XLIX. Der vermessene mörderische Dieb.

[94] In einer wohl berühmten Statt in Niederland / da Recht und Gerechtigkeit im Schwang gehet / hielte sich ein Bürgers-Mann mit sonderbahrer Freunschafft verbunden / gegen seinen an Barschafft sehr reichen Nachbarn. Dieser liesse sich des Nächsten Haab gelustē / und hierdurch war sein Hertz mit losen Gedancken angefüllet / daß er ihm bey einem Schlösser einen Diebs-Schlüssel machen lassen / damit er in das Hauß und Thüren brechen könte.

Als er nun wohl wuste / daß der Nachbar mit seinem Weibe und Sohn in der Kirchen / und niemands /als eine Magd zu Hause / kame dieser / sperret daß Hauß auff / und gehet hinein / fürgebend / daß ihr Herr gegen ihm hinauß in die Kirche gegangen / und habe er notwendig einen Brieff zu schreiben. Die Magd wiese ihm das Schreib-Stüblein / da der Schatz begraben lage. Er setzte sich zu schreiben / und ließ die Feder mit fleiß fallen: Die Magd neiget sich solche auffzuheben / da stieß ihr der mörderische Geitz-Hals den Dolchen in den Halß / und gabe ihr so viel Stiche auff der Erden / daß sie bald zu schreyen auffhörete.

Ein altes Weib hörete in der obern Stuben den Tumult / und laufft zu / zu wissen / was geschehe / der Mörder aber macht sich an sie / und verbarge ihr gleichfals den noch Bluttrieffenden Dolchen in die Brust. Nach verübten Mordthaten / nimmet er das Geld / schleust die[95] Tühre hinter sich zu / und gehet seinen Weg: Versichert / daß die Todten ihn nicht verrahten / niemand aber lebe / der den Diebstahl wisse / als eben der ein Maul habe das schweigen könne. O Eitele Gedancken / die einen fehl geberen müssen!

Alß nun der Mann wieder auß der Kirchen nach Hause wil / kan er nicht einkommen / weil das Ingericht des Schlosses durch den Diebs-Schlüssel verderbet war / liesse deßwegen den Sohn bey den Nachbaren einsteigen / der ihm die Thür eröffnete. Da fanden sich die in ihren Blut liegende todten Leichnambe /und der Verlust seines lang gesamleten Reichthums! Mit was betrübten Augen er solches ansahe / ist gleich zu erachten.

Er berichtet solches der Obrigkeit / welche den Augenschein durch ihre Bediente einnehmen / und nach dem Thäter trachten lässet; Aber alles vergeblich /und wuste man nicht / auff wenn man den Argwon werffen solle / Der Mörder komt selbst / seinen betrübten Freund zu tröstē / und in diesem Trauer-stand bey zu stehen. Mit was vermessenheit hat er doch in das Hauß gehen können / welches er mit dem unschuldigē Blut angefüllet / sich zu bereichern? die absonderliche umbstände werden wegen beliebter Kurtze übergangen / und satzte sich nun dieser Diebische Mörder in allem Uberfluß / also / daß er magere Ochsen kauffte / und sie wieder verkauffte: Nun nahete auch die Straff-Zeit herbey / und die Rache Gottes konte das volle Sündenmaß nicht mehr mit milder Hand gedültig übersehen: daß unschuldige Blut schrie umb Rache gegen den Himmel: Aber auff gantz unvermuteter Weise: Es war das Wasser in des Mörders Brunnen trüb und untrinckbahr / deswegen er die Brunnenfeger bestellete / solches auß zuschopffen /[96] damit wieder frisches nachquellen möchte. Siehe da fande man auff den Grund den vorbesagten Diebs-Schlüssel / auff welchem auch des Meisters Zeichen /der ihn gemacht / zu sehen war. Der Schlösser wird fürgefodert / und bekennet / daß es seine Arbeit sey /wolte sich auch des Mannes / welcher es machen lassen / wohl erinnern / wann er ihm wieder zu Gesicht käme. Die Warheit zu erforschen muste sich der Schlösser wie ein Bauer ankleiden / und dem Meuchel-Mörder Ochsen anbiethen: Alß er umbständig vermeldet / daß er eben diesem Mann den Diebs-Schlüssel gemacht / hat man solchen herfür gezogen /und ihm denselben gewiesen / darob er sehr erschrocken / und hat die That / von seinem gewissen überzeuget / bekennt: Deßwegen er / wie Rechts / als ein Mörder gerädert worden.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 94-97.
Lizenz:
Kategorien: