / daß er so lang Verzug haben wolte /biß die Kauffleute würden hinweg gangen seyn / und dahin brachte ihn die Hoffnung / grössern Gewinn zu erlangen. Inzwischen verdroß es seinen Gesellen hefftig / so lange Zeit mit Warten zu zubringen / und daneben den Außgang nicht vollendet zu sehen. Der andere sprache ihm einen Muth ein / umb noch eine geringe Zeit biß der Laden würde ledig seyn / zu verziehen / welches er auch wiewohl mit Ungedult / geschehen ließ. Entlichen / als der Erste / wie der Laden ledig / und die Kauffleute heraus gegangen wahren /vermerckte / kame er / dessen seinen Gesellen zu berichten / und ermahnete ihn / sich fertig zu haltē / das versprochene zu empfangen. Dieser stellete sich am Ende der Kauffmans-Brücken gegen dem Gericht-Platz zu auf gute Wacht / jener aber gieng zur Seiten in des Kauffmans Laden / darinnen er sich allein befand. Er ließ ihm unterschiedene Meßgewandt auffmachen / vorwendende /[514] als wann er zu Gentilly vor weniger Zeit zum Sigristen währe erwehlet worden /deßwegen er ein neu Meßgewand / wofern man ihm guten Kauff geben wolte / zu haben willens wäre. Prisonierres / der auff den Gewinn begierig war / zeigete ihm unterschiedene Waaren von Damaß / von Taffet /von Atlaß / und anderem Zeuge / unter solchen erwehlete der Beutelschneider eine / darumb er den Kauff machte / ward mit Prisonierres des Preises einig / und da solches verrichtet / gedachte er das übrige außzuspielen / sagte zu besagtem Kauffmann / wie der Meßrock ihm stünde / bevorab weilen er gleicher Statur / Grösse und Dicke mit seinem Dorff-Priester wäre / bate ihn derhalben / ihm den Gefallen zu erzeigen /und denselben an zu versuchen. Prisonierres / welcher keineswegs vermercken konte / was vorgewanter Sigrist damit meinete / leget das Meßgewand an. Wie er sich nun dem besagten Sigristen zu zeigen / herumb drehete / schiebete der Beutelschneider die Hand in seinen Sack / schnitte gantz unvermerckt ihm den Beutel ab / und nahme die Flucht: Prisonierres verspührete alsobald den Verlust seines Beutels / nahm ihm aber die Weil nicht / den Meßrock von seinem Rücken zuthun / sondern lieff in solcher Postur seinem Kauffmann nach. Alles Volck sahe ihn an / er schry dem Diebe nach / der seinen Beutel genommen hatte. Doch hatte er denselben bereits seinem Gesellen / der auff der Wacht stund / gegeben. Jemehr man aber die Augen auff Prisonierres warff / jemehr und stärcker machte er sich auff die Beine / und verfolgete seinen Mann. Unterdessen säumete sich auch der Beutelschneider nicht / und war ihm bereits ungefehr auff 30 Schritt zuvor kommen / auch sagte er allenthalben / da er durchlieff / man solte ihn / weil es eine Wettung gülte / nicht auffhalten[515] Prisonierres schrie ohn unterlaß / aber dieweil er nicht geschwinde Füsse der Gnüge nach hatte / verlohr er seinen Sigristen aus dem Gesicht / und war mit Spott und Schand wieder mit Verlust seines Gelds / umbzukehren gezwungen /das war die Wiedervergeltung seiner grossen Geldsucht.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 513-516.
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