CCXXXIX. Der Genffer Dieb.

[544] Umb das Jahr Christi 1503 lebte zu Genff ein greulicher Dieb / der hieß Marta: Dieser bezauberte die Leute also / daß sich niemand vor seiner Dieberey kunte verwahren / noch ihn straffen nach verbrachter That. Jederman wuste / daß dieser ein Dieb war / und sahe sich vor auff das beste als er kunte. Es war damahls ein gemein Wort in allen Häusern der Stadt /wenn die Nacht einbrach / daß die Herren und Frauen zu ihren Knechten und Mägden sagten: Schlieffet feste zu vor dem Marta: Dannenhero auch hernach ein gemein Sprichwort entstanden / wann man sich vor einem besorgete / der anklebende Hände hatte. Aber da war keine Thür / kein Schloß / kein Riegel / der ihn hätte können aufhalten / daß er nicht wäre eingangen / wo ihn gut deuchte: Dennoch aber so gieng er nicht allenthalben ein / sondern allein bey denen / die ihn schlimm ansahen / und Anzeigung gaben / daß sie ein Mißtrauen auff ihn hätten. Denn in seiner Dieberey wolte er gern vor behend und wunderbahr gehalten werden / er wolte aber nichts sparen / und etwa viel zusammen bringen / sondern er war vergnügt mit einem wenigen / und nahm nicht mehr als er zu einem[544] guten Schmause mit seinen Gesellen bedürfftig war /die führete er bald in dieses / bald in ein ander Gelach auff seinen Beutel / wenn er ihn gefüllet. Es durffte niemand dencken / daß er ihm wolte wehren / seinen Willen zu erfüllen. Denn er bezauberte dermassen die Leute im Hause / daß sie die Sprache und alle Mittel /ihm Wiederstand zuthun / verlohren; Er machte sie unbeweglich / wie die Bilder / wenn er in ihre Häuser gieng. Ehe er nun stahl / was ihm beliebte / hielte er zuvor Mahlzeit / nach seinem guten Belieben. Das erste / das er that / war / daß er ein Licht anzündete /darnach nahm er die Hauß- und Gemächer-Schlüssel /auch wol Herren und Frauen unter dem Haupt-Küssen / weg / ob sie gleich wacheten. Nicht daß er hätte Schlüssel vonnöhten / sondern / daß er in diesem Stücke seine Diebische Authorität erweisen wolte. Darauff gieng er hin / schlosse auff die Speisekammer und den Keller / trug herfür Speise und Wein; Deckete den Tisch / aß und tranck nach seinem Belieben /daß kein Mensch im Hause sich regete / ihn zuverhindern / oder zu schreyen / oder ihn anzureden / im bösen oder guten. Wenn dieses geschehen / bezahlete er nicht / wie die Mönche mit Deo gratias / sondern wie die Spanier / mit Rauben und Stehlen: Denn er machte die Kasten auff / und nahm von dem Gelde /das er drinnen fand / so viel als ihm von nöhten war /daß er 3 oder 4 Wochen mit seinen guten Brüdern in einem Wirtshause kunte lustig seyn. Des folgenden Tages lagerten sich er und sein Anhang wo sie es am besten bedünckte: Und die Gastwirthe empfiengen diese Gesellschafft freundlich: Denn an denen Orthen / wo Marta aus- und eingieng / und wo man ihn caressirte / thät er nichts übels. Wenn er nun etliche Zeit geschmauset / und[545] es zur Bezahlung kam / trug er kein Geld bey sich / sondern sagte zum Wirth: Gehet /suchet die Bezahlung in dem Winckel dieser oder jener Cammer / die wol in Monatsfrist nicht war eröffnet worden / noch jemand hineinkommen. Wenn der Wirth dieses thät / fand er seine Summa gantz richtig / daß nicht ein Heller fehlete / oder übrig war. Man möchte sich verwundern / warumb ihn die Obrigkeit nicht zur Straffe genommen. Er ist etlichemahl eingezogen worden: Aber die Gerichte durfften nicht die Gesetze überschreiten / welche verbieten / daß man einen Beklagten nicht verurtheile / biß er der That geständig gewesen. Nun dieser Morta verleugnete so steiff und feste die Warheit / daß es unmüglich war / etwas aus ihm zu bringen / weil er entweder die Marter nicht fühlete / oder dieselbe verachtete. Denn er fürchte sich so wenig für einer Folter-Züge / als einen Tantz an zutretten / wenn ihm ein harter Zug gegeben würde / stellete er sich / als wenn es ihm sehr wehe thäte / und schrye: Lasset mich loß / ich wil die Warheit sagen. Wenn er loß gemacht worden / sprach er zu den Herren: Was wolt ihr / daß ich sol sagen? Da ward er gefraget: Weissestu / wer hat dieses oder jenes gethan? Da trieb er ein Gespotte / und wiederholete die Frage: Weistu wer hat dieses oder jenes gethan? Darauff fieng er an zu lachen / und sprach: Gebet mir noch eine Strapade / meiner Liebsten zu Ehren: Also / daß sie ihn muste gehen lassen. Er verübte unzehliche Diebstahl auff oberzehlte Weise: Aber er starb nicht so schändlich / wie er wol verdienet / dennoch aber eben so grausam: Denn die Peste nahm ihm dermassen die Gurgel ein / daß er die Rede verlohr: und weil seine Mutter / die ihn wartete / besorgete / er möchte auffkommen / und noch gehangen werden /[546] begrub sie ihn lebendig in die Erden. Also lebte und starb der Gottlose Mensch.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 544-547.
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