CCXLV. Die betrogene Aebtißin.

[551] Eine Aebtißin hatte in einem Kloster 24 Nonnen / die wohneten in ihren Zellen im Kloster ins gevierdte /auff jeder Seiten von den vieren wahren ihrer neune /und die Aebtißin mitten innen / auf diese Arth:


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Also gieng die Aebtißin alle Tage im Kloster herumb / und visitirte ein jedweder Viertel des Klosters / umb zu sehen / ob sie ihre Nonnen richtig finde. Einsmahls kamen 4 Studenten vor dieses Nonnen Kloster / und baten umb einen Zehrpfennig / und da sie vernahmen / daß es ein Nonnen-Kloster wäre / trugen sie Verlangen hinein / und war ihrer aller Begehren und Wille /daß sie eine Zeitlang in diesem Kloster bey den Nonnen / verbleiben möchten. Damit aber die Aebtißin /wann sie visitiren gehen solte / auff jedwedem Viertel des Klosters nicht mehr als ihrer neun / wie vorhin jederzeit gewesen finden / und also die Studenten unter die Nonnen künstlich eingetheilet / damit diese Sache vor der Aebtißin verborgen bleiben möchte / so logirten sie jedesmahl in die mittelste Zelle ihre fünff / und in jede Eckzelle ihrer zwey / so wahren auff allen Seiten ihrer wieder wie vorhin / nur neune / und stacken doch heimlich die 4 Studenten unter den Nonnen im Kloster / daß die Aebtißin nichts davon wuste / und zwar auff solche Weise:[551]


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Da sie nun also eine geraume Zeit im Kloster bey einander gewohnet / und die Studenten sahen / daß sie sonsten über dieses / daß sie der Nonnen-Gesellschafft genossen / wenig Plaisier und Ergetzlichkeit im Kloster hätten / wolten sie lieber aus dem Kloster wieder heraus in die freye Welt gehen / und ein jedweder seine Nonne vor sich darzu mit nehmen. Damit aber die Aebtißin ihre geneunte Zahl gleichwol einen Weg wie den andern / in jedwed ein Viertel des Klosters / vor voll befinden möchte / wann gleich vier Nonnen davon mit herausser kämen / und also nicht mercken könte / wie sie gevexiret wäre: So stelleten sie in jede Eckzelle vier Nonnen / und in jede mittlere Zelle nur eine / nemblich also:


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Solchergestalt waren die 4 Studenten nicht allein /sondern auch noch darzu / 4 Nonnen aus dem Kloster hinweg / und fand die Aebtißin doch noch einmahl wie das andere auff jedem Viertel des Klosters ihrer neun / und konte nichts von dieser Fallacia und Geheyerey mercken; Und wann sie gleich fragte / warumb denn bald drey / bald vier / bald fünff / in dieser oder jener Zelle sich befinden? Gaben ihr die Nonnen zur Antwort / sie giengen je bißweilen aus jederem Viertel aus einer Zell in die andere zusammen und beteten mit einander: Also kunte die Aebtißin auf solche Weise auch nichts weiters aus der Sache machen /sondern muste damit zufrieden seyn / wann sie nur jederzeit auff jederem Viertel ihre neun Nonnen fand /wurde also die gute Aebtißin durch der Studenten und der Nonnen Listigkeit[552] stattlich vexirt / und bekamen die 4 Studenten ein gut Viaticum aus diesem Nonnen Kloster.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 551-553.
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