XL. Die unglückliche Beutelschneider.

[65] In eben diesem Lande lebte ein beruffener Säckel-Fäger / Nahmens Maillard; Nachdem dieser wegen seiner vielfältigen bösen Stücklein zu Paris / woselbst er auß dem Gefängnüß mit genauer Noth entwischet /sich nicht mehr sicher sahe / begab er sich mit noch 4 seiner Diebes-Cammeraden von dannen / und raubeten erschrecklich im Walde Senlis (welchem man den Zwiebel-Wald nennet /) dann alle / welche auß Niederland / von Cambray / Antorff / und von vielen andern Orthen kamen / wurden in diesem Wald jämmerlich umbgebracht; weiln es ein dicker / finsterer / und deßwegen gefährlicher Wald für die / so in Picardie reisen wollen / ist.

Wie nun solche Gesellen hin und her streiffen /desto eher etwas zu erhaschen / giengen ihrer zween den andern weit vor; Alß sie aber durch Royes und Dondidier / da ein grosses Schiessen angestellet war /zogen / verhofften sie alda[65] etwas stattliches zubekommen / ehe sie wieder zu ihren Gesellen kämen. Derohalben blieben sie bey solchen Schiessen: Aber das Glück wolte ihnen dißmahls nicht wol. Dann alß sie einem Schieß-Gesellen von Amiens / seinen Mantel gestohlen / wurde ihnen so hart nachgesetzet / daß sie endlich ergriffen / über zween Tag mit Ruthen außgestrichen / und mit der Lilien gezeichnet wurden: Alß sie nun von einer Gassen zu der andern geführet / und von einem grossen Hauffen begleitet wurden / welche ihnen in das Angesicht speyen / und sie mit Dreck würffen / nahmen sie ihnen vor / sich an ihnen zu rächen. Und alß sie an der Pforten / altem Brauch nach /ihre fünff Schilling empfangen hatten / und von Mondidier verwiesen waren / begaben sie sich zu ihren Gesellen in den Wald de Pont / und klagten denselbigen das Unglück / so ihnen wiederfahren.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 65-66.
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