XXXVII. Der ungemeine Diebstal.

[59] Man erzehlet von einem andern Müller / welcher einem Bauern 5 viertel Korn von einem Mütt soll geraubt haben / da doch ein Mütt nicht mehr dann hält /die Sach verhält sich aber folgender Gestalt: Ein Bauer hatte ein Mütt Korn auff einem[59] Pferd zu der Mühlen geführt / der Müller / welcher den Bauren von weitem kommen sehen / beschloß das Hauß und die Mühlen gantz eigentlich / ließ sich weder sehen noch hören; Der Baur kombt zu der Thür / klopffet an / ruffet / Holla! Holla! Aber niemand antwortet ihm /er steigt ab / bind das Pferd an / läst den Mütt-Korn auff demselbigen liegen / gehet hinder das Hauß / willens den Müller zu suchen; Der Müller gibt darauff Achtung / laufft eylends zu der fordern Thüren hinauß / nimbt das Korn / schüttet es in einen Kasten / verbirgt den Sack / macht die Thür wiederumb zu / und begiebt sich schnell in das Hintertheil des Hauses: Indem rufft der Baur / und der Müller gibt ihm Antwort / gehet damit zu der Hinter-Thür hinauß / der Bauer sagt ihme / wie er Mütt-Korn beyder Vorder-Thür auff dem Pferd liegen hätte / bittet ihn freundlich / ihme denselbigen geschwind zu mahlen / dann er des Mehls / wegen vieler angestelten Arbeitern / höchlich von nöhten. Alß sie aber mit einander für das Hauß kommen / und das Korn dahin war / stellt sich der Müller / als ob er darumb nichts wüste / und ihm sehr leyd wäre: Was thut der gute Baur? Er spricht den Müller an / er solle ihm ein Mütt-Korn leyhen / dann einmahl müste er eylend Mehl haben / der Müller sagt ihm solches zu / nimbt den Mütt aus dem bewusten Kasten / mahlet ihn dem Bauren / und nahm noch ein Viertel von demselbigen Korn / und giebt dem Bauren das Mehl von dreyen Vierteln / da doch der fromme Baur ihm hernach den gantzen Mütt redlich bezahlt. Zu diesem setz ich folgenden Anhang: Zu Freyburg hat ein Bauers-Mann den Müllern insgemein gar schmählich zugeredet / und sich so weit vergessen /daß er geredt / die Müller seynd alle mit einander Diebe; Alß aber die Müller die Stadt[60] solches erfahren / haben sie den Bauers-Mann vor dem Ober-Amptmann hefftig darumb beklagt / darauff der Ober-Amptmann den Beklagten gefragt / ob er dieser Worten beständig / und dieselben zu erweisen wuste / oder ob dieselbigen wiederruffen wolte? Darüber der gute Gesell dem Amptmannan antwortet / wie er der Worten geständig / ihm aber leyd sey / daß er solche geredt / könte nichts beybringen / sey aber bereit den Müllern abzureden / und ihre Ehr zu restituiren / jedoch bähte er den Hn. Amptmann gantz demühtig / er wolte ihm so viel Zeit geben / biß die Müller allzusammen kämen / dann weil er sie auff einmahl gescholten / wolte er auch allen auff einmahl abreden /so er aber heut diesen in Freyburg genug thäte / wurden Morgens die aus dem Elsaß / Ubermorgens die auß dem Suntgaw / andere Tage aber die auß dem Schweitzer-Schwaben / Wirtenberger / Lottringer und andern Landen kommen / hätte er also damit wol ein Jahr zu thun / wolte deßwegen ihrer Zusammenkunfft erwarten. Hat aber ihnen biß Dato noch nicht abgeredet.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 59-61.
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