CCXLIX. Der betrübte Gefangene.

[555] Es hatte eine Königin einen gewissen Ubelthäter lassen gefangen nehmen. Als er nun umb Gnade baht /sprach sie: Wann er folgende 3 Fragen würde aufflösen können / solte er wieder auff freyen Fuß gestellet werden. Erstlich: Wie viel sie / die Königin wehrt wäre? Zweytens: Welches das Centrum oder Mittel in[555] der Welt seye? Drittens: Was sie die Königin gedächte? Der Gefangene lag Tag und Nacht in Sorgen / und gedachte / wie er solche Fragen aufflösen möchte. Uber alles Vermuhten kombt zu ihm ein arglistiger Bauer / welcher ihm gantz ähnlich sahe / dem erzehlet er sein Elend / und was ihm für Fragen aufgegeben worden. Der Bauer verwechselte hurtig mit dem Gefangenen die Kleider / und lösete der Königin die 3 Fragen folgendergestalt auff: Die erste: Die Königin wäre 29 Silberling werth / denn der Herr Christus hatte 30 gegolten / als ihn Judas bey den Juden verkaufft / sie muste ja was geringer gelten. Die zweyte: Er machte mit Kreiden einen Punct auff den Tisch /sagende: Das wäre das Mittelste in der Welt / wer solches nicht glauben wolte / der solte die Welt nach diesem Punct messen. Die dritte: Die Königin gedächte ind hielte davor / er sey der Gefangene / welchen sie hätte setzen lassen / allein sie fünde sich hierin betrogen / er wäre ein Bauer / und nicht der rechtschuldige Gefangene / wodurch er wiederumb loß gelassen wurde.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 555-556.
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