LXVII. Die betrogene Hochmuth.

[137] Hochmuth nimpt selten einen guten Ausschlag / wie folgende warhaffte Geschichte bekräfftiget.[137] Eine fürnehme sehr reiche / schöne und geschickte Jungfrau /auß einem wohlbekanten Geschlechte in Seeland entsprossen / hatte durch ihr anmuhtiges und liebreiches Wesen alle ansehnliche junge Gesellen an sich gezogen / daß sich deren einer nach dem andern bey ihr anmelden / und umb sie werben ließ / ob sie nun gleich gerne mit ihnen umbgieng / wolte sie sich doch keines weges ihrer Meinung nach / so sehr erniedrigen / daß sie sich mit ihrer einem eintzigen in ein Ehegelübde eingelassen hette / sondern da war der eine zu arm / der ander zu klein / ein ander nicht höfflich genug / ein ander zu jung / ein ander zu frech / zu alt /zu hoffärtig / oder hatte sonst etwas an ihm / welches sie von ihm abschreckete / mit einem Wort / sie hoffete dermahleins eine fürnehme Stands-Person zu heurahten / als deren sie sich allein werth achtete.

Diese ungemeine Hochmuth verdroß 2. oder 3 der principalisten Jüngling in Seeland / daß sie beschlossen / die Chrysenien / also wollen wir sie nennen /auff eine artige Weise zu betriegen / und sie ihren Hochmuth bereuen / zu machen. Nachdem sie sich lange Zeit mit einander berahtschlaget / befanden sie einen Italianischen Schorsteinfäger / Nahmens Jacomo am tüchtigsten zu ihrem Anschlag / derselbe war von schöner Gestalt / wohlgewachsenem Leib und bey gutem Verstandt. Sie kamen mit ihm zu reden /und hielten ihm für / daß sein Glück anitzo blühete /wofern er Hertz gnug hette / zu einer Heurath mit einer qualificirten / reich und führnehmen sehr schönen Jungfrau sich zu bequemen: an welcher sie sich dieser Gestalt zu rächen gesonnen. Nachdem Jacomo dagegen eingewant / daß er sich nicht capabel achtete / ein solch wichtiges Werck gebührlich auszuführen /sintemahl es ihm an benöthigen Geldern und anderm Verlag ermangelte /[138] da versprachen sie ihm mit so viel Geld beyzuspringen als er hiezu von nöthen hette / und wenn die Heurath ihren Fortgang gewonnen /solte es ihm leicht fallen / aus der Jungfrauen Mitteln / zumahl sie ein einziges Kind ihrer sehr reichen Eltern / ihnen das fürgestreckte Geld wieder zu erstatten / jedoch behielten sie ihnen vor / nach gehaltener Hochzeit / noch eines zu verrichten / welches die Hochzeit oder Ehe keines weges stören könte. Jacomo / der nach Glück trachtete / gieng solches endlich ein /und auff der andern Einrahten fieng er die Werbung folgender massen an.

