XLII. Der betrogene Bürger.

[69] Gleich wie Paris eine Welt voller Volck / also ermanglts auch daselbst nimmer an Beutelschneider und Leut betrieger. L'Escluse war ein Meister darunter /welcher vor allen Dingen dahin trachtete / daß er dieses oder jenes wolhabendē Bürgers Zustand umbständlich außforschete / als er nun auff eine Zeit woll auß gekundschafft / daß ein vornehmer Bürger / so in der Strassen St. Antoine wohnete / einen Meyer oder Hoff-Man hatte zu Lovore en Parisis, gehet er an selbigen Orth und spähet alles wol auß. Er erforschet alle Gelegenheiten des Hoffes / und erfähret / wie der Hoffman und seine Knechte heissen. Und alß er dieses Fundament gelegt / nach dem Exempel der Jäger /welche des Abends die Höle besehen / welche sie Morgends durchsuchen wollen; kehret er wieder[69] gen Paris / zeiget seinen Gesellen an / was er außgespürt habe / was er auch für ein Garnstellen wolle / den Hasen zu fangen: Und als er wuste / daß der Bürger zu Hauß war / verkleidet er sich zuweilen als ein Bürger und Bauer verfügt sich zu ihme und redet ihn also an.

Mein Herr / es ist nun acht Tage / daß ich auf eurem Hofe Lovore diene / bey Martin le Clair / aber es ist uns ein grosses Unglück wiederfahren. Der Bürger und seine Haußfrau würden darüber sehr bestürtzt / dencken / ob vielleicht der Hoff sey abgebrennet /oder der Hoffman gestorben: Fragten derhalben was es sey?

Mein Herr / antwortete L'Escluse / ihr sollet wissen / daß / als euer Hoffman und ich gen Paris jetzunder kommen / und etliche Früchte herführen wollen / und wir in die Vorstadt St. Martin kommen / uns ein Radt zerbrochen / darüber mein Herr von dem Korn ihme ein Bein zerfallē.

Dieses hat mich gawaltig erschrecket / doch ist mir dieses so bald eingefallen / daß ich der Pferde eins genommen / und ihn zu dem Bailleul / welcher nahe bey dem Creutz du Tiroir wohnet / geführet habe: Unterdessen aber habe ich seinen Sohn Peter le Clair bey dem Korn gelassen / der soll ihn verwahren / und alda zwey neue Räder machen lassen: Bin also hieher kommen / Euch meines Herren wegen zu bitten / daß ihr ihn besuchen wollet. Als nun der Bürger dieses höret / stehet er auf / und zeiget mit Verenderung seiner Farbe an / daß ihm solch Unglück hertzlich Leyd sey; desgleichen ist des Bürgers Weib nicht weniger drüber bekümmert / und wolte so bald mit ihren Eheman hingehen den Hoffman zu besuchen / aber L'Escluse machte / daß es nicht geschahe / und gieng nur der Bürger mit.

Als sie nun auff dem wege seynd / reden diese von Ackern[70] und Gütern / Lovore en Parisis / ob sie noch wol gebauet seyn / wie und wo sie liegen / und dergleichen: Da nun L'Escluse dem Bürger / als dem Hoff-Herren / solche Antwort geben kan / wolte er nicht zweiffeln an der Auffrichtigkeit dieses vermeinten Fuhr-Knechts. Als sie aber nahe an die Gassen St. Martin kommen / und durch die Jacobs-Gasse in die Gassen St. Honnore gehen wollen / sagte L'Escluse: Mein Herz / ihr wisset doch selber / wo Bailleul wohnet / so muß ich wieder zu meinen Pferden gehen /und sehen / daß die Räder gemacht werden: Aber das ist der Mangel / daß ich keinen Schilling habe / den Wagner zu bezahlen: derohalben wollet mir eine Krohn 2 oder 3 leihen / damit ich die Frucht in die Korn-Halle führen könne: dann wann ich komme /wird der Marcke schon gehalten seyn; der Bürger beschwert sich nicht darüber: Er findet aber nicht mehr in seinen Seckel als 2 Pistolen / dieselbe gibt er ihm und gehet seinen Weg forth / vermeynet / er werde seinen Hoffman bey dem Artz antreffen. Sie scheiden also von einander / der Bürger gehet zu dem Wund-Artz Bailleul / L'Escluse aber wendet ümb / und gehet durch die Gassen St. Martin / als wolle er zu seinen Wagen und Pferden gehen / aber er gienge den kurtzesten Weg. Den er ware noch nicht zu frieden / daß er dem gedachten Bürger 2 Pistolen durch sein Vorgeben hette auß dem Beutel gelocket / sondern nimbt ihm vor / er wolle so bald auch so viel von des Bürgers Weibe erhaschen. Bricht durch die erste Gassen /setzt seine Hoffnung / auff die Geschwindigkeit seiner Füsse / gehet in des gedachten Bürgers Hauß / da er die Frau antraff / da sie sich noch anzoge / thäte / als wann er sehr gelauffen hätte / und sagt: Meine Frau /euer Herr hat mich hieher geschickt /[71] er bittet euch /ihr wollet ihn ohn Verzug 25 Pfund Geld schicken; Die Frau / welche gar alt war / gibt ihm so bald was er begehrt. Und als er das hinweg hatte / brauchte er die vorige Arglistigkeit: Bate die Frau / sie solte ihm 2 Pistolen geben / daß er die neue Räder bezahlen könte. Alß er aber nun hatte / was er begehrte / gehet er zu seinen Gesellen / und erzehlet das grosse Glück / fangen darauff an zu Essen und zu Trincken / und machten sich lustig.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 69-72.
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