XLV. Die verlohrne Wette.

[79] Auß Franckreich hat man vor einigen Jahren des Lands verwiesen einen Ertz-Beutelschneider / Nahmens Adrastus von Pontoise. Dieser begab sich drauff nach der Stadt Panzano in Italien / und weil er dem Obristen darinn einsmahls wieder etliche Conjuraten sein Leben errettet / halff ihm dieser zur Danckbarkeit allemahl / so offt er auch des Diebstals wegen angeklagt ward. Gleichwohl machte ers so grob / daß der Obriste ihn bedrohete / er muste das Stehlen lassen /oder er würde ihn müssen straffen. Ich bin aber /sprach Adrastus / zum Stehlen gebohren / wie ein Vogel zum Flug / und wann ich solches lassen könte /wolte ich lange wieder in Franckreich gewesen seyn. Ich wil euch ein Meisterstück sehen lassen / daß kein Mensch / er sey so verschlagen als er wolle / sich vor mir soll vorsehen können / wann ich einmahl[79] mir vorgesetzt ihn zu bestehlen / und will ich umb 50 Kronen mit euch wetten / daß ich euch / so fern ihr allein in euer Schlaff-Kammer seyd / das Beth unter dem Leibe stehlen wil / und sollet mich daran nicht verhindern können.

So must du dann (sagt der Oberste) ein Schwartzkünstler sein. Ich versichere euch / mein Herr / antwortet Adrastus / daß ich die schwartze Kunst nicht gelernet / aber diesen Abend solt ihr in der That erfahren / daß ich euch die Warheit gesaget.

Der Obriste sagt / er wolle seiner warten / auch die Thür verwahren / daß er nicht in sein Hauß kommen könne / und also gaben sie das Geld / darumb sie gewettet hatten / in die dritte Hand / damit / wer das Geld gewinne / es bald haben möge. Er spindisiret bey sich selbsten / wie er die Sach angreiffe / damit er seiner Verheissung ein Gnügen thue / und das Geld gewinnen möge / siehet sich umb / daß er eine Leyter / Klüppel / Zangen und ander Mäuerzeug bekommet /und gehet damit zu des Obersten Hauß.

Nachdem Adrastus seine Leiter angeschlagen / steiget er oben auff den Hauß-Giebel / fänget an mit seinen Instrumenten zu arbeiten / zerreisset das Dach /und thut oben den Boden hinweg. Der Herr / welcher im Bette lieget / höret das Klopffen / und sagt bey sich selber: Man siehet wohl Adraste / daß du die Sachen übel verstehest / deine 50 Kronen seyn verlohren / dann dein Geklopff hat mich erwecket.

Unterdessen aber arbeitete Adrastus fleissig mit seinen Werckzeugen / seinen vorgenommenen Raub ins Werck zu setzen; Wiewohl es auch den Herrn im Hause verdroß / daß man ihm das Hauß oben sehr verderbete / jedoch weil er hoffte / er wolte die Wettung gewinnen / litte ers mit Gedult.[80]

Als das Loch oben in der Kammer durch Adrastum gemacht war / wartet der Herr mit Ungedult zu sehen /was doch das für ein Ende nehmen würde / und meynete nicht anders / alß daß er die Wettung gewonnen hette: Indem fällt der arme Tropff durch das Loch herab / als wann er todtwäre. Der Obriste erschricket über dieses Spectackel / dann er siehet / daß der Adrastus todt ist. Er rufft so bald seinem Diener / und nehmen den Todten stillschweigens / und werffen ihn an einen Orth / da allerley Unrath zusammen floß.

