LXXV. Die betrogene Diebe.

[149] Wie nicht lange hernach die Fasten-Zeit heran nahete / warff dieser listige Kumpe seine Augen auff ein Hüner-Hauß / welches auff 4 Seulen auffgerichtet /mit Weyden umbzäunet / und mit einem Dach von Stroh bedeckt war / und dacht auff eine List / wie er dasselbige bey nächtlicher Weil / wann die Hüner all darinnen / möchte ersteigen: Und dieweil eben damahls Regenwetter eingefallen / und die Nächte sehr dunckel waren / nahm er solches zu seinem Vortheil /und wandert bey eyteler Nacht dem Hüner-Hauß zu. Und ob wol der Hoff mit vier grossen Hunden oder Rieden bewacht ward / ließ er sich doch dasselbige gar nicht anfechten: Dann er hatt eine gewisse Kunst alle Hunden / wo er hinkam / zuschweigen und ihnen die Mäuler dermassen zu zuhalten / als seyen sie stumm gebohren und hetten niemahls bellen können. Vermög dieser seiner Kunst / stieg er gantz unverhindert in das Hüner-Hauß hinein / nahm alle Hüner und Cappaunen sambt den Hahnen aus demselbigen heraus / trähet ihnen die Hälse umb / warff sie zusammen in einen Sack / welchen er derenthalben mit sich genommen / und als es jetzund an dem war / daß er wiederumb wolte herab steigen / und seinen Diebstal heymtragen / hört er ein Gemürmel vier starcker Jüngling / welche offt und vielmahl in diesem Hauß gearbeitet / derowegen den Hunden bekant / und hatten sich demnach für denselbigen nicht zu fürchten / daß sie sie wurden anbellen und jemand erwecken / diese vier ehrliche Vögel / welche Brüder / hatten auch wie Sanchez ein Aug auff das Hüner-Hauß geworffen /und derowegen eben diesen[150] Vorschlag / dasselbige zu plündern / und die Hüner mit ihren Buhlen das folgende Fest über in Freuden zu verzehren: Giengen derowegen zu dem Hüner-Hauß hinzu / huben dasselbige von den vier Posten herab / legtens auff ihre Achseln und trugens mit allem dem / so darinnen auff denselbigen hinweg. Wie damahls dem guten Sanchez als er dieses Vornehmen gehöret / muß zu muht gewesen seyn / kan ein jeglicher ehrlicher und sorgfältiger Dieb leichtlich ermessen: Sintemahl keine Mauß jemahls vor der Katzen in solchen Aengsten gestanden /als allhie dieser armer Tropff. Denn dieweil er albereit bey männiglichen so beschreyt / und für den allergrösten Dieb gehalten ward / macht er ihme kein andere Gedancken / wann er einmahl über einen Diebstahl ergriffen würde / als daß er muste hangen. In solchen seinen Aengsten und aller schweresten Gedancken fiel ihm ein / daß ihn die dunckele und finstere Nacht aus dieser grossen Gefahr am allerbesten könne erretten: Nam ihme derowegen vor / aus dem Hüner-Hauß zu springen / und in aller Eyl darvon zu lauffen / damit er von den vier Dieben / so nach ihm kahmen / und unten bey dem Hüner-Hauß stunden / nicht erkant würde. Indem er aber noch in solchen Gedancken schwebte / von dem Ausgang in allem Zweiffel stunde / und die vier Brüder biß auff einen guten Bogenschuß von ihrem Hause kommen / empfand der eine unter ihnen / daß das Hüner Hauß so viel schwerer /als es seiner Gelegenheit nach seyn solt: Sprach derowegen zu dem andern / so ihme im tragen am nechsten war / empfindestu auch lieber Bruder / wie dieses Hüner-Hauß / welches nur von Weyden und Stroh gebauet so mächtig schwer? freylich empfinde ich es /antwörtet derselbige / ich kan anderst nicht gedencken / dann es sey der Teuffel selbsten darinnen / dessen ward aber der Sanchez über allemassen[151] froh / vermeynet er hört eines Engels-Rede / und fieng demnach alsobald an gantz erschröcklich zu brüllen / und sagt. Ja ich bin der Teuffel / ergriff damit einen Capaunen bey den Füssen / und warff ihn aus den Hüner-Hauß heraus / und demjenigen / so dem Loch in dem Tragen am nechsten / an den Kopff / der dann alsobald anfieng zu schreyen und sagt / wir sind allesampt des todes / wurffen derowegen alle vier das Hüner-Hauß von ihren Achseln herab und flohen ohn alles Hindersich sehen mit grosser Furcht davon / vermeynent / es komme der Teuffel / immerdar hinter ihnen her / und begehre sie zu verderben: Ja es war der Schrecken so groß / daß sie selbigen im Marck und Beynen befunden / müsten sich so bald sie heym kamen / zu Bette legen / und konten sich in etlich viel Tagen nicht darvon wieder erholen. Don Sanchez aber war destomehr erfreuet / und trug seinen Raub mit guten Genügen heim.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 149-152.
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