Er legte also bald 2. wohlgekleidete Diener zu /kleidete sich sehr prächtig und kam als ein fürnehmer Herr zur Stadt herein geritten / legte sich in die für nehmste Herberge / jedoch nicht weit von der Chrysenia Behausung / und am folgenden Tage gieng er hinzu / als er sahe / daß sie an der Thür stund / grüssete sie höfflich und nachdem er ihr einen Wechsel-Brieff auff etliche 1000. Dublonen gezeiget / forschete er / ob sie ihm / weil er ein Frembder / keinen Bericht zu ertheilen wüste / wo die Persohn wohnte /welche diesen Wechsel zu bezahlen angewiesen wäre / im gleichen / ob dieselbe auch bey gnugsamen Mittel / dergleichen Wechseln in kurtzem mehr zu bezahlen / sintemahl er sich seinem Standt gemäß zu halten / und an diesem Orth / als welcher er ihm für andern sehr wol gefiel / noch eine Zeit lang zu verbleiben gesonnen wäre. Die Jungfrau gab ihm auff alles guten Bescheid / und seine Person stund ihr im ersten Anblick dermassen an / daß sie ihm leichtlich vergönnete als er bey ihr anhielte / sie möchte es ihm nicht übel deuten / wann er sich bißweilen / umb die Zeit / als ein Frembder / zu kürtzen / bey ihr einstellete / die zierliche Niederländische Sprache aus ihrem Munde anzuhören. Es war aber der principaleste Uhrheber dieses Betrugs /[139] nehmlich einer von ihren abgewiesenen reichen Courtisanen in dem Wechsel-Zettel genennet / dannenhero verfüget er sich zu demselben /und überleget ins Geheim diese Wichtigkeit noch weiter mit ihm und denen übrigen Interessenten. Hierauff gehet er wieder bey Gelegenheit nach der Chrysenia /und gewinnet sie durch sein anständiges Wesen und liebliche Discursen / daß sie ihm ihre Gunst zusaget /wofern ihr Vater drein willigen wolte. Er spricht den Vater gleicher gestalt an / und derselbe begehret Bedenckzeit / gehet aber fürnehmlich zu dem Principalesten Interessenten dieser gemachten Karten / und weil er dem Jacomo einen grossen Wechsel bezahlet / hat er seinetwegen guten Bericht von ihm zu erlangen /dieser aber bekennet / daß Jacomo aller Muhtmassung nach ein fürnehmer Herr seyn müsse / weil ihm seyn Correspondent aus Italien seinethalben viel grosse Dinge geschrieben / wie er nemlich ein grosser und sehr reicher Herr wäre: mit diesem Bescheid gehet der Kauffmann wol vergnüget nach Hauß / beredet sich mit seinen Freunden / und wird also Verlöbniß und bald hernach die Hochzeit vollenzogen. Als dieses geschehen / fodern die Interessenten den Jacomo / und halten ihm für / daß er durch sie ein glücklicher Mann worden / und nun erfordere seine Schuldigkeit / Krafft seines Versprechens ihnen noch in einem eintzigen Stück zu wilfahren / welches darin bestünde / daß er künfftigen Tag seine vorige Schorsteinfegers Kleider anlegen / und vor seiner Frauen und Schwieger-Vatter offentlich bekennen muste / wie er ein warhaffter Schorsteinfäger seines Handwercks. Solches will ihm zwar schwer in Kopff / gleichwol betrachtete er / daß durch ihre Hülffe er sein Glück gemacht / leget dem nach / begehrter massen / seine schmutzige Kleider an den Leib und die lange Stange auff den Halß / womit er vor[140] seine Wohnung kommet / und die Chrysenia zu sprechen begehret / die Magd wil ihn nicht einlassen /aber er kehret sich nicht dran / dringet zu seiner Frauen in die Kammer / und gibt zu erkennen / daß er der Jacomo ihr Mann / aber dabey ein Schorsteinfeger seines Handwercks sey / welches er ihr hiemit habe offenbahren wollen / im übrigen sey er bereit dasjenige /was ihm an Mitteln mangele / durch getreue Liebe und seinen guten Verstandt zu ersetzen. Chrysenia erstarret über dieser Zeitung / aber ihr Vater kan sich ehe begreiffen / welcher nach gepflogenem Rath mit seinen Freunden / den Jacomo / als sein Schwieger-Sohn behält und mit seiner Persohn / ob dieselbe blut arm / er auch seinetwegen den vorigen Wechsel bezahlen muste / zu frieden ist. Die Chrysenia gibt sich endlich auch drein / und hat hernach sehr wol mit ihm gelebet: Sonsten ist dieses Exempel eine Warnung /daß man nicht zu hoch steigen soll / damit man nicht auff einmahl einen gewaltigen Sprung thun müsse: niemand sol sich über seines Gleichen achten / sondern einen jeden nach seinem Stande ehren.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 137-141.
Lizenz:
Kategorien: