CCXXXIII. Der listige Amertis.

[526] Amertis hatte wohl gereist / daß er also aller Ohrten sehr bekant war / auch mit unterschiedlichen gute Vertrauligkeit hielte / deßgleichen in allen Händeln verschlagen und geübt war. Indem nun derselbe auf eine Zeit in dem Königlichen Saal zu Paris auf und ab spatzierte / umb zu sehen / ob er eines oder des andern Handel außkundschafften möchte / ersiehet er einen Kauffmann von Lyon bey einem seiner Bekanten stehen / mit dem er etlicher Waaren halber / so er ihme geschicket / sprach[526] hielte: Er sahe denselben lang an / zu erforschen / ob / und welcher gestalt er den Kauffmann anführen solte / aber in dem er der Sachen nachdencket / ward er etlicher gewahr / die von diesem Kauffmann Sprach hielten / da einer vorbrachte / er wäre von Lyon / und sey ihm dieser Kauffmann bekant; Zu diesem Gespräch kehrete obgedachter Amertis das Gehör; der ander gibt vor / er hätte mit ihm in Italien eine Reise gethan / und wäre er ihm dannenhero auch noch Geld schuldig / so er ihm zu Meyland auff sein Begehren vorgestreckt. Als das Amertis mit allem Fleiß in acht nahm / wer derselbe Kauffman war / wo und zu welcher Zeit er an solchem Orth gewesen / gieng er zu dem Kauffman / der unter denen vornehmen Stands-Persohnen war / mit welchen er in einem Handel stunde / den grüssete er mit tieffem Reverentz: Der Kauffmann / weil er den Amertis nicht mehr gesehen / kehrete sich gegen ihn /und gibt ihm wieder seinen Gruß / neben diesen Worten: Der Herr wolle mirs günstig vorguht halten / ich kan mich des Herrn Kunddschafft nicht wol besinnen / mich bedünckt aber / daß ich denselben irgend mehr gesehen. Diese Wort bliesen dem Amertis sein Hertz mehr auff / daß er ihm darauff zur Antwort gab: Mein Herr / ich bin eben der / so die Ehr gehabt mit ihm aus Italien eine Reise zu thun: Der Kauffmann / welcher sich nicht mehr der / so vor 15 Jahren auff der Reiß in seiner Gesellschafft / bevorab weil derer mehr gewesen / erinnern konte / glaubte das / so er sagte /und nahm ihn vor einen bekanten Freund an. Amertis bekam von dieser guten Meynung eine Hoffnung /und nach allerhand Gespräch und Befragung / wie es ihm / seithero er ihn nicht gesehē ergangen wäre /fienge er an zu sagen: Nach dem ich den Herrn anjetzo erwünscht antreffe / kan ich denselben[527] unbesprochen nicht lassen / und geschehe mir ein grosser Gefallen / wann mir der Herr die 100 entlehnte Cronen wiederumb gut machte: Der Kauffmann hörte diese Forderung mit grosser Verwunderung an / und wuste sich nicht in des Amertis Rede zu finden / und weil er nicht verstunde was er von ihm haben wolte /gab er ihm zur antwort: Er wüste von keiner Schuld /so er ihm zuthun wäre. Ich glaub nicht / antwortete Amertis / daß ein so redlicher Mann / wie ihr seyd /dem seine Ehr und guter Nahm gelegen ist / ein so verkehrtes Gewissen habe / und daß / so er mir zuthun / läugnen wolle / das wäre nicht allein dem Recht der Lieb Gewalt angethan / und aller Conversation zu wieder gehandelt / sondern es würde auch verursachen / daß alle euer Credit und gute Meynung / so man von euch / so wol in Paris / als zu Lyon gefast / dardurch zu Grund gienge; Wisset ihr euch nicht zu erinnern /daß ich euch zu Milan solches Geld vorgestreckt habe / ihr könt mir das nicht läugnen? Der Kauffmann war gantz bestürtzt / sagte / es bedüncke ihn nicht anders /als / da man ihm etwas von Geld auff seiner Reiß vorgestreckt / habe er selbiges wieder geben / der ander verneint solches / und hält mit seiner Anforderung beständiglich an. Die bey dem Kauffmann stunden / als sie dieser Wort eusserlichen Schein sahen / bildeten ihnen ein / es müste solches Begehren rechtmäßig seyn / gaben darauff dem Kauffmann unrecht / und in warheit nach den Geberben des Amertis zu urtheilen /hätte man nimmermehr gedencken sollen / daß einiger Betrug in solchem Vorgeben gewesen wäre. Nachdem Amertis siehet / daß er den Tag seiner Forderung Endschafft nicht erreichen würde / schobe er seinen Handel auff den andern Tag / da sucht er seinen Kauffmann wieder / und wie er bey[528] einer ehrlichen Gesellschafft stehet / gehet er abermahls auf ihn zu. Der Kauffmann / als er siehet / daß dieser Betrieger ihn wieder vor so ehrlichen Leuten beschweret / befürchtet sich / es möchte ihm ein Schimpff daraus entstehen / derowegen nimbt er einen von der Gesellschafft abseits / bittet den / daß er solche Forderung in seinem Nahmen auf sich nehmen wolte / und solte man sehen / was daraus erfolgen würde. Darauff dieser das Wort von sich geben / wie er siehet / daß Amertis dem Kauffmann mit der Forderung zusetzte /sagt er zu ihm in Gegenwarth der Gesellschafft: Mein Herr / ihr habt Unrecht / daß ihr euch dieser Schuld-Forderung halben an diesen Herrn haltet / dann ich bin es / der solche Schuld euch zuthun ist / ohneracht ein jeder wol wuste / daß derselbe niemahls in Italien gewesen. Amertis / als welcher über die massen verschmitzt war / gibt zur Antwort: Mein Herr / ich weiß wol / gestalt ihr mir anjetzo selbsten vor dieser Herren Præsentz bekennet / daß ihr mir vor euer Persohn 100 Cronen schuldig seyd / welches ihr mir vermög eigener Bekäntnüß nicht werdet läugnen können: Aber was diesen Herrn belangt / welchem ich besagte Summa Gelds in Italien vorgestreckt / muß er mir solche unfehlbahr bezahlen. Dergestalt überzeugt er beyde so hart / und beträngt sie so hefftig mit Lästerworten / daß diese aus Furcht / sie möchten ihren ehrlichen Nahmen / bevorab in einer so ansehnlichen Gesellschafft allen Credit verliehren / lassen ihm die Helffte dieser anforderenden Summe geben / mit dem Versprechen / sie wolten ihm den Rest mit der ersten Gelegenheit auch erlegen; Und wird vielleicht dieser Gesell nicht gefehlet haben / solchen Rest zu holen /und ihnen der bezahlten Summ Geldes wegen / eine Quittantz zubringen. Welches dann eine grosse Unbescheidenheit[529] und ungläublicher Betrug / als einer hätte mögen erdacht werden.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 526-530.
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