Alß nun der Obriste wieder in seinem Beth ruhen wil; kombt ihm das seltzam vor / daß er in seiner Kammer sein Beth nicht mehr findet. Er gehet in seiner Kammer auff und ab / und weiß nicht / ob das ein Traum oder Zauberey sey / bildet ihm ein / Adrastus habe sich gestellet / als wann er todt sey / auff daß /wenn man ihn hinweg trage / einer seiner Gesellen komme / und das Beth hinweg nehme; Wann er aber wiederumb bedencket / wie der todte Cörper gantz kalt gewesen / wie kein Glied am Leibe sich mehr gereget und beweget hat / wird er einer gantz andern Meynung: Indem er aber in solchem Zweiffel ungefehr auff den Tisch siehet / findet er einen kleinen Brieff /in welchem also geschrieben stehehet:

Mein Herr / es ist mir Leid / daß ich euch diese Nacht in eurem Schlaff und Ruhe verhindert: Dann die Wettung / so ich mit euch gethan / hat mich gezwungen euer Beth hinweg zu tragen: Es ist aber solches zu keinem andern Ende geschehen / alß euch würcklich zu bezeugen / daß keine Schalckheit ist /welche ich nicht wisse anzustellen / und wiewohl ihr mich Todt gefunden habt / so wil ich doch Ursach nehmen / euch den morgende Tag zu besuchen euern[81] Befehl anzuhören und außzurichten / auch zu beweisen daß ich allezeit bin und bleiben werde.

Mein Herr

Euer demühtigster Diener

Adrastus


Des Morgens kombt Adrastus zu der versprochen Zeit mit einem / welcher das Beht wieder bringet /und foderte die 50 Cronen / welche er gewonnen hatte. Mein Freund sagt zu ihm der Herr / ihr solt das Geld / darumb wir sie gewettet haben / nicht bekommen: Dann ich habe in meiner Wette außgedinget / ihr sollet keine Zauberey gebrauchen. Welches ihr aber nicht gehalten habt. Dann ich sehe euch lebendig und bey guter Gesundheit / da ich euch doch vergangene Nacht für todt weggetragen. Es ist mit doch zu viel /daß ihr mir mein Dach und Boden zerbrochen und durchlöchert habt.

Mein Herr antwortet dieser / ihr möget thun was es beliebet: Wann ich aber mache / daß ihr selber bekennen müsset / daß es mit keiner Zauberey zugangen /seyd ihr dann zufrieden / daß man mir die 50 Kronen /darumb wir sie einander gewettet haben / liefere? Ja /sagt / der Oberst aber ihr werdet das nicht zu wegen bringen können: Dann das ist natürlicher Weise nicht geschehen. Damit sie nun den rechten Grund der Sachen sage / antwortet Adrastus / so wisset ihr / daß gestern einer auffgehencket worden mir gar gleich gesehen / sonderlich / was die Nase in Barth anlanget. Bin also hingangen / und den zu dem Galgen genommen / ihme meine Kleider angezogen und ihm durch Hülff meiner Mitgesellen oben auff ein Hauß geschleppet; und als ich sahe / das ich nicht mehr[82] als ein Loch machen durffte / hinein zukommen / nam ich mir vor / durch das Loch den gehenckten Cörper in die Kammer fallen zu lassen / dann ich wuste / daß ihr ihn würdet hinweg tragen / und wurde ich unterdessen / Zeit genug haben / durch Hülff meines Mitgesellen / das Bett hinweg zutragen. Ihr könnet nun hingehen / und den todten Cörper des Gehenckten selber besichtigen / und könnet mir das Geld / so ich gewonnen / geben. Der Oberste wurde hierüber noch mehr bestürtzet / schlug dem Adrasto auff die Achsel / und sagte: Er müste sich über solches Stück verwundern / und dieweil er nicht so bald glauben / auch ihm das Geld nicht geben wolte / er hätte dann alles wohl gesehen / giengen sie mit einander hin / des gehenckten Cörper zu besehen / welcher dann noch ein stück vom Strick an seinem Halß hatte. Seit der Zeit hiel der Oberste viel von diesem Räuber / und machte ihn zu einem Trabanten / weil er allerley Arglistigkeit erdencken kunte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 79-83.
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