CCXXVII. Der entführte Gast-Wirth.

[506] Als Franckreich unter dem Regiersüchtigen Marschall d'Ancre sehr geplaget ward / war zu Soisson ein frischer Soldat / Nahmens Auxerres / der sich in den Waffen eine geraume Zeit geübet hatte / als derselbe verspührete / daß besagter Marschall d'Ancre die Königliche Würde in Händen hatte / und die Fürsten Franckreichs in ihrem eigenen Land verfolgete / ließ er sich unter den Fahnen des Herrn Hertzogen von Mayenne / dessen Gedächtnüß / weilen es mit güldenen Buchstaben auff das ewige Kupffer der Unsterbligkeit eingegraben ist / nimmermehr vernichtet / unterhalten / und ließ Auxerres sein Gemüht zum öfftern sehen. Der Hertzog von Mayenne /[506] welcher sich in Soisson / daselbst die Anläuffe des Marggraffen d'Ancre abzuschlagen / begeben hatte / erkante auch bald in einem Anfall die Tapfferkeit dieses Soldaten. Auxerres kam niemahls aus des Feindes Lager / er hätte dann zuvor gewisse Merckzeichen seiner Stärcke hinterlassen. Aber wie die Stärcke an einem Soldaten wenig geachtet wird / wann er nicht zugleich auch Klugheit darbey hat; als wolte Auxerres eine Probe thun / daß er nicht weniger in Kriegslisten / als in Scharmützeln geübet und erfahren wäre. Dann es begab sich nach einem starcken Ausfall / da viel von des Marschalcks d'Ancre Volck / vornemblich von den Außländischen auff dem Platz blieben wahren /daß er einen seiner vertrautesten Freunden zu sich nahm / und sagte / daß er ein grosses Werck im Sinn hätte / und man zu dessen Vollziehung einen steiffen Muht fassen muste. Sein Gesell / der gleicher Statur und Natur mit ihm war / hörete mit Fleiß zu / und versprach ihm / daß / so ihm sein Beystand würde angenehm sein / er ihm gern in seinen Anschlägen Gesellschafft leisten wolte. Als nun Auxerres ihn wolgemuht sahe / erklärete er ihm seine Meynung / daß er sich biß nacher Paris an die Pforten begeben / daselbsten einen Gefangenen wegnehmen / und eine gute Rantzion von ihm nehmen wolte. Nachdem solches beschlossen / begeben sie sich heimlich auß Soisson /und stelleten sich / ob wolten sie den Feind ein wenig aufwecken (dann es war die Stadt damahlen noch nicht dergestalt belägert / daß die Feinde alle Auß- und Eingang berennet hatten) sie reiseten des Morgensfrüh wolberitten von dannen / kamen durch die Armee glücklich zu Paris an. Damit aber dem Auxerres der Streich destobesser abgehen möchte / stieg er in einem der vornehmsten Gasthäuser zu[507] Paris ab. Wie sie nun in besagtem Wirthshauß ankommen /empfing sie der Wirth Isle in Meynung / ob sie Edelleut wären / sehr freundlich / und tractiret sie aufs herrlichste / mit aller Ehrerbietung und Freundligkeit. Also brachten sie wohl 8 Tag in besagtem Wirthshauß zu / und wendeten viel Unkosten auff. Isle vermerckete wol die Rencke / so man ihm spielen wolte /und wie er zuweilen seinen Stall besichtete / verwunderte er sich höchlich über die schöne Pferde seiner Gäste / und war das geringste darunter wohl 100 Cronen werth. Nun trug es sich eines Tags zu / daß sie mit einander Sprach hielten / und fieng Auxerres an zusagen / daß ihm ein Unglück zugestossen wäre /und ihm das Geld / dessen er ihn zubezahlen / gewärtig gewesen / wäre auff dem Weg geraubet worden: Im übrigen aber hätte er 2 Pferde / welches von beyden er umb einen billigen Preiß nehmen / und darauf die Summ der Schuld abziehen wolte? Isle hatte bereits die Augen auf besagtes Pferde geworffen / und war begierig eines von beyden zukauffen / doch daß er ihnen das übrige / so er schuldig verbleiben würde / heraußzugeben gesinnet wäre. Der Kauff wird gemacht. Auxerres berichtet seinen Gesellen / was vor ein Stücklein er seinem Wirth spielen / und wie er ihn vor die Stadt hinauß locken / und nach Soisson gefänglich führen wolte. Das Werck wird so wol getrieben / daß Isle des Kauffs einig wird / und sich auf seine Bitte zu Pferd mit ihnen machte / auch darauff sein Pferd zu versuchen / der St. Martins-Pforten hinaußritte / Auxerres lockete ihn / so viel müglich / vor die Stadt / und sein Gesell wante auch möglichen Fleiß an / wiewohl zu Fuß / damit er ihn viel weiter davon bringen und einstricken möchte. Endlichen / da sie eine halbe Meil von Paris waren / und Isle daselbst[508] sein Pferd gleichsam Spatzierungs- und Lustweise tummelte / machte sich Auxerres zu ihm / zog eine Pistol / inzwischen / daß sein Gesell das Pferd am Zaum hielte / auß seinem Sack / setzte ihm dieselbe an die Gurgel und erschreckte ihn dermassen / daß er schwerlich Athem hohlen konte / und deßhalben /als einer / der ausser sich selbst war / fragte / was sie von ihm forderten? Auxerres gab ihm keine weitere Antwort / als das er mit ihnen nach Soisson reisen muste. Hierauf knöbelten sie ihn / und führeten ihn auch vor den Augen der Pariser hinweg. Isle war über solcher Listigkeit gantz bestürtzet / und bildete ihm anfangs ein / alswann sie ihn hinlieffern wolten; so bald er aber verständigt ward / daß sie nichts als seine Rantzion begehreten / gab er sich in etwas wieder zu frieden / und war durch sie nacher Soisson geführet /da er dann auch noch Entrichtung der Loßzahlung das Geld außzahlen ließ. Hierauff gab man ihm einen Paßzettel wieder nacher Paris zu reisen / und ward daselbst von seinen Freunden / ohneracht seines Verlusts / mit Freuden empfangen / weil man glaubte /daß er unterwegs umbs Leben kommen währe.

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Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 506-509.